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Schon 10 000 Verbraucher haben die Chance genutzt und auf der Seite im Netz ihrem Ärger über ein Produkt Luft gemacht. Immer wieder mit Erfolg. Manches Ärgernis wurde abgestellt.

Berlin - Sie wird auch der Pranger für Lebensmittel genannt. Seit anderthalb Jahren betreibt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) eine kontrovers diskutierte Seite im Internet (Lebensmittelklarheit.de).

Verbraucher können Lebensmittel melden, wenn sie sich von der Industrie getäuscht fühlen. Zum Beispiel, wenn ein Fleischsalat Meerrettich im Namen führt, aber als Inhaltsstoff nur in Spuren enthält. Oder: Wenn ein Produkt Thüringer Land Buttermilch heißt, aber in Bayern produziert wird. Oder: Wenn ein Knabber-Produkt Zwiebelringe heißt, eine frische Zwiebel auch abgebildet ist, in der Tüte sich aber ein Mais-Gebäck mit Zwiebelpulver und Aroma befindet.

Die Verbraucherschützer prüfen die Beschwerde, fordern den Hersteller gegebenenfalls zur Stellungnahme auf und melden auch auf der Seite, wenn die Industrie eingelenkt hat. Nach Informationen unserer Zeitung sind binnen 18 Monaten auf der Seite 10 000 Verbraucheranfragen und Produktbeschwerden eingegangen.

Internetportal wurde bislang mit 775 000 Euro gefördert

Das Portal im Internet wurde bislang vom Bundesverbraucherschutzministerium mit 775 000 Euro gefördert. Die Förderung ist Ende Dezember ausgelaufen, der Betreiber hat eine Verlängerung beantragt.

Vor der Agrarmesse Grüne Woche macht sich nun Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) für eine Fortführung des Projektes stark. Aigner sagte im Gespräch mit unserer Zeitung: „Das Portal war von Beginn an ein großer Erfolg, deswegen möchten wir das Projekt grundsätzlich weiter fördern.“ Bis Ende des Monats will das Ministerium über den Antrag zur Verlängerung der Förderung entscheiden.

Aigner lobt die Seite: „Der neuartige Dialog zwischen Verbrauchern und Lebensmittelwirtschaft funktioniert.“ Zunächst seien viele Hersteller skeptisch gewesen, inzwischen schätzten immer mehr Unternehmen die Plattform. Ein Drittel der angeprangerten Hersteller habe eingelenkt und für Abhilfe gesorgt.

Beim Koalitionspartner FDP stößt das Portal nicht auf die gleiche Begeisterung. Im Gegenteil: FDP-Ernährungsexpertin Christel Happach-Kasan prangert ihrerseits die Seite an: „Die Verbraucherzentrale als Betreiber hat sich häufig nicht an die vereinbarten Spielregeln gehalten und Kritik der Berater des Portals ignoriert.“ Sie fordert Aigner auf, der Verbraucherzentrale künftig klare Vorgaben zu machen. „Ansonsten“, so die Politikerin weiter, „kann es aus Sicht der FDP-Bundestagsfraktion keine Weiterförderung geben.“ Und weiter sagte sie wörtlich: „Steuergelder dürfen nicht für ein willkürliches Meckerportal ausgegeben werden, sondern müssen in tatsächliche Verbraucheraufklärung fließen.“

Die FDP und die Lebensmittelbranche kritisieren, dass das Portal auch dann die Verbraucherbeschwerden bringe, wenn das Produkt den geltenden gesetzlichen Bestimmungen entspreche, sich der Verbraucher lediglich getäuscht fühle.

Vor einigen Monaten etwa brachte das Portal die Beschwerde eines Verbrauchers gegen „Erdinger alkoholfrei“. Der Verbraucher monierte die Kennzeichnung der Herstellers unter der Rubrik „Getäuscht“, weil das Bier tatsächlich eine geringe Menge von Restalkohol – von 0,4 Prozent war die Rede – enthält. Happach-Kasan: „In der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung ist festgelegt, dass Getränke erst ab einem Gehalt von 1,2 Prozent Alkohol eine Kennzeichnung des Alkoholgehaltes tragen müssen.“ Somit entspreche die Bezeichnung „alkoholfrei“ den gesetzlichen Bestimmungen. Es seien 200 „alkoholfreie Biere“ auf dem Markt. „Da ist nicht hinnehmbar, dass nun Erdinger dort an den Pranger gestellt wird.“ Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) sagt dazu: „Wenn nur der Marktführer im Portal angegriffen wird, liegt ein staatlich geförderter Eingriff in den Wettbewerb vor.“