So reich gefüllt ist die Verkaufstheke von Fildertafel-Helfer Jan Fischer nicht immer – auch wenn Obst und Gemüse zu den oft vorrätigen Lebensmitteln zählen. Foto: Sascha Schmierer

Zum 20-jährigen Bestehen spürt die gemeinnützige Fildertafel einen deutlichen Anstieg der Hilfesuchenden. Die Zahl bedürftiger Haushalte in der Kundenkartei ist binnen eines Jahres von rund 900 auf mehr als 1250 gestiegen.

Filder - Ursprünglich war die Fildertafel nur als kurzfristige Hilfsaktion gedacht. Das vom Bauern auf dem Markt nicht abgesetzte Feldgemüse, die beim Bäcker nach Ladenschluss übrig gebliebene Brötchen und die im örtlichen Supermarkt wegen der Mindesthaltbarkeit aussortierten Lebensmittel sollten nicht länger auf dem Müll landen, sondern zu einem deutlich vergünstigten Preis an bedürftige Menschen abgegeben werden.

Maximal ein Drittel des regulären Ladenpreises sollten am Rand der Armutsgrenze lebende Sozialhilfeempfänger für die Zweite-Wahl-Ware im Angebot der Fildertafel zahlen. Doch aus der im Jahr 1995 von Werner Bizer als Leiter der Diakonischen Bezirksstelle in Bernhausen als provisorische Lösung ins Leben gerufenen Idee hat sich ein Dauerläufer entwickelt. Aus dem Alltag vieler Menschen ist die nach Berlin und Heilbronn als bundesweit dritte Tafel jedenfalls nicht mehr wegzudenken.

In der Kundenkartei finden sich inzwischen 1256 Haushalte

„Ich würde mir ja wünschen, dass man die Tafelläden nicht mehr braucht. Aber das ist ein Wunsch, der mit der Realität nichts zu tun hat“, sagt Tanja Herbrik, die Leiterin der mit ihren drei Filialen in Echterdingen, Ostfildern und Bernhausen sitzenden Sozialeinrichtung. Denn auf den reichen Fildern, mitten in einer wirtschaftlich prosperierenden Region, leben immer mehr Menschen, für die das Geld vor allem am Monatsende nicht mal mehr für einen Einkauf im Discounter reicht.

Fildertafel-Chefin Tanja Herbrik kann diese Entwicklung auch mit aktuellen Zahlen belegen: Noch vergangenes Jahr hatte die von den Kommunen und Kirchen, aber auch von zahlreichen privaten Spendern unterstützte Institution noch etwa 900 Haushalte in der Kundenkartei. Im Jahr 2015 ist die Zahl der Einkaufsausweise auf 1256 gestiegen – und das Jahr ist noch längst nicht zu Ende.

Immer mehr Flüchtlinge, immer mehr Altersarmut

Dass immer größere Kundenkreise auf das Angebot angewiesen sind, führt die Leiterin auch auf die wachsende Zahl von Flüchtlingen zurück. Neben dem Anstieg der Asylbewerberzahlen sieht Tanja Herbrik aber noch zwei andere Personengruppen, die um vergünstigte Lebensmittel notgedrungen Schlange stehen.

„Es gibt einfach immer mehr Altersarmut und eine steigende Zahl von Langzeitarbeitslosen“, sagt sie. Bei den einen reiche die Rente nicht aus, die anderen müssten wegen der knapp kalkulierten Hartz-IV-Sätze auf jeden Cent achten. „So mancher Kunde dreht hier an der Kasse jedes Zehnerle zwei mal um“, pflichtet Rolf Beutel bei, der seit seinem Ruhestand vor 15 Jahren ehrenamtlich bei der Fildertafel mithilft.

Lagerfähige Lebensmittel sind Mangelware

Schwierig ist, dass das Warenangebot zum vergünstigten Preis eher sinkt als steigt. Während es Brot vom Vortag und saisonales Gemüse mitunter in Hülle und Fülle gibt, zählen lagerfähige Nahrungsmittel wie Mehl, Reis und Nudeln zur Mangelware. Aktuell lagern im Regal beispielsweise abgepackte Hamburger-Brötchen und Großpackungen mit Lakritze – einen Haufen hungriger Mägen bekommt man mit dem Angebot leider nicht voll.

Info: Zum 20-jährigen Bestehen gibt es eine lange Tafel

Dass immer mehr Menschen auf die Arbeit der Fildertafel angewiesen sind, ist für den Diakonieverband im Landkreis Esslingen wahrlich kein Grund zum Feiern. Das 20-jährige Bestehen der Hilfseinrichtung soll am Samstag, 26.September, dennoch genutzt werden, um mit Bürgern ins Gespräch zu kommen – und möglicherweise neue Gönner zu finden.

Aus 25 Biertisch-Garnituren wird vor der Aktionsbühne in der Fußgängerzone in Bernhausen deshalb eine lange Tafel aufgebaut, an der um 12.30 Uhr die Suppenteller für ein gemeinsames Essen von Tafelkunden, Mitarbeitern, Lieferanten und Helfern gefüllt werden. Wer verdient, zahlt ähnlich wie in der Vesperkirche fünf Euro für das vom Gasthaus Schwanen gestiftete Mahl. Grußworte sprechen zuvor Dekan Rainer Kiess, Filderstadts Sozialbürgermeister Andreas Koch und Kreisdiakonie-Geschäftsführer Eberhard Haußmann.