Melanie Maier (rechts) liebt die Tiere auf der Jugendfarm. Jobcoach Christiane Möller hilft der behinderten 26-Jährigen, sich bei der Arbeit auf der Farm zurechtzufinden. Foto: Barnerßoi

Die Lebenshilfe organisiert für behinderte Menschen Arbeitsplätze außerhalb der Werkstätten. Melanie Maier arbeitet mit Freude auf der Jugendfarm Birkach mit.

Birkach - Max zerrt an der Leine. Der Ziegenbock ist sauer. Während seine liebste Hella im Gehege bleiben darf, so lange es sauber gemacht wird, muss er draußen warten – festgebunden an einem Baum. Max ist nämlich ein temperamentvoller Bock; ein Warnschild mit der Aufschrift „Ziegen boxen“ ist deshalb am Gatter angeschlagen. Melanie Maier fürchtet Max keineswegs. „Du bist so einer“, murmelt die 26-Jährige und streichelt dem Bock liebevoll über den Kopf. Sofort ist er friedlich. „Bei den Tieren macht Melanie uns allen etwas vor“, sagt Christiane Möller. Sie ist Jobcoach und hilft der behinderten jungen Frau, die seit ein paar Monaten auf der Jugendfarm Birkach mitarbeitet.

„Tiere und Natur sind immer ein besonderes Erlebnis“, sagt Bettina Venter, während sie Melanie Maier beim Misten des Ziegenstalls zuguckt. Sie ist die pädagogische Leiterin der Werkstätten Stuttgart, einem Zweig der Lebenshilfe (siehe Infokasten). In den Werkstätten arbeiten hauptsächlich geistig schwerstbehinderte Menschen – wie auch Melanie Maier. „Leider ist man in den Werkstätten nur auf sich bezogen, viele kennen uns nicht einmal“, bedauert Venter. Deshalb sei vor einiger Zeit die Idee aufgekommen, dass die zu Betreuenden, deren Behinderung es erlaubt, auch außerhalb arbeiten könnten.

Zimmermädchen oder Bürokraft

Auf diese Weise sind schon einige der Menschen mit Behinderung nicht nur in den Werkstätten in Vaihingen und Stuttgart Nord, sondern beispielsweise auch in einem Hotel in Vaihingen als Zimmermädchen oder im Büro bei einem Automobilzulieferer tätig. Und seit Juni arbeitet Melanie Maier auf der Jugendfarm.

Heike Fiestas Cueto, die Vorsitzende des Jugendfarm-Vereins, freut sich über die Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe. Sie sei das beste Beispiel für Inklusion. Es sei etwas Besonderes zu beobachten, wie die Kinder, die anfangs noch irritiert waren, sich an die neue Situation gewöhnen und gegenüber den Behinderten Verantwortung übernehmen. „Der Arbeitsversuch ist nur der Anfang von etwas, das sich vielleicht ausbauen lässt“, hofft Fiestas Cueto.

Partner für die Außenarbeitsplätze zu finden, sei nicht ganz einfach, erklärt Bettina Venter. Die Arbeit müsse zum einen machbar sein, zum anderen müssten die Rahmenbedingungen stimmen. Die Menschen mit Behinderung brauchen eine Möglichkeit, sich auszuruhen, eine Küche, eine behindertengerechte Toilette und überhaupt ein Gelände, das im Zweifelsfall barrierefrei zugänglich ist. Auf einer Jugendfarm sei dies natürlich selten der Fall. „Hier in Birkach ist das durch das tolle neue Farmhaus aber gegeben“, sagt Venter.

Melanie Maiers Mitstreiter lag die Arbeit nicht so sehr

Der Weg zum Außenarbeitsplatz ist immer derselbe. Jobcoach Christiane Möller guckt sich zunächst alles selbst an. Im Juni hat sie die Arbeit auf der Jugendfarm geübt. Seither mistet auch sie jeden Donnerstag die Ställe aus, pflegt und füttert die Tiere. Mit ihren Eindrücken erstellt sie ein Profil und eine Jobbeschreibung. Dann sucht sie in den Werkstätten nach jemandem, dem die Arbeit liegen und gefallen könnte.

Auf der Jugendfarm ist sie im Juli zunächst mit zwei Behinderten gestartet. Melanie Maiers Mitstreiter lag die Arbeit aber nicht so sehr. Seither beißen sich die Frauen zu zweit durch. „Es läuft wirklich sehr gut“, sagt Christiane Möller. Auch ihr macht es viel Spaß, auf der Jugendfarm zu arbeiten. „Das ganze Umfeld ist toll, die Mitarbeiter haben uns gut aufgenommen und Melanie von Anfang an viel zugetraut“, sagt Möller, während sie beim Mist wegkarren kräftig mit anpackt. Wichtig sei nur, Melanie Maier jeden Donnerstag einen festen Ablauf zu bieten. „Erst werden die Pferde und Esel gefüttert, dann die Hasen und die Ziegen“, sagt Melanie Maier konzentriert. „Und wenn alle satt sind, fangen wir an, die Ställe auszumisten“, ergänzt Christiane Möller.

Wie es für Melanie Maier weitergeht auf der Jugendfarm, ist noch unklar, erklärt Bettina Venter. Momentan bewähre sich die Mitarbeit mit Christiane Möller im Doppelpack. Das langfristige Ziel sei aber, dass Melanie Maier irgendwann auch allein auf der Jugendfarm mitarbeiten kann. Wie lange das dauert, könne man nicht sagen. Doch die Zeit lohne sich in jedem Fall. Die Erfahrung mit den Behinderten, die an den Außenarbeitsplätzen schon selbstständig klar kommen, sei hervorragend. „Unseren Persönlichkeiten tut das so gut. Sie werden sehr selbstsicher“, sagt Venter.

Melanie Maier merkt man das an. Ohne Scheu bewegt sie sich im Ziegengehege, tätschelt Hella den Kopf und streut Stroh in den Stall. Dann spannt sie auch Max nicht mehr länger auf die Folter. Als sie auf ihn zugeht, wird der Temperamentvolle zahm. Sie macht ihn los – und er kann zurück zu seiner geliebten Hella.