Von wegen sanfte Ruhe auf dem Schorndorfer Friedhof: Gärtnermeister Kurt Mächtlen zeigt das Grab, das die Jungfüchse am heftigsten umgepflügt haben. Foto: Rainer Bernhardt

Sie kommen immer näher. Sie rücken immer weiter vor.Sie haben keine Scheu mehr: Füchse erobern die Städte, wo es kaum Gefahr und viel Nahrung gibt. Mit weitreichenden Folgen: In Schorndorf verwüstet Meister Reineke den Friedhof, in der Cannstatter Wilhelma wurden zum Schutz Elektrozäune installiert.

Schorndorf - Friedhofsgärtner Kurt Mächtlen war in den vergangenen Monaten häufig entsetzt, wenn er die morgendliche Bescherung entdeckte: Einmal mehr hatten junge Füchse frisch bepflanzte Gräber verwüstet. Sie hatten, tiefe Löcher bis unter den Grabstein gebuddelt, Blumen herausgerupft und Kerzen verstreut. Gut 100 Gräber seien betroffen, sagt der Gärtnermeister und Gemeinderat (FDP/Freie Wähler).

Das Phänomen ist keineswegs neu: Die Rotröcke werden urban. „Vier menschliche Haushalte ernähren einen Fuchs“, sagt Ulrich Baade, Pressereferent des Landesjagdverbands in Stuttgart. Die Tiere finden einen reich gedeckten Tisch vor, werden in Komposthaufen und im Restmüll fündig oder stibitzen Katzenfutter – „wenn sie nicht gleich von Menschen angefüttert werden, weil sie doch so niedlich sind“. Baade selbst hat kürzlich beim Blick aus seinem Bürofenster in Degerloch auf den nebenan gelegenen Friedhof beobachtet, wie ein Jungfuchs an den Gräbern entlang schlich und erst zwei Meter vor dem Gärtner abdrehte. „Der guckte dem bei der Arbeit zu, hatte keine Scheu, als wär’s eine Hauskatze.“

Doch es sind eben keine schnuckeligen Hauskatzen, sondern problematische Wildtiere, die die Totenruhe stören. „Die Fuchsplage im Neuen Friedhof richtet erhebliche Schäden an“, sagt der Schorndorfer Rathaussprecher Mike Körner. Doch weil der Gottesacker ein sogenanntes befriedetes Gebiet ist, darf dort nicht gejagt werden. Das Ordnungsamt prüft derzeit, ob per Ausnahmeverfahren die Jagd per Schießeisen doch erlaubt werden darf. „Wir wollen aber kein Rumballern auf dem Friedhof“, meinte Roland Kuhn vom Tiefbauamt kürzlich.

„Der Jungfuchs wird dann in der Falle erlegt“

Eine weitere Methode wären Wildfang-Fallen. Die Zusammenarbeit mit einem Experten, der für das Aufstellen derartiger Fallen berechtigt ist, soll an diesem Mittwoch festgezurrt werden. Der Fuchsfänger muss dann die Fallen mehrmals am Tag und in der Nacht kontrollieren.

Kommt ein Tier bei einer solchen Kastenfalle aufs Trittbrett, gehen die Klappen runter. Drin ist es absolut dunkel – das Tier wartet regungslos ab, was passiert. Wäre eine Katze gefangen, käme diese also nach kurzer Zeit wieder auf freien Fuß. Und was ist mit dem Fuchs? Der Begriff Lebendfalle suggeriert, dass der Fuchs anschließend umgesiedelt werden soll. Das müsste schon sehr weit weg sein, „denn sonst kommt der doch wieder“, meint der Assessor des Forstdiensts Baade, „das wäre Quatsch“.

Tatsächlich läuft’s auch anders, berichtet Markus Schiek, Hegeringleiter des Bezirks Schorndorf mit Jagdrevier direkt neben dem Friedhof. „Der Jungfuchs wird dann in der Falle erlegt“, sagt er – so könne eben zwischen Fuchs und Katze selektiert werden. Eine andere Variante der Fuchsjagd wäre jene mit Greifvögeln. Dabei müsste aber etwa der Falke gute Sicht aufs Beutetier und ein freies Flugfeld haben – kaum machbar zwischen Grabsteinen und Sträuchern.

Bis zu 5000 Füchse leben in Stuttgart

In der Stadt Stuttgart liegen nach Angaben einer Sprecherin der Unteren Jagdbehörde aktuell keine Beschwerden über streunende Füchse auf Friedhöfen vor. Dabei gibt es in der Landeshauptstadt rund 3000 bis 5000 Füchse, so eine amtliche Schätzung. Einige davon haben es auf die Wilhelma abgesehen. „Bei uns sind ständig Füchse präsent“, sagt Zooinspektor Thomas Seitz. Einst riss ein Rotfuchs in einer Nacht 13 Flamingos. Darauf machte sich im Sommer 2002 der damalige Pressesprecher mit der Flinte auf die Jagd nach Hasen und Füchsen. Besonders empörte Reaktionen in der Boulevardpresse zeigten zwei grüne Politiker: Stadtrat Werner Wölfle (mittlerweile Bürgermeister) polterte: „Legt dem Kerl endlich das Handwerk.“ Und Landes-Fraktionschef Winfried Kretschmann fand es „widersinnig, in einer solchen Anlage Tiere zu jagen“. Die Wilhelma-Mitarbeiter wehrten sich per Anzeige gegen diese „widerliche Hetzkampagne“.

Kurz danach versandete das Thema wieder. Seit Jahren habe man die Vogelanlagen mit Elektrodraht gesichert, so dass die Bejagung „schon ewig“ nicht mehr nötig sei, berichtet Seitz. Der Strom wird in der Dämmerung eingeschaltet, „und dann kriegt der Fuchs eine auf die Schnauze gezwiebelt und macht sich vom Acker“. Denn Füchse seien Opportunisten, hätten keinen Lust auf Ärger, „und im restlichen Stadtgebiet werden sie ohnehin schnell fündig“.