Foto: dpa

Kritik aus dem Gemeinderat am Arbeitgeberpräsidenten – SÖS und Linke fordern Abberufung aus Aufsichtsrat.

Stuttgart - Der Verkauf der 21 500 Wohnungen der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) an die Augsburger Patrizia AG sorgt weiter für Wirbel. Dass ein Konsortium um die Landeshauptstadt Stuttgart den Zuschlag beim Milliardendeal aufgrund eines finanziell schlechteren Angebots verpasst hat, löst Katzenjammer und Kritik auf allen Ebenen aus. Während sich die Mieter bereits organisieren und die Stadt sich mit SPD-Finanzminister Nils Schmid darüber streitet, wer denn im Nachhinein für besseren Mieterschutz gesorgt hat, steht nun auch Dieter Hundt in der Kritik. Der Unternehmer und Arbeitgeberpräsident sitzt als Vertreter der Stadt im Aufsichtsrat der LBBW, in dem die Verkaufsentscheidung getroffen worden ist.

Die Fraktionsgemeinschaft SÖS und Linke im Gemeinderat hat in dieser Woche nochmals ihre „Bestürzung“ über den Ausgang des Immobiliengeschäfts geäußert – und in einem Antrag gleich mehrere Forderungen gestellt. Weil trotz der vereinbarten Sozialcharta „hohe Mietpreissteigerungen von über fünf Prozent jährlich“ sowie „der schrittweise Ausverkauf von Wohnungen aus dem Bestand“ drohten, dürfe die Stadt als Miteigentümerin der LBBW diese Entscheidung nicht hinnehmen.

Fritz Oesterle war der einzige der drei städtischen Vertreter

Die Fraktionsgemeinschaft unterstützt deshalb nicht nur die geplante Erhaltungssatzung für das Nordbahnhofsviertel, um dort Luxussanierungen zu verhindern, sondern fordert auch eine Annullierung des Aufsichtsratsbeschlusses zum Verkauf der Wohnungen. Hierzu seien sofort Gespräche mit der Landesregierung aufzunehmen. Die von der Stadt entsandten Aufsichtsratsmitglieder sollen eine Sondersitzung des Gremiums beantragen.

So unrealistisch diese Forderung auch sein mag – sie beinhaltet einen weiteren delikaten Antragspunkt. Ginge es nach SÖS und Linken, wäre nämlich einer der städtischen Aufsichtsratsvertreter im Falle einer Sondersitzung gar nicht mehr dabei. „Herr Dr. Dieter Hundt wird aufgrund seiner nicht wahrgenommenen Verpflichtungen als städtischer Vertreter im LBBW-Aufsichtsrat abberufen“, heißt es da. Der Gemeinderat möge dies zeitnah beschließen.

Tatsächlich ist Hundts Stuhl bei der entscheidenden Sitzung am 13. Februar leer geblieben. Damit war Fritz Oesterle der einzige der drei städtischen Vertreter im 21-köpfigen LBBW-Aufsichtsrat. OB Wolfgang Schuster stimmte nicht mit, weil die Stadt als Mitbieter auftrat. „Die Sitzung ist sehr kurzfristig festgelegt worden, und ich war an diesem Abend schon anderweitig verpflichtet“, sagt Hundt. Er versuche stets, solch wichtige Termine wahrzunehmen. Das sei aber in diesem Fall nicht möglich gewesen.

Aufsichtsratsposten bei der Landesbank gut dotiert

Die Entscheidung hätte Hundts Stimme kaum beeinflusst – dennoch steht er jetzt in der Kritik. Nicht zuletzt, weil der Aufsichtsratsposten bei der Landesbank gut dotiert ist. Die Mitglieder erhalten eine jährliche Festvergütung von 25 000 Euro. Dazu kommen 200 Euro Sitzungsgeld pro Treffen. Laut der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), deren Präsident der Unternehmer ist, bekleidet Hundt derzeit vier weitere Aufsichtsratsämter und sitzt in mehreren Beiräten. Allerdings sind nicht alle so hoch dotiert wie das Amt bei der LBBW. Beim VfB Stuttgart etwa, wo Hundt Aufsichtsratsvorsitzender ist, gibt es überhaupt keine Vergütung.

In einer nichtöffentlichen Sitzung des Stuttgarter Verwaltungsausschusses zwei Tage nach dem Verkauf sparten mehrere Fraktionen nicht mit Kritik an Hundt. Sowohl der CDU-Fraktionsvorsitzende Alexander Kotz als auch SPD-Stadtrat Manfred Kanzleiter fanden deutliche Worte für das Fernbleiben und forderten Konsequenzen.

Die Chancen auf eine Ablösung Hundts sind dennoch gering. „Wir würden das bei einer Abstimmung ablehnen“, sagt Kotz jetzt auf Anfrage. Der Antrag sei überzogen. Zwar habe er das Verhalten des Unternehmers kritisiert, inzwischen verfüge er aber über mehr Hintergrundwissen. Die Sitzung sei sehr kurzfristig angesetzt worden, sein Stimmrecht habe Hundt in diesem besonderen Fall nicht übertragen können, weil es keine Beschlussvorlage gegeben habe. „Allerdings wäre es besser gewesen, Herr Hundt hätte sich nach der Entscheidung dem Gemeinderat gegenüber erklärt. Das hätte eine Entspannung gebracht“, sagt Kotz.