Trotz unermüdlicher Proteste der Stuttgart-21-Gegner bei den Montagsdemos (Foto 150. Montagsdemo) zeigt eine Studie, dass das Interesse an Stuttgart 21 im Land deutlich gesunken ist. Innerhalb eines Jahres hat es sich mehr als halbiert Foto: Fotoagentur Beytekin / Weiberg

Eine Studie im Auftrag der alten Landesregierung zeigt, dass das Interesse der Bürger an Stuttgart 21 in Baden-Württemberg offenbar deutlich gesunken ist. Innerhalb eines Jahres hat es sich mehr als halbiert.

Stuttgart - Das Interesse am Streitthema Stuttgart 21 ist in Baden-Württemberg offenbar spürbar gesunken. Innerhalb eines Jahres hat es sich mehr als halbiert und reizt heute nur noch gut jeden fünften Einwohner, wie eine am Montag vorgelegte Umfrage des Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung im Auftrag der Landesregierung ergab. Demnach interessierten sich im Dezember 2011 noch 50 Prozent der Befragten „sehr stark“ oder „ziemlich stark“ für das Bahnprojekt, im August dieses Jahres waren es noch 22 Prozent.

Studie berücksichtigt nicht Debatte um Mehrkosten

Laut der Umfrage unter Anleitung des Politologen Thorsten Faas begrüßt eine Mehrheit von 72 Prozent, dass es eine Volksabstimmung zu dem Thema gegeben hat. Bei dem Urnengang Ende 2011 hatten sich 58,9 Prozent der Abstimmenden gegen den Ausstieg des Landes aus der Projektfinanzierung von Stuttgart 21 ausgesprochen, 41,1 Prozent stimmten dafür. 48,3 Prozent der Stimmberechtigten hatten sich daran beteiligt.

Bemerkenswert ist laut Faas, dass die Projektgegner trotz ihrer Niederlage bei der Volksabstimmung das Verfahren nach wie vor stärker unterstützen (75 Prozent) als die Projektbefürworter (72 Prozent). Allerdings sind weniger Menschen mit dem Projektverlauf seit der Volksabstimmung zufrieden. Nur 17 Prozent sind „eher“ oder „sehr zufrieden“, 36 Prozent sind „eher“ oder „sehr unzufrieden“. Bei den Projektgegnern sind 26 Prozent zufrieden, 21 Prozent unzufrieden.

Erler: Volksabstimmung ist „in gar keiner Weise obsolet“

Faas betonte, in der Studie sei die aktuelle Debatte über die Mehrkosten bei dem Projekt nicht mehr abgebildet. Die Projektpartner hatten eine Kostenobergrenze von 4,5 Milliarden Euro vereinbart. Dies war auch Grundlage für die Volksabstimmung vor einem Jahr. Derzeit gibt es aber Hinweise, dass das Projekt mindestens 1,5 Milliarden Euro teurer werden könnte.

Die Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, Gisela Erler (Grüne), sagte, trotzdem sei die Volksabstimmung „in gar keiner Weise obsolet“. Allen Abstimmenden seien damals die Argumente der Projektgegner, die damals vor dramatischen Kostensteigerungen gewarnt hatten, klar gewesen. „Wenn sich jetzt die Grundlagen sehr dramatisch verschieben, werden wir Zeugen sein, was dann passiert“, sagte sie. Die Projektpartner würden auf jeden Fall Gespräche führen. Der Politologe Faas glaube nicht, dass die Kostendebatte kurzfristig etwas an der bisher deutlichen Zufriedenheit mit der Volksabstimmung ändern werde.

Langzeitstudie noch von Schwarz-gelb in Auftrag gegeben

Die Langzeitstudie untersuchte das Thema „Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie“ insgesamt und wurde bereits von der schwarz-gelben Landesregierung beauftragt. Die Umfrage hat außerdem zum Ergebnis, dass die Entwicklung der Demokratie im Land insgesamt positiv beurteilt wird: Über 50 Prozent der Befragten nehmen eine Verbesserung wahr, 22 Prozent eine Verschlechterung. 67 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Volksabstimmungen ein gutes Mittel sind, um wichtige politische Fragen zu entscheiden. Jedoch werden nicht alle Themen als geeignet betrachtet. Insgesamt forderten weniger gebildete Menschen mehr direkte Demokratie, was wohl einer gewissen Unzufriedenheit mit der Gesellschaft geschuldet sei, sagte Faas.