Eigentlich müssten in Stuttgart mehr Krankentransportwagen unterwegs sein, um Patienten zum Arzt zu bringen oder aus dem Krankenhaus abzuholen. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Immer wieder müssen Patienten in Stuttgart stundenlang auf einen Krankentransport warten. Es sind zu wenige Fahrzeuge unterwegs, die Branche ist unterfinanziert.

Stuttgart - Der Fall eines Stuttgarters, der nach der Dialyse in einer Arztpraxis bis tief in die Nacht auf einen Krankentransport warten musste, hat zahlreiche Reaktionen hervorgerufen. Gemeinsam ist ihnen eines: Die Situation kann nicht so bleiben, wie sie ist. Zu oft sind die Wartezeiten für den Weg zur oder von der Behandlung viel zu lang.

Praxen und Kliniken

„Fälle mit extremen Wartezeiten für die Patienten kommen immer wieder vor“, sagt ein Stuttgarter Arzt. Besonders die Wochenenden und die Abendzeiten seien schwierig. Die Belastung, wenn kranke Menschen teils stundenlang ausharren müssten, sei hoch. Derselbe Eindruck kommt auch aus Kliniken. Denen wird zwar immer wieder vorgeworfen, zu Stoßzeiten zu viele Patienten zu entlassen, was zu einer Überlastung der Krankentransporte führt, allerdings sehen sie Probleme auch zu ganz anderen Uhrzeiten. „Die Unterversorgung besteht nicht nur in Stuttgart, das ist ein flächendeckendes Problem“, sagt etwa Michael Sarkar. Der Ärztliche Direktor des Krankenhauses Leonberg schildert den Fall einer Patientin, die nach einer ambulanten Versorgung gegen 19 Uhr abgeholt werden sollte. Als um 1 Uhr nachts noch immer kein Krankentransportwagen (KTW) da war, musste eine äußerst strapaziöse Abholung durch Verwandte organisiert werden. „Die Verantwortlichen schieben sich bei diesem Thema leider gegenseitig die Verantwortung zu“, sagt Sarkar. Wenn er sich beschwere, sei ihm schon vorgeschlagen worden, solche Patienten über Nacht stationär aufzunehmen – obwohl es dafür keinen medizinischen Grund und folglich auch keine Kostenerstattung durch die Krankenkassen gebe.

Die Stadt

Die Stadtverwaltung hat vor einiger Zeit den Bedarf erfasst. Damals kam heraus, dass zwischen 8 und 12 Uhr bis zu 43 KTW nötig wären. Im Einsatz sind manchmal aber nicht einmal 20. Seither hat sich die Lage laut Ulrich Karle vom Krankenhausreferat leicht entspannt: „Der Druck hat etwas nachgelassen.“ Gleichwohl gebe es immer wieder Beschwerden. „Eine generelle Entwarnung können wir nicht geben, das Problem ist nicht gelöst.“ Man habe deshalb unter anderem versucht, auf die Kliniken einzuwirken, damit die Entlasszeiten sich entzerren. Karle sieht ebenso wie viele Anbieter das Problem, dass die mit den Krankenkassen verhandelten Tarife nicht immer auskömmlich sind. „Oft ist ein Krankentransport günstiger als ein Taxi“, sagt ein Experte.

Die privaten Anbieter

Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat im Zusammenhang mit dem Stuttgarter Fall die Konkurrenz der privaten Betreiber kritisiert: Die seien häufig zu unattraktiven Zeiten nicht unterwegs. Diverse Unternehmen weisen das scharf zurück. „Die Finanzierung durch die Kassen lässt tatsächlich zu wünschen übrig, aber selbstverständlich fahren wir auch an Feiertagen“, sagt Helmut Winkler vom Fellbacher Sani Team Winkler, das auch in Stuttgart Fahrten übernimmt. Er habe auch am fraglichen Tag seine Dienste angeboten, habe aber von der Leitstelle die Antwort erhalten, das sei nicht nötig. Viele Private fühlen sich gegenüber dem DRK benachteiligt und kritisieren auch die Politik: „Die Probleme sind nicht zu übersehen, man hätte längst gegensteuern können.“ Manche Pflegeheime bestellten inzwischen doppelt, um sicherzugehen, und riefen dafür sogar bei der Notrufnummer 112 an.

Tobias Strohbach, Geschäftsführer der KTS Krankentransport Stuttgart GmbH, kritisiert zudem, dass aufgrund der nach wie vor häufig fehlenden Rettungswagen immer wieder KTW zu Notfalleinsätzen abgezogen würden und dann für den Krankentransport fehlten. Sein Fazit: „Schon im normalen Tagesgeschäft funktioniert gar nichts mehr. Wir können nur froh sein, dass Stuttgart bisher vor einer Terrorlage verschont geblieben ist, denn das wäre der Super-Gau.“

Das Rote Kreuz

Das DRK übernimmt den Großteil der KTW-Fahrten im Land. Dort hat man nach dem Stuttgarter Fall, bei dem es sich um ein DRK-Fahrzeug gehandelt hat, nicht nur die Rolle der privaten Anbieter kritisch gesehen. Der Landesverband fordert vielmehr eine gesetzliche Begrenzung der Höchstwartezeit – ähnlich wie beim Rettungsdienst –, um gegenüber den Kassen mehr Druck machen zu können. „Wir müssen in eine Situation kommen, dass man ein Fahrzeug auch einmal für unabsehbare Einsätze ein paar Stunden stehen lassen und trotzdem finanzieren kann“, sagt Sprecher Udo Bangerter. Es gehe schlicht um die Qualität der Patientenversogrung: „Wir sind gesprächsbereit.“

Das Land

Dieses Angebot richtet sich vor allem ans zuständige Innenministerium. Dort reagiert man aber verhalten. Man setze sich „für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen des Krankentransports“ ein, sagt ein Sprecher. Dafür habe man auf Landesebene eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. „Unzumutbare Wartezeiten sind für alle Beteiligten eine Belastung und müssen verhindert werden“, heißt es im Ministerium. Eine Stunde solle „in der Regel“ nicht überschritten werden. Anbieter und Krankenkassen seien am Zug – sie müssten sicherstellen, dass die Entgelte auskömmlich seien und eine angemessene Vorhaltung auch nachts, feiertags und am Wochenende gewährleistet sei. Die Angesprochenen aber zeigen auf die Politik – das Thema dreht sich im Kreis.