Erste Annäherungen für Schwarz-Grün? Nein, hier begrüßen sich Guido Wolf und Winfried Kretschmann nur beim Narrensprung in Rottweil Foto: dpa

In fünf Wochen ist Landtagswahl. Wer danach mit wem in Baden-Württemberg regiert, ist offener denn je. Hinter den Kulissen wird heftig um Bündnisse spekuliert. Treueschwüre, die es bisher gab, scheinen plötzlich hinfällig.

Stuttgart - Eigentlich ist Fasnetszeit. Endlich mal keine ernsthafte Politik. Endlich mal schunkeln und blödeln dürfen, Pappnasen aufsetzen, sich schminken, was der Malkasten hergibt. Flüchtlingskrise hin oder her: Für Regierende und Oppositionsführer sind diese Tage ein Muss. Selbst wenn sie mit der fünften Jahreszeit nichts am Hut haben. Denn es ist Wahlkampfzeit, da darf man nicht die Spaßbremse sein.

Einer entflieht dem bunten Treiben trotzdem: Nils Schmid, Noch-Superminister für Finanzen und Wirtschaft einer grün-roten Landesregierung und Spitzenkandidat der SPD, macht sich am Sonntag auf zu einer Kurz-Dienstreise nach Schweden. Daheim dürfte er freilich weiter für Gesprächsstoff sorgen. Denn ein Brief an die FDP sagt vieles, vielleicht sogar alles über den aktuellen Gemütszustand der Sozialdemokraten. Man freue sich auf „den Diskurs“ mit den Liberalen, sowohl „vor als auch nach dem 13. März“, schrieb Schmid an den FDP-Spitzenkandidaten Hans-Ulrich Rülke.

SPD übt sich im Beschwichtigen

Was ist das? Hatten sich Grüne und SPD in den vergangenen Tagen nicht Treue geschworen? Hatten sie nicht wiederholt betont, man wolle die Koalition auch nach dem Wahltag fortsetzen? Wie ist das Schreiben dann zu verstehen? In der SPD übte man sich am Freitag jedenfalls im Beschwichtigen. Das sei doch nur die offizielle Antwort an die Liberalen auf deren Wahlprüfsteine. Man habe der FDP das SPD-Regierungsprogramm geschickt (wie es inzwischen auch die Grünen getan haben) und klar gemacht, dass man mit allen demokratischen Parteien gesprächsbereit sei. Ein Schelm, der das glaubt.

Fakt ist: Die Umfragewerte für Schmids Genossen sind nach wie vor im Keller – irgendwo zwischen 13 und 14 Prozent nach 23,1 Prozent bei der Landtagswahl 2011. Selbst wenn die Grünen – wie weiterhin prognostiziert – 28 oder 29 Prozent holen, würde es nicht zur Fortsetzung der jetzigen Koalition reichen. „Die SPD versucht sich zu retten und ihren Chef gleich mit“, kommentiert deshalb einer aus dem Regierungslager am Freitag das Schreiben. „Man will die Tür nicht zuschlagen und gerne mit an der Macht bleiben“, meint ein anderer. Da hilft es auch wenig, dass die Gefolgsleute des SPD-Landesvorsitzenden eilfertig beteuern, das Ziel der SPD bleibe es, „die CDU in der Opposition zu halten“.

Schwarz-Gelb oder Schwarz-Rot haben nach aktuellem Stand keine Regierungsmehrheit

Der Vorgang ist ein weiterer Baustein in der laufenden Diskussion über mögliche Bündnisse nach dem Wahltag. Fakt ist: Zur Renaissance von Schwarz-Gelb wird es nach jetzigem Stand nicht kommen, da die 33 oder 34 Prozent für die CDU selbst mit den weiter anwachsenden Werten von nunmehr sieben Prozent der FDP nicht reichen. Was dann? Selbst die seit Monaten gehandelte Große Koalition von CDU und SPD hätte derzeit keine Regierungsmehrheit.

Also doch Schwarz-Grün, wie Hessen es seit Jahren vormacht? „Da gibt es nach wie vor zu viele Gräben“, heißt es skeptisch aus beiden Lagern. Zur Erinnerung: 2006 wäre es fast zu dem Bündnis gekommen. CDU-Vormann Günther Oettinger und sein Konterpart Winfried Kretschmann trafen sich zu drei Sondierungsgesprächen. Dann aber machte der damalige CDU-Landtagsfraktionschef Stefan Mappus dem Projekt den Garaus. Zumindest CDU-Parteichef Thomas Strobl will sich derzeit alle Optionen offenhalten. Man warte den Wahltag ab und sei danach „mit allen demokratischen Parteien gesprächsbereit“. Natürlich sei klar, dass „die AfD da nicht dazugehören wird“.

Özdemir ruft Merkel-Anhänger dazu auf, Kretschmann zu wählen

Der Grünen-Bundeschef Cem Özdemir ruft derweil die Merkel-Anhänger in der CDU dazu auf, bei der Landtagswahl für die Grünen und damit für Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu stimmen. „Wer den Kurs von Merkel in der CDU, also die Öffnung hin zur Mitte, unterstützt, sollte das Kreuz nicht bei Wolf machen, sondern bei Kretschmann“, sagt Özdemir mit Blick auf den CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf.

Was also bleibt für die Zeit nach der bevorstehenden Landtagswahl? Eine Ampel aus Grünen, SPD und FDP? „Das wird nicht kommen“, lautet der Tenor aus allen Richtungen. FDP-Spitzenkandidat Hans-Ulrich Rülke sagt seit Wochen dazu: „Da mache ich nicht mit.“

Ampel-Koalition eher unwahrscheinlich

Offiziell soll zwar erst der Parteitag am 21. Februar in Pforzheim eine Koalitionsaussage treffen. Aber in Stuttgart wie in Berlin gilt es als sicher, dass man eine Ampel den FDP-Wählern – und vielen sie unterstützenden Unternehmern – nicht antun könnte. „Dann brauchen die Liberalen nächstes Jahr bei der Bundestagswahl gar nicht erst anzutreten“, meint einer. Soll heißen: Die Aufbauarbeit von FDP-Chef Christian Lindner wäre umsonst gewesen. Strobl formuliert das so: „Die Wähler haben einen Anspruch darauf, vor der Wahl zu erfahren, was sie nach der Wahl erwartet.“

Immer öfter wird deshalb eine ganz andere Konstellation gehandelt: Schwarz-Rot-Gelb. Oder wie es ein einflussreicher Verbandschef aus dem Südwesten nennt, eine „nationale Allianz“. Während man in der SPD eine solche Koalition zumindest offiziell als „Hirngespinst“ abtut und beteuert, „wir machen uns doch nicht zum Mehrheitsbeschaffer für Schwarz-Gelb“, gibt es manche Sozialdemokraten, die das durchaus als gangbare Lösung bezeichnen. „Das ist besser als nichts“, meint einer. FDP-Vormann Rülke jedenfalls zeigt sich überrascht von der Formulierung des Schmid-Schreibens. „Es ist erfreulich, dass die SPD bereit ist, mit uns zu verhandeln“, sagt der Liberale mit hörbarer Genugtuung in der Stimme. Der Satz von Schmid sei „im Grunde ein Angebot an uns“.

In der CDU grummelt es immer lauter

So sieht man das auch in der CDU. „Klarer kann man das kaum sagen“, meint einer aus der Parteiführung. Wer offen mit dem Gedanken spiele, sogar vor der Landtagswahl über Koalitionsoptionen mit einer bisherigen Oppositionspartei zu sprechen, der glaube wohl selbst nicht mehr an die Fortsetzung von Grün-Rot. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf kann das nur recht sein. In seiner Partei grummelt es immer lauter. „Uns fehlt ein klares Konzept, das ist alles zu brav“, sagt einer aus dem Landesvorstand. „Man hofft auf eine Rakete, die gezündet wird. Aber die ist nicht in Sicht“, ergänzt ein anderer. Böse Zungen sprechen schon vom Slogan: „Im Schlafwagen zur Macht“.

Und die Grünen? Sie halten sich auffällig zurück. Ihr Ministerpräsident Winfried Kretschmann genießt weiter hohe Popularitätswerte. „Der ruht in sich“, meint einer aus seinem Umfeld. Er sehe mit Sorge „die Talfahrt der SPD“, könne dies aber nicht ändern. Seine Fans spekulieren inzwischen sogar darauf, dass die Grünen die CDU noch überholen, stärkste Kraft im Landtag werden und damit weiter den Regierungschef stellen. „Das wäre der Super-GAU für uns“, meint ein führendes Mitglied.

Nur mit wem würde Kretschmann dann die Regierung bilden? Doch mit der CDU? Wie sagte der Ministerpräsident dieser Tage in einem Interview? „Ich bete jeden Tag für Angela Merkel.“ Es war als Lob gemeint für den Einsatz der Bundeskanzlerin bei den Krisenthemen Flüchtlinge und Europa. War es auch eine versteckte Sympathiebekundung für Grün-Schwarz? Kretschmann bestreitet das. Es bleibt spannend.