Gerlinde Kretschmann und Tülay Schmid beim Frühjahrskaffee in der Villa Reitzenstein Foto: dpa

Sie stehen nicht auf dem Stimmzettel, aber die Ehefrauen oder Partnerinnen sind für die Spitzenkandidaten von großer Bedeutung. Denn sie spielen mit – mal offen, mal im Hintergrund.

Stuttgart - Gerlinde Kretschmann erinnert sich noch gut, wie es war vor fünf Jahren. Frühjahr 2011. Ihr Mann war gerade Ministerpräsident von Baden-Württemberg geworden, wurde bundesweit als neuer Polit-Star gefeiert, und sie war quasi über Nacht zur First Lady des Landes geworden. „Was macht eigentlich die Frau des Ministerpräsidenten, was wird da erwartet?“, fragte sie seinerzeit in die Runde in der Villa Reitzenstein und schaute in etwas ratlose Gesichter der Regierungszentrale. „Keiner wusste Bescheid“, sagt die 68-Jährige rückblickend, „nur zwei Dinge wurden auf jeden Fall von mir erwartet: der Eröffnungstanz beim Landespresseball und der Adventskaffee“ für die Damen des Konsularischen Korps, die Partnerinnen der Regierungsmitglieder und andere geladene Gäste.

Nun ist Gerlinde Kretschmann keine, die mit dem eisernen Besen durch Jahrzehnte gewachsene Abläufe fährt, nur weil sie plötzlich die Rolle der Landesmutter trägt. Aber das Treffen bei Stollen, Plätzchen und Kerzenschein verlegte sie kurzerhand ins Frühjahr. „In der Vorweihnachtszeit sind doch ohnehin alle Leute im Stress, da haben die wenigsten für so einen Termin noch Zeit.“ Willkommen in der Wirklichkeit und schöne Grüße ans politische Protokoll.

Plaudern beim Frühjahrskaffee

Seither hat die Tradition einen neuen Termin. Diese Woche war es wieder so weit. Die Damenrunde traf sich im Neuen Schloss in Stuttgart. Bei Apfelkuchen, Schwarzwälder Kirschtorte und anderen süßen Köstlichkeiten wurde geplaudert. Viel über die Umwelt und den Naturschutz. Aber natürlich auch über die Landtagswahl. Ob Gerlinde Kretschmann auch nächstes Jahr die Gastgeberin sein wird? Die Antwort blieb an diesem Nachmittag offen. Und während mancher noch vor Monaten gewettet hätte, die Kretschmanns hätten nach dem Wahltag 13. März wieder mehr Zeit für ihre Wandertouren auf der Schwäbischen Alb oder für das Häckseln im eigenen Garten, scheint es nicht mehr unmöglich, dass die ehemalige Grundschullehrerin auch nächstes Jahr wieder die Einladungen für diesen Gesellschaftstermin unterschreibt.

Denn der Ausgang der Landtagswahl ist offener denn je, wie sich am Freitag erneut gezeigt hat. In einer neuen Forsa-Umfrage liegen CDU und Grüne derzeit bei 30 Prozent, die SPD bei 16, die AfD bei elf, die FDP bei sechs Prozent. Was vor Wochen noch undenkbar schien – nämlich eine Neuauflage der jetzigen grün-roten Landesregierung – scheint also wieder denkbar.

Gut möglich also, dass Barbara Wolf, die Frau von CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, diese Woche beim Frühjahrskaffee nur mal schnuppern durfte. Die 48-Jährige jedenfalls war wie die anderen Damen nach Stuttgart zum Kaffeeplausch eingeladen worden. Ein freundlicher Händedruck mit Frau Kretschmann, ein nettes Grüß Gott. Es war einer der wenigen öffentlichen Auftritte, die bisher von Wolfs Ehefrau dokumentiert sind. Im vergangenen Jahr begleitete sie sporadisch den CDU-Vormann zu den Regionalkonferenzen der Partei, neulich war sie an seiner Seite, als Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf in Weingarten auftrat. Ansonsten aber ist sie ganz Unternehmerin und betreibt in Ravensburg ein Geschäft, in dem es Blumen, Möbel und Wohnaccessoires gibt, samt Café nebenan zur Entspannung.

Wunderbare Erfahrungen an der Seite des Gatten

Das soll auch künftig so sein, selbst wenn ihr Mann der neue Ministerpräsident von Baden-Württemberg werden sollte. „Ich bin Geschäftsfrau und möchte das auch bleiben.“ Aber wie wäre das vereinbar mit der Rolle als First Lady, von der unausgesprochen erwartet wird, dass sie den Regierungschef bei wichtigen Terminen begleitet, auf Parteitagen schon mal fotogen für einen gelungenen Auftritt küsst oder mit ihm auf Auslandsreisen geht? Gerlinde Kretschmann sagt, sie mache das gerne und habe durch die Termine an der Seite ihres Mannes „wunderbare Erfahrungen gemacht“, nicht zuletzt auch durch ihr ehrenamtliches Engagement. Zum Beispiel für die Ballettschule von John Cranko, als Schirmherrin für das Mammografie-Screening des Landes oder für die Stiftung Kinderland Baden-Württemberg.

Barbara Wolf, die sich neben ihrem Unternehmen ehrenamtlich im Frauenhaus in Ravensburg engagiert, weiß um solche Erwartungen. 26 Jahre ist das Paar verheiratet, ihren Mann lernte sie einst in der katholischen Jugend kennen. Er leitete den Chor, in dem sie Sängerin war. Sie hat ihren Wohnsitz unweit von Ravensburg, er in Tuttlingen. Und jetzt die Politik? Die öffentliche Beobachtung? Er habe da keine Erwartungen an sie, sagt die Unternehmerin ohne Umschweife. Immer wieder habe der Guido die Arbeitsstelle gewechselt. Mal arbeitete er als Richter in Sigmaringen, später war er Referent in Stuttgart im Staatsministerium, dann Bürgermeister in Nürtingen, irgendwann wurde er Landrat in Tuttlingen, dann Landtagsabgeordneter, schließlich Landtagspräsident, nun also Spitzenkandidat, der das Land derzeit mit dem Dienstwagen sozusagen vermisst, um bekannt zu werden. „Ich bin immer hinterhergezogen“, sagt sie. Nun wolle sie an ihrer Existenz mit 14 Mitarbeitern in Ravensburg nicht rütteln lassen.

Allein, sie weiß nur zu gut, dass diese Haltung gerade in konservativen Kreisen des Landes durchaus Kopfschütteln auslösen könnte. Und so verspricht sie: „Ich werde sicher einen Weg finden, meinen Beruf weiter auszuüben und die Wünsche, die an mich gestellt werden, hoffentlich zu befriedigen.“ Ihr Mann jedenfalls verteidigt diese Haltung: „Ich stehe voll und ganz dazu.“

Partnerin an der Seite immer wichtiger

Ein öffentliches Bekenntnis nicht ohne Grund. Die Frau oder Partnerin an der Seite von Spitzenpolitikern hat aus Sicht von Parteistrategen in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen. Manche vermeiden das, wie Linke-Spitzenkandidat Bernd Riexinger, der das Privatleben mit seiner Lebensgefährtin für sich behält. Andere wie AfD-Spitzenkandidat Jörg Meuthen, dessen Frau Petra bei der Stadt Karlsruhe arbeitet, spielen auf dieser Klaviatur (noch) nicht mit.

Wieder andere, gerade auf der Bundesebene, aber auch im Bereich der Landespolitik setzen auf die Frau an ihrer Seite. Als Korrektiv für politische Positionen, als Garant für Bodenhaftung zum Bürger, als Fotomotiv für die Gazetten. Aber auch als offensive Wahlkampfhilfe. So wie im Fall von Tülay Schmid, der Ehefrau des stellvertretenden Ministerpräsidenten und SPD-Landesvorsitzenden Nils Schmid. Nicht nur, dass sie gemeinsam mit ihrem Mann auf Wahlplakaten zu sehen ist.

Sie greift auch selbst im Landtagswahlkampf ein. So wie vor wenigen Tagen in Mannheim, als sie sich in Person von Doris Schröder-Köpf prominente Unterstützung holte und man gemeinsam den Deutschen Kinderschutzbund besuchte. Eine „sehr kluge, sehr bodenständige Frau“ sei das, erzählt Schmid über Schröder-Köpf. Eine Politikerin, die sich viele Jahre nicht nur an der Seite von Ex-Kanzler Gerhard Schröder zeigte, sondern längst in der Politik selbst aktiv ist – in Niedersachsen als Landesbeauftragte für Migration und Teilhabe. „Sie zeichnet eine große Authentizität aus“, sagt Schmid.

Der Landtagswahlkampf ist eine intensive Zeit

Ein Leben für die Politik? Im Hause Schmid ist das so. „Wir sind da reingewachsen“, erzählt Tülay Schmid mit Blick auf die vergangenen Jahre, ein Landtagswahlkampf sei da „eine sehr intensive Zeit“. die quasi obendrauf kommt. Privatleben? Zeit zum Unterhalten? Momente der Ruhe? Sie sind nicht nur bei den Schmids derzeit selten. „Wir lassen ihn machen und glauben fest an den Erfolg“, sagt die Frau mit den türkischen Wurzeln. Jede andere Aussage würde bei der SPD auch heftiges Stirnrunzeln hervorrufen. Immerhin sind die Umfragewerte für die Partei schlecht genug. Politik geht also nur pur, nur mit Haut und Haaren? Die einen bejahen das vehement, andere warnen vor einem Leben im Elfenbeinturm. „Wenn ein Spitzenpolitiker nicht auch mal im Supermarkt einkaufen geht, um zu wissen, was das Leben wirklich kostet, läuft irgendwas falsch“, sagt einer aus der politischen Szene.

FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke nimmt für sich in Anspruch, dass er mit beiden Beinen im Leben steht. Spätestens am späten Abend wird er wieder geerdet, wenn er mit seiner Frau Karin Kropp über die drei Kinder und den Tag spricht. „Jeder erzählt dann seine Dinge, und das ist sehr wichtig“, betont die Frau des liberalen Vormanns aus Pforzheim. Nur so sei gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Rollen im Alltag zu erreichen. „Wenn es dann spät ist, ist es eben spät“, sagt Kropp. Wenig Schlaf, das sagen sie alle, ist besser als zu wenig Informationen über die heimatliche Basis. Erst recht in Wahlkampfzeiten.