Nicole Razavi (CDU) will ihr Mandat im Wahlkreis Geislingen zum zweiten Mal verteidigen. Foto:  

Die CDU wagt im Kreis Göppingen einen Frühstart in den Landtagswahlkampf, die Grünen setzen auf ihren Ministerpräsidenten, die SPD verweist auf die Leistungsbilanz ihrer Abgeordneten, und die AfD sieht die Göppinger als williges Stimmenvieh. Doch was ist mit der Frauenquote?

Göppingen/Geislingen - Wie viele Männer den Landkreis Göppingen im neuen Landtag vertreten werden, ist wegen des komplizierten Auszählverfahrens offen. Dass der bunten Fahrgemeinschaft in die Landeshauptstadt aber maximal eine Frau angehören wird, lässt sich zwei Monate vor dem Urnengang schon mit Sicherheit voraussagen. Nicole Razavi (CDU) ist die einzige Kandidatin, die sich in einem ansonsten männlichen Bewerberfeld um Stimmen bemüht. Dabei haben die Wähler im Wahlkreis Geislingen die Auswahl aus zehn Kandidaten. Im Wahlkreis Göppingen, zu dem Reichenbach aus dem Kreis Esslingen gehört, dürften es sogar zwölf sein – vorausgesetzt, der Kreiswahlausschuss akzeptiert bei seiner Sitzung am Dienstag alle eingereichten Wahlvorschläge.

Immer noch Ärger bei den CDU-Frauen?

Bisher vertraten drei Männer und zwei Frauen den Landkreis, wobei für die einigermaßen akzeptable Frauenquote allein die CDU verantwortlich zeichnete. Neben der 49-jährigen Nicole Razavi, die im Wahlkreis Geislingen ihr Direktmandat zum zweiten Mal verteidigen möchte, saß zuletzt auch Jutta Schiller im Landtag. Sie war vor zwei Jahren im Wahlkreis Göppingen für den damals ausgeschiedenen Dietrich Birk nachgerückt. Im vergangenen Jahr scheiterte sie aber bei der parteiinternen Nominierungsversammlung – sehr zum Ärger vieler Frauen in der Union.

Stattdessen zieht nun Simon Weißenfels in den Wahlkampf. Der 28-jährige Chef der Jungen Union im Kreis hat in den vergangenen zehn Monaten 250 Termine absolviert, um sich bekannt zu machen. Jetzt ließ er als Erster Plakate aufhängen. Er setze auf einen sachlichen Wahlkampf, sagt Weißenfels, der sich auf dem Wahlzettel nicht mehr als Student, sondern als „Assistent der Geschäftsleitung“ bezeichnen kann. Seit kurzem arbeitet er im Ingenieurbüro eines Parteifreunds. Zum offiziellen Wahlkampfauftakt empfängt er am 21. Januar den Unionsfraktionschef im Bundestag, Volker Kauder. Auch Razavi kann auf prominente Unterstützung zählen. Am 1. Februar kommt der Ex-Landesvater Erwin Teufel. „Grün-Rot hat überhaupt nichts hingekriegt“, sagt sie und hofft auf eine Rückkehr an die Macht.

Die Aleviten verlassen die Grünen wieder

Das will Alexander Maier verhindern. Der 24-jährige Radiojournalist und Chef des Vereins Kreis Göppingen nazifrei ist in einer ähnlichen Situation wie Weißenfels. Nach zwei nervenaufreibenden Nominierungsversammlungen setzte er sich erst im Losverfahren gegen den bisherigen Göppinger Grünen-Abgeordneten Jörg Fritz durch. Dies könnte Wunden hinterlassen haben. „Es gibt keine Spaltung“, sagt Maier. Allerdings gab es Austritte. So haben elf Mitglieder der alevitischen Gemeinde, die zur Unterstützung von Fritz eingetreten waren, die Grünen wieder verlassen.

Vor fünf Jahren erreichte Fritz das Mandat denkbar knapp: 56 Stimmen weniger, und der Grünen-Kandidat in Schwäbisch-Hall wäre zum Zug gekommen. Durch die starken Umfragewerte im Land stehen Maiers Chancen dennoch gut. Er setzt auf Winfried Kretschmann, der am 20. Februar auch in die Göppinger Stadthalle kommt. Und sogar der Geislinger Kandidat Eckart Klein ist wegen des Höhenflugs nicht chancenlos. Er wolle Selbstständigen bei den Grünen eine Stimme geben, sagt der 51-jährige Ingenieur und Vorsitzende des Ortsverband Helfensteiner Land.

SPD-Mann Hofelich ist vergleichsweise sicher

Offenbar sei die CDU nervös, schließt Peter Hofelich aus deren frühen Wahlkampfauftakt. Der 63-jährige Staatssekretär im Finanzministerium ist im Wahlkreis Göppingen plötzlich der einzige Kandidat mit Parlamentserfahrung. Er hoffe, mit seiner Bilanz beim Wähler punkten zu können. Die SPD habe in den Bereichen Wirtschaft, Finanzen und Bildung viel erreicht. Leider spiegle sich dies nicht in den Umfragewerten wider. Insgesamt stehe es „mit der Zufriedenheit mit denen, die Politik machen“, nicht zum Besten, glaubt Hofelich. Vor fünf Jahren erzielte er das zweitbeste SPD-Ergebnis im Regierungsbezirk Stuttgart, weshalb sein Sitz deutlich sicherer erscheint als der seines Geislinger Kollegen Sascha Binder. Der 33-jährige Jurist holte 2011 das neunte von 14 SPD-Mandaten in Nordwürttemberg. Auch er zieht eine positive Bilanz. „Wir haben mehr Sanierungsmittel für die Landesstraßen in den Kreis geholt, als in den fünf Jahren zuvor.“ Und zum Thema Innere Sicherheit: anders als zuvor die CDU, habe man bei der Polizei keine einzige Stelle abgebaut.

Die FDP hofft auf einen Neuanfang

Vor fünf Jahren blieb die FDP nach internen Querelen um ihren damaligen Kreischef Winfried Hüttl in beiden Wahlkreisen unter fünf Prozent. Jetzt versuchen zwei neue Gesichter ihr Glück. Für ihn als Gärtner liege der Wahltermin ideal, sagt der Albershäuser Gemeinde- und Kreisrat Martin Kaess (63). Ein wenig unglücklich ist für ihn, dass ausgerechnet seine Heimatgemeinde schon vor fünf Jahren dem Wahlkreis Geislingen zugeschlagen wurde. Dort kandidiert der 41-jährige FDP-Kreisgeschäftsführer Armin Koch. „Grün-Rot ist unternehmerfeindlich“, sagt der Transportunternehmer aus Donzdorf.

Ein alter Bekannter steht für die Linke im Wahlkreis Göppingen auf dem Wahlzettel. Der 56-jährige Theologe, Schulpsychologe und Stadtrat Christian Stähle will es noch einmal wissen. Im Wahlkreis Geislingen tritt der 23-jährige Chemiestudent René Niess an. „Der europäische Rechtsruck macht mir Sorge“, sagt Stähle.

Kandidat mit Praxis und Fliege

Heinrich Fiechtner dürfte darüber schmunzeln. Der 55-jährige Onkologe mit Praxis und Fliege sitzt seit 2014 für die AfD im Stuttgarter Gemeinderat und ist für seine polarisierenden Aussagen bekannt. Neulich soll er Frauen aus dem autonomen Spektrum, die eine Veranstaltung störten, öffentlich vor den Kölner Hauptbahnhof gewünscht haben, was er auf Anfrage aber bestreitet. Den Wahlkreis Göppingen habe er sich wegen der guten Chancen ausgesucht. Bei der Europawahl holte die AfD hier nach dem Rems-Murr-Kreis und Böblingen das drittbeste Ergebnis im Regierungsbezirk. Allerdings bezog sich dies auf den gesamten Landkreis, womit dem Geislinger Bewerber Willy Kotzbauer, ein Energieberater aus Schlat, die selben Chancen eingeräumt werden können. Er ließ schriftliche und mündliche Anfragen der StZ bisher aber unbeantwortet.

Auch die AfD-Abspaltung Alfa, die Republikaner, die NPD und die ÖDP haben in beiden Wahlkreisen Wahlvorschläge eingereicht. In Göppingen kommen noch die Piraten und „Die Partei“ hinzu. Die Gruppierungen, die bisher nicht im Landtag vertreten sind, werden aber nur dann auf dem Wahlzettel stehen, wenn sie jeweils 150 Unterstützungsunterschriften vorlegen können. „Das prüfen wir jetzt“, sagt Manfred Gottwald vom Landratsamt.