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Parteien rüsten für die letzten Tage - prominente Unterstützung kommt aus dem Bund.

Stuttgart - Der Termin der Landtagswahl rückt unaufhörlich näher, aber der Ausgang der Wahl bleibt weiter ungewiss. Nun blasen die Parteien zum Endspurt. Neue Themen sind nicht mehr in Sicht, es geht fast nur noch um Emotionen.

Der Rat kommt aus der Ferne von einem Mann, der sich als Wahlsieger fühlt. Am Montag trat Reiner Haseloff, Spitzenkandidat der CDU in Sachsen-Anhalt, vor Beginn der Parteipräsidiumssitzung in Berlin vor die Kameras und gab seinen Parteifreunden in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz folgenden Tipp mit für den Endspurt: "Die Bundes-CDU kann daraus lernen, dass sie sehr, sehr landesspezifische Themen formulieren muss." Mancher in der Südwest-CDU dürfte bei diesen Worten zweimal geschluckt haben. Zum einen, weil die Erkenntnis ziemlich alt ist, die politische Großwetterlage derzeit aber weniger regional, sondern international geprägt ist. Zum anderen, weil Haseloff gerade mal 32,6 Prozent geholt hatte und nun auf die Fortsetzung der Großen Koalition hoffen muss.

Aber genau das will hierzulande niemand. CDU und FDP auf der einen Seite sowie SPD und Grüne auf der anderen Seite tun derzeit alles dafür, um den Graben zwischen beiden Lagern immer tiefer zu schaufeln. Der Ton im Landtagswahlkampf ist rauer geworden, jede Pressemitteilung ist gespickt mit Attacken auf den politischen Gegner, jedes Umfrageergebnis wird als Rückendeckung, nicht als Rückschlag gewertet - und sei es noch so schlecht. Der Grund: Nach wie vor sind sich viele Baden-Württemberger nicht klar darüber, wen sie am 27. März wählen sollen. In der neuesten Umfrage von Emnid haben Grüne (25 Prozent) und SPD (22) einen Drei-Punkte-Vorsprung vor CDU (38) und FDP (6).

Grünen-Höhenflug

Kein Wunder, dass die Parteien nun die letzten Kräfte für die verbleibenden sechs Tage mobilisieren. "Wir haben nicht mehr große Sachthemen in der Hinterhand, jetzt geht es vor allem um Emotionen", heißt es. Was aber zieht? Meinungsforscher bestätigen: Der neue Höhenflug der Grünen, wie am Sonntag in Sachsen-Anhalt, geht vor allem auf die Ängste der Bürger durch die Atomkatastrophe in Japan zurück. Mit Spannung wird deshalb beobachtet, wie sich die Lage in Japan entwickelt. Sollte sich die Situation verschärfen, dürften die Grünen weiteren Zulauf bekommen, sollte sich die Lage beruhigen, könnte das Interesse an dem Thema nachlassen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist Libyen. Der überraschende Militärschlag des Westens und die Nicht-Einmischung Deutschlands gilt als politisch brisant. "Keiner weiß, was in den nächsten Tagen noch passieren wird", sagt ein Stratege. Auch die Parteien tun sich mit der Bewertung schwer. Siehe SPD. Erst begrüßte Parteichef Sigmar Gabriel die Enthaltung Deutschlands, inzwischen wird dies scharf kritisiert. Wofür steht die SPD also?

Auf Landesebene versuchen die Parteien diesen erdrückenden Themen fast schon verzweifelt andere Schwerpunkte entgegenzusetzen. Beispiel CDU. Am Montagnachmittag lud die CDU kurzfristig zu einem Pressetermin für Dienstag ein. Um 10 Uhr wird Bildungsministerin Marion Schick in Stuttgart ein großflächiges Plakat zum Thema Bildung enthüllen - also zu jenem Thema, von dem Experten noch vor Monaten erwarteten, es werde wahlentscheidend sein. Die Grünen wiederum setzen in der Endphase ganz aufs Internet und starten an diesem Donnerstag einen 72-stündigen Wahlkampfendspurt. Motto der Aktion: Drei Tage wach. "Wir stehen online rund um die Uhr Rede und Antwort", vermeldete die Parteizentrale am Montag.

Parallel dazu setzen alle fünf großen Parteien in der verbleibenden Zeit bis Sonntag auf den Promi-Faktor. Kaum ein Bundespolitiker, der nicht irgendwo im Land seine Visitenkarte abgibt. So wird Linken-Vorkämpfer Oskar Lafontaine heute Abend in Stuttgart erwartet, am Freitag tritt er noch einmal mit Parteichefin Gesine Lötzsch in Mannheim auf. Die Grünen mit Spitzenkandidat Winfried Kretschmann laden zum "Wahlkampfhöhepunkt mit Überraschungsgast" am Mittwoch nach Stuttgart, bis dahin und danach touren Bundestags-Fraktionschef Jürgen Trittin sowie die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir im Stundentakt durchs Land.

SPD holt sich Unterstützung

Die CDU wiederum bittet am Mittwoch zum "Start ins Finale" nach Ludwigsburg und bietet dort neben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Stefan Mappus ein halbes Dutzend prominente Unionsgrößen auf - von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bis hin zum saarländischen Regierungschef Peter Müller, obwohl dem das Etikett "Ministerpräsident auf Abruf" anheftet. Am Freitag zeigen sich Mappus und Merkel nochmals gemeinsam, dann in Mannheim. Auch die SPD holt sich Unterstützung. Heute präsentiert sich Spitzenkandidat Nils Schmid in Giengen mit Hamburgs Wahlsieger Olaf Scholz, am Mittwoch gibt's die große Kundgebung in Karlsruhe mit Parteichef Gabriel. Und die FDP? Sie betont zwar, dass Baden-Württemberg nichts mit Sachsen-Anhalt zu tun hat, wo die Liberalen am Sonntag aus dem Landtag gewählt wurden. Aber Parteichefin Birgit Homburger weiß: "Wir werden bei der Wahl um jede Stimme kämpfen müssen." Es gelte, so Homburger, "Baden-Württemberg nicht rot-rot-grünen Experimenten zu überlassen". Oder wie es Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke umschreibt, der vor Rot-Grün mit "kommunistischem Beiboot" warnt. Also werben Bundesaußenminister Guido Westerwelle und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel zusammen mit Spitzenkandidat Ulrich Goll um die Stimme für die Liberalen, so am Donnerstag in Stuttgart.

Ob all der Aufwand hilft, die Lager zu verschieben und die Unentschlossenen in ihrer Wahlentscheidung am 27. März zu beeinflussen? Die Meinungsforscher erwarten, dass die Wahlbeteiligung diesmal deutlich höher sein wird als bei der Landtagswahl 2006 (53,4 Prozent). Vielleicht gibt ja auch die sogenannte Elefantenrunde einen letzten Ausschlag. Am Donnerstag werden die Spitzenkandidaten aller fünf Parteien noch einmal aufeinandertreffen (20.15 Uhr, SWR).

An manchen Stellen im Land ist man ohnehin zuversichtlich, dass die CDU-FDP-Koalition trotz des Rückstands in den Umfragen das Blatt noch wenden kann. Am Montag lud die Flächenagentur Baden-Württemberg zu einem Pressetermin, bei dem am 1. April im Zuge der Ökokonto-Verordnung des Landes in Dotternhausen die ersten Ökopunkte vergeben werden. Hauptrednerin der Feier: Umwelt- und Verkehrsministerin Tanja Gönner.