Grund zur Freude: Grünen-Chefin Walker Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Die CDU ist nicht nur im Land auf einem historischen Tiefstand angelangt, sie verliert auch fast alle Direktmandate in der Region Stuttgart außerhalb der Landeshauptstadt. Damit ist eine weitere schwarze Bastion gefallen.

Stuttgart - Man kann es getrost als Sensation bezeichnen. Als Grün-Rot 2011 an die Macht kam und in Stuttgart bereits drei von vier Wahlkreisen eroberte, war für den konservativeren Teil der Bevölkerung wenigstens auf dem Land die Welt noch in Ordnung. „CDU gewinnt alle 13 Direktmandate“, titelte unsere Zeitung damals den entsprechenden Artikel. Fünf Jahre später sind die Kräfteverhältnisse im Ballungsraum nahezu umgekehrt. Die Grünen erobern auch in den Landkreisen Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg und Rems-Murr fast alle Plätze ganz oben auf dem Treppchen. Einzig der (noch) amtierende Landtagspräsident Wilfried Klenk im Wahlkreis Backnang und Nicole Razavi im Wahlkreis Geislingen haben ihren großen Vorsprung von 2011 noch über die Ziellinie gerettet.

Im Falle der CDU-Verkehrsexpertin Razavi allerdings ziemlich knapp. Die 49-Jährige, vor fünf Jahren noch Stimmenkönigin aller Abgeordneten aus der Region Stuttgart, erntete dieses Mal gerade noch 284 Stimmen mehr als Grünen-Konkurrent Eckhart Klein – macht 28,2 zu 27,8 Prozent.

Besser ging es Landtagspräsident Klenk in der schwarzen Hochburg Raum Backnang, wo auch Norbert Barthle regionaler Stimmenprimus der Bundestagswahl 2013 wurde. Er schaffte 27,7 Prozent, während Grünen-Kandidat Götz Poppitz bei 22,3 Prozent blieb. Bei mehr als 13 Prozent Stimmenverlust hat allerdings auch Klenk keinen Grund zum Jubeln.

Auch Kretschmann hat die Nase vorn

Den haben fast überall die Grünen: In Nürtingen etwa lief Ministerpräsident Winfried Kretschmann Thaddäus Kunzmann deutlich den Rang ab, dem auch die Wahlkampfhilfe von Bundeskanzlerin Angela Merkel vergangene Woche nicht half. In Böblingen reichte der Landesvorsitzenden Thekla Walker nach dem vorläufigen Ergebnis ein Vorsprung von 40 Stimmen, um Platzhirsch Paul Nemeth zu verdrängen. In Ludwigsburg schaffte es der Staatssekretär im Wissenschaftsministerium Jürgen Walter im sechsten Anlauf seit 1992, den Christdemokarten den Platz an der Sonne abzujagen. CDU-Mann Klaus Herrmann dagegen schaffte die vierte Wiederwahl nicht. Und auch SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel musste mit gerade einmal 13 Prozent der Stimmen lange um sein Zweitmandat bangen (lag bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor). Dasselbe galt bei der SPD für Sozialministerin Katrin Altpeter im Wahlkreis Backnang, den Staatssekretär im Finanz- und Wirtschaftsministerium Peter Hofelich in Göppingen und den früheren Landtagsvizepräsidenten Wolfgang Drexler im Wahlkreis Esslingen.

Überraschend hohe Ergebnisse konnte die AfD auch in der Region Stuttgart erzielen. Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen kam im Wahlkreis Backnang auf 19,7 Prozent, der umstrittene Stuttgarter Stadtrat Dr. Heinrich Fiechtner in Göppingen und Umgebung auf 17,4 Prozent. Auch bei der AfD stieg im Laufe des Abends die Spannung, wer über ein Ausgleichsmandat ins Plenum einziehen kann.