In Baden-Württemberg ist ein Ende der Sargpflicht in Sicht. Foto: dpa

An dem überparteileichen Coup der Landtagsfraktionen ist lange gebastelt worden: Das Land will die Sargpflicht aufheben. Das kommt vor allem Muslimen zugute. Der Casus knacksus war am Schluss nur noch ein Satz in der Begründung zu Paragraf 39 des Bestattungsgesetzes.

An dem überparteileichen Coup der Landtagsfraktionen ist lange gebastelt worden: Das Land will die Sargpflicht aufheben. Das kommt vor allem Muslimen zugute. Der Casus knacksus war am Schluss nur noch ein Satz in der Begründung zu Paragraf 39 des Bestattungsgesetzes.

Stuttgart - Die Fraktionen im Stuttgarter Landtag haben sich auf ein Ende der Sargpflicht in Baden-Württemberg geeinigt. Letzte Bedenken bei der CDU seien am Mittwoch ausgeräumt worden, sagten eine Sprecherin der CDU-Fraktion sowie der federführende SPD-Experte Thomas Reusch-Frey der Nachrichtenagentur dpa. Damit steht der Änderung des Bestattungsgesetzes nichts mehr im Weg. Grüne und FDP hatten zuvor ihre Zustimmung signalisiert.

Die Novelle soll es vor allem den bis zu 650 000 Muslimen im Land ermöglichen, die Verstorbenen ihrem Glauben gemäß im Leinentuch zu bestatten. Bislang lassen sich viele von ihnen nach dem Tod in ihre Heimat bringen, wo sie diese Möglichkeit haben.

Bei dem Thema wollten die Fraktionen von Grünen, SPD, CDU und FDP das angesichts des üblichen Zoffs im Landtag scheinbar Unmögliche möglich machen: Einigkeit schaffen. Die herrscht im Grunde schon seit Monaten - darüber, dass die Sargpflicht in Baden-Württemberg passé sein soll. Doch seit Monaten gab es auch Diskussionen.

Knackpunkt war für die CDU bis zuletzt ein Satz in der Begründung zur Novelle: „Allerdings wird bei einer Erdbestattung ohne Sarg kein Religionsnachweis gefordert.“ Dieser sei nun umformuliert, sagte Reusch-Frey. Nun heiße es: „Für eine Erdbestattung aus religiösen Gründen in Tüchern ohne Sarg ist alleine der ausdrücklich verfügte Wille des/der Verstorbenen oder der durch die Bestattungspflichtigen geäußerte mutmaßliche Wille Verstorbener, ohne Sarg bestattet zu werden, entscheidend.“ Das sensible Thema habe dieses Feilen an Worten nötig gemacht, sagte Reusch-Frey. „Das hat sich aber gelohnt.“ Seinen Angaben nach ist es das erste vom Landtag eingebrachte Gesetz. In der Regel werden Gesetzte von der Regierung auf den Weg gebracht.

Der Sozialexperte der CDU-Fraktion, Wilfried Klenk, hatte zuvor erklärt, seine Partei lege Wert auf einen Bezug zur Religion. „Wir wollen nicht, dass das ausufert.“ Sein Vorschlag, den beanstandeten Passus einfach zu streichen, hatte unter anderem der sozialpolitische Sprecher der FDP, Jochen Haußmann, kritisch gesehen: „Wenn man das streng auslegt, könnte es schwer werden.“ Denn es hätte dazu führen können, dass ein Religionsnachweis gefordert würde. „Die Ausführung darf aber keine überbordende Bürokratie mitbringen“, mahnte Haußmann.

Denn anders als bei Christen, die als Kirchenmitglieder in Deutschland beispielsweise Steuern zahlen und somit samt Konfession amtlich erfasst sind, gibt es bei Muslimen keine solche Möglichkeit, die Religionszugehörigkeit nachzuvollziehen. Klenk sagte: „Wenn sich in Folge der Gesetzesänderung Probleme rausstellen sollten, kann man das immer noch über eine Verordnung ändern.“

Über das Zögern der CDU trotz der angekündigten Einigkeit sagte der Grünen-Abgeordnete Manfred Lucha: „Wir können diese Bedenkenträgerei nur als Ausdruck des Widerwillens der CDU gegen die Bestattung im Leintuch werten.“ Ein Argument der Christdemokraten sei auch gewesen, dass man ohne Religionsnachweis Tür und Tor für massenweise Sozialbestattungen im Tuch öffne oder dass Angehörige, die sparen wollen, Verstorbene im Tuch bestatten lassen würden.

Da das Grab aber bei einer Tuchbestattung umfangreicher gesichert werden muss, weil jemand in die Grube steigt, und weil für den Transport dennoch ein Sarg vonnöten ist, spielt der Kostenfaktor laut Sozialministerium keine Rolle. Davon sei inzwischen auch die CDU überzeugt, hatte Klenk bereits eingeräumt.

Nun wird der überparteiliche Coup auf den Weg gebracht. Das Sozialministerium soll den Entwurf in die Anhörung unter anderem bei Kommunalverbänden, Muslimen und Kirchen geben. Reusch-Frey rechnet damit, dass sich das Parlament erst im April damit befassen werde.