Der Nikabschleier und die Burka sind den Parlamentariern ein Dorn im Auge. Foto: dpa

Die Landtagsabgeordneten wollen keine Vollverschleierung muslimischer Frauen im Südwesten. Dem entsprechenden Antrag der AfD folgen sie dennoch nicht. Die CDU setzt auf eine bundesweite Regelung.

Stuttgart - Mit Zopf und Dirndl hat Christina Baum von der AfD versucht, im Landtag ein Zeichen zu setzen. Sie präsentierte den Gesetzentwurf der AfD für ein generelles Verschleierungsverbot in betont bodenständigem Outfit. Nach eigenem Bekunden wollte sie so im Parlament ein optisches Bekenntnis zu Tradition und Heimatliebe abgeben. „Kleider machen Leute“, tat die Zahnärztin kund und sprach in der Folge viel von „Stolz auf die Errungenschaften unseres Volkes“, von Freiheit und Gleichberechtigung der Geschlechter.

Baum führte die Würde des Menschen an, nannte die Burka ein politisches Zeichen und sah die Religionsfreiheit von einem Verbot nicht berührt. Ein Burkaverbot in Behörden, etwa vor Gericht oder in Schulen und Hochschulen, wie es beispielsweise der CDU-Justizminister Guido Wolf angeregt hat, reicht der AfD nicht aus. Vor allem im öffentlichen Raum, gerade auf der Straße, manifestiere sich durch das Tragen der Burka die Abgrenzung von der freiheitlichen Gesellschaft, trug Baum vor.

CDU hofft auf den Bund

Der Landtag tat sich schwer mit dem Gesetzentwurf. Der AfD folgten die anderen Fraktion nicht. Letztlich stieß man sich an Form und Ton. Die CDU hatte im Wahlkampf ihrerseits ein Burkaverbot gefordert, sie konnte sich aber in den Koalitionsverhandlungen nicht durchsetzen. Jetzt blieb Bernhard Lasotta, dem integrationspolitischen Sprecher der CDU, nur der Verweis auf den Bund. Er plädierte für eine bundeseinheitliche Regelung mithilfe eines Integrationsgesetzes. Auch Sascha Binder (SPD) gestand zu, die Debatte über die Verschleierung werde im ganzen Land geführt. Wie Lasotta befand Binder, der Gesetzentwurf der AfD werde der Debatte nicht gerecht. Lasotta warf Baum einen „aggressiven, hasserfüllten Tonfall“ vor. Binder nannte den Gesetzentwurf „in der Praxis nicht umsetzbar und völlig ungenügend“. Er regle nichts, er fordere nur und entspreche der Debatte im Land „nicht im Ansatz“.

FDP plant eigenen Entwurf

Die FDP kündigte einen eigenen Gesetzentwurf an. Nico Weinmann nannte Burka und Nikab „katastrophale Kleidungsstücke“, die „ein inakzeptables Geschlechterbild“ transportierten. Die FDP will ein Verbot in Behörden, Schulen und Hochschulen erreichen und stellte einen Antrag „ohne Populismus“ in Aussicht.

Die Landtagsgrünen warfen der AfD vor, „sie agitiert gegen Minderheiten und setzt den gesellschaftlichen Frieden aufs Spiel“. Der Grüne Alexander Maier stieß aber mit dem Versuch, den Antrag ins Lächerliche zu ziehen, auf wenig Resonanz. CDU, SPD und FDP bekannten sich dazu, das Thema ernsthaft zu diskutieren. Dahinter verberge sich schließlich die Sorge, ob Integration gelinge, wie Weinmann sagte.

Betont besonnen ging Manfred Lucha, der grüne Sozial- und Integrationsminister, das heiße Eisen an. Er setzte für die Landesregierung ein Ausrufezeichen: „Wir lehnen die Vollverschleierung aus gesellschafts- und integrationspolitischen Gründen ab.“ Sie laufe dem Verständnis der Regierung von Menschenwürde und der Stellung der Frau zuwider. Lucha sprach sich für eine „Ergänzung der Regeln“ aus. Baden-Württemberg unterstütze eine Bundesratsinitiative, ein weitergehendes Verbot zu prüfen.

Kein Zusammenhang mit Sicherheit

Das Sozialministerium schätzt die Zahl der Burkaträgerinnen im Südwesten auf zwischen 50 und 60, die Hälfte davon sind laut Lucha deutsche Staatsbürgerinnen, die zum Islam konvertierten. Mit innerer Sicherheit hat die Burka nach Einschätzung Luchas „so gut wie nichts zu tun“. Er räumte jedoch ein, „die Burka ist eine Herausforderung und eine Provokation für die freiheitliche Gesellschaft“. Er ergänzte jedoch: „Das müssen und können und werden wir aushalten.“ Der Minister verwies auf die Neutralitätspflicht des Staates und riet: „Wir sollten die freiheitliche Grundordnung nicht wegen der Burka beschneiden.“

Ein Totalverbot könnte die betroffenen Frauen in die Isolation treiben, argumentierte Lucha. Den AfD-Gesetzentwurf betrachtet er als „Pauschalvorwurf und Gruppen-Denunzierung“. Die Landesregierung setze dagegen auf die Weiterentwicklung der Integrationspolitik, deren oberstes Ziel es sei, „alle mitzunehmen und den Zusammenhalt zu stärken“.