Der Landschaftsarchitekt Frank Roser kann die Schönheit einer Landschaft messen - wir haben in unserer Bildergalerie einen kleinen Überblick Foto: Leif Piechowski

Es gibt schöne und weniger schöne Gegenden im Land. Reine Geschmackssache? Der Stuttgarter Wissenschaftler Frank Roser hat eine Methode entwickelt, wie man landschaftliche Schönheit messen und darstellen kann.

Stuttgart - Flache, endlose Äcker, von Gewerbebauten zerfaserte Ortsränder, Gelände, von fetten Straßen durchschnitten – so sehen Landschaften aus, die landläufig als nicht schön, bisweilen sogar als hässlich empfunden werden. Die Filder sind ein solcher Landstrich.

Um das zu erklären, hat sich Frank Roser mitten in die Filderkrautfelder gestellt und zeigt auf Bemerkenswertes: Schilderbrücken über der Autobahn, Feldergeometrie, Logistikzentren. Der Landschaftsarchitekt forscht an der Universität Stuttgart am Institut für Landschaftsplanung und Ökologie. Er ist in Neuhausen auf den Fildern geboren und wohnt heute noch in der strukturstarken Randlage von Stuttgart. Er hat sich gefragt, ob die Ästhetik einer Landschaft nur individuell verschieden bewertet wird oder ob es allgemeingültige Merkmale gibt, die von einer breiten Mehrheit geteilt werden. Über diese Frage promovierte er und kam zu einer eindeutigen Antwort: Der überwiegende Teil der Betrachter ist sich über die Schönheit einer Landschaft durchaus einig.

„Wenn man bestimmte Dinge ausblendet, zum Beispiel Autobahnschilder oder das Logistikzentrum, sieht es hier eigentlich schön aus“, sagt Frank Roser, an dem der Wind zerrt, während er eine ausholende Geste über die Blaukrautköpfe macht. Für seine Studie durften seine Probanden aber weder das Hässliche ausblenden noch das Idyllische ins Zentrum rücken. Wie durch ein Weitwinkelobjektiv bezieht der Betrachter unwillkürlich alles mit ein, was er sieht. So rauben Autobahnschilder, Funkmasten und Blechlawinen den Fildern Schönheitspunkte.

Wenige Kilometer weiter östlich bietet sich ein völlig anderes Bild. Auf einer Anhöhe bei Dettingen, dem Käppele, breiten sich in Richtung Norden Streuobstwiesen und Felder aus, das Gelände ist leicht gewellt, im Hintergrund ist der Rücken des Schurwalds zu sehen. Im Osten und Süden erstreckt sich der Albtrauf mit Waldrändern, Wiesensäumen, Feldern und einer Topografie, die deutlich Relief zeigt. Die Gemeinden Owen und Lenningen kuscheln sich in Täler, keine Autobahn, keine Hochspannungsleitungen, keine Industriebauten stören. „Diese Gegend wurde als sehr schön bewertet“, sagt Roser, so wie das Neidlinger Tal. Landesweit betrachtet habe man es an beiden Stellen mit einer „herausragenden Landschaft“ zu tun.

Mehr als 500 Landschaftsfotos hat Roser insgesamt 700 „aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachtern“ vorgelegt. Das sind Leute, die weder stubenhockende Nerds sind noch verbissene Gegner jedweder Bewirtschaftung. Bürgermeister, Parlamentarier, Normalbürger und Planer waren dabei, unterschiedlichen Alters und Geschlechts. Jedes Bild haben mindestens 60 Leute angesehen und bewertet. „In der Summe bin ich 3500 Kilometer durch Baden-Württemberg gereist für die Bilder und Befragungen“, erinnert sich Frank Roser an die umfangreiche Kärrnerarbeit.

„Die Betrachter waren sich weitgehend einig“, sagt er. Waldflächen, hügeliges Gelände, Gewässer, Streuobstvorkommen und Sondernutzungen wie zum Beispiel der Weinbau hatten positive, Straßen, Freileitungen, Industrie und Gewerbe negative Einflüsse. Anhand von digitalen und geografischen Landkarten verglich er Bewertungen und Gegebenheiten.

Zuletzt entwickelte der Landschaftsarchitekt ein Rechenmodell, das jedem Punkt auf der Landkarte einen Wert für Schönheit zuordnete. Die Punkte bekamen unterschiedliche Farben: Tiefblau sind Gegenden, die einen besonderen Charme haben und von seltener Schönheit sind, rot jene Gebiete, die ästhetisch wenig oder gar nichts zu bieten haben. Daraus ergab sich eine Landkarte, die dem Bild aus einer Wärmebildkamera gleicht. Auf den Fildern dominieren Orange und Rot, am Albtrauf die Farbe Blau. Und die Stadt Stuttgart selbst? „Auf urbane Gebiete lässt sich das Modell nicht übertragen“, sagt Roser, „weil dort andere Kriterien zum Tragen kommen.“

Unterstützt wurde Rosers Projekt von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz in Abstimmung mit dem Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. „Mehrere Regionalverbände hatten den Wunsch an uns herangetragen“, sagt Wolfgang Baur, Abteilungsleiter für Naturschutz und Tourismus beim Ministerium. Die Karte soll Behörden helfen, die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Landschaft zu schützen, das Ministerium hat die Karte aber noch nicht freigegeben. Auch das Jagsttal kommt darauf blau rüber. Keine Frage, dass der Vater der Schönheitenkarte das Tal „mit dem Rad und der Familie“ bereist hat. Sein Eindruck: Die Bewertung hat dem Praxistest standgehalten.