Kokain – wie auf dem Foto – wollte der Angeklagte kaufen. Er bekam Toilettenpapier. Foto: dpa

Ein 38-Jähriger muss nach einer blutigen Attacke hinter Gitter. Er hatte sich dafür gerächt, dass ihm ein Mann Klopapier statt Kokain verkauft hatte.

Stuttgart - Verteidigerin Rebecca Rödl hat auf Notwehr plädiert und einen Freispruch beantragt. „Auch der Einsatz eines Messers kann Notwehr sein“, so Rödl vor der Strafkammer 9a des Landgerichts Stuttgart. Doch der Antrag der Verteidigerin hat keine Chance. Die Kammer verurteilt den 38-jährigen Drogenkonsumenten wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sieben Monaten Gefängnis. Darin ist eine weitere Verurteilung des Amtsgerichts Ludwigsburg beinhaltet. Der Staatsanwalt hatte vier Jahre gefordert.

Der Angeklagte hatte am Abend des 10. Februar dieses Jahres am Stuttgarter Hauptbahnhof von einem Dealer Kokain für 75 Euro gekauft. Der Stoff befand sich in einer Plombe, die in einer Zigarettenschachtel versteckt war.

Wieder zurück in Ludwigsburg machte der 38-Jährige große Augen, als er die Plombe öffnete. Darin fand er zerknülltes Toilettenpapier – von Kokain keine Spur. Wütend über den betrügerischen Drogendeal fuhr der Mann zurück nach Stuttgart. In der Klett-Passage, so sagt er, habe er den Mann gesehen, der ihm Toilettenpapier für 75 Euro verkauft haben soll. Es kam zum Streit, in dessen Verlauf der mutmaßliche Drogenbetrüger dem Angeklagten einen Kopfstoß versetzt haben soll.

Der Angeklagte soll zuerst geschlagen worden sein

„Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass meinem Mandanten drei Männer gegenübergestanden haben und dass er zuerst geschlagen wurde“, sagt die Verteidigerin. Er habe sich verteidigt – in Notwehr.

Der etliche Male vorbestrafte Angeklagte hat gesagt, sein 29-jähriges Gegenüber habe an der Hose herumgenestelt. Weil er, der Angeklagte, angenommen habe, sein Widersacher ziehe eine Waffe, habe er seinerseits sein Taschenmesser eingesetzt. Der 29-Jährige war erst am Arm, dann am Hals verletzt worden. Der Angeklagte hatte dem 29-Jährigen das Messer über die linke Halsseite gezogen. Die Folge war ein tiefer, klaffender Schnitt, der die Halsschlagader nur um Millimeter verfehlt hatte.

Das Opfer konnte damals schnell versorgt werden, der Angeklagte wurde nach kurzer Zeit festgenommen. In den Zeugenstand wurde das Tatopfer in Handschließen geführt. Der 29-Jährige befindet sich derzeit ebenfalls in Haft. Vor Gericht hat er gesagt, er sei Opfer einer Verwechslung geworden. Er habe dem Italiener keine Drogen verkauft. Ob man ihm das glaubt, ist irrelevant, da er für den betrügerischen Klopapier-Kokain-Deal bereits rechtskräftig verurteilt worden ist.

Faxen auf der Anklagebank

Der 38-jährige drogenkranke Italiener, der schon mehrmals abgeschoben worden ist, hat auf der Anklagebank eine seltsame Figur abgegeben. Immer wieder machte er Faxen – ganz so, als nehme er den Prozess nicht ernst. „Das war keine Respektlosigkeit. Sein Verhalten ist Ausdruck einer Erkrankung“, sagt seine Verteidigerin Rödl. Ihr Mandant leide an einer schizoaffektiven Störung.

Der Mann, der 1984 nach Deutschland gekommen und ziemlich schnell in einem Heim für schwererziehbare Kinder gelandet war, blickt auf eine lange Drogenkarriere zurück. Vor seiner Festnahme in diesem Fall war er nur drei Monate auf freiem Fuß gewesen.