Beim Immobilienverkauf kassiert der Staat nicht immer mit Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Wer ein Haus kauft, muss Grunderwerbsteuer zahlen. Das gilt allerdings nicht für alle – Immobiliengesellschaften können sie umgehen. Das Land will Missbrauch künftig verhindern.

Stuttgart - Soll die Grunderwerbsteuer erhöht werden? Wochenlang beschäftigte die Frage die Grünen und die CDU im Landtag, die derzeit vor der schwierigen Aufgabe stehen, den Landeshaushalt zu sanieren. Vor allem in den Reihen der CDU sprachen sich viele dagegen aus, weil das den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung weiter verteuern würde. Inzwischen ist zumindest so viel klar: 2017 wird Grün-Schwarz die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben soll durch Einsparungen geschlossen werden.

Das Thema Grunderwerbsteuer hat sich für die Regierungskoalition damit allerdings noch nicht erledigt. Inzwischen ist nämlich einigen aufgegangen, dass bei der Grunderwerbsteuer noch einiges zu holen wäre. Denn derzeit zahlen gar nicht alle, die Wohnungen oder Häuser kaufen, diese Steuer, die derzeit in Baden-Württemberg 5 Prozent des Kaufpreises beträgt. Bei großen Immobilienverkäufen nutzen Immobilienkonzerne, Fonds und Versicherungen offenbar immer öfter eine Gesetzeslücke. Sie greifen zu so genannten Share Deals: Dabei kaufen Investoren nicht die Immobilie selbst, sondern Anteile an einer Objektgesellschaft, die weiter Eigentümer der Immobilie bleibt. Wenn die Käufer weniger als 95 Prozent der Anteile erwerben, müssen sie keine Steuern bezahlen.

Finanzminister prüfen

Auf entsprechende Medienberichte im Sommer hat nun auch die Politik reagiert. Die Finanzministerkonferenz hat Anfang September eine Expertenkommission damit beauftragt, bis November Vorschläge zu machen, wie dieses Problem gelöst werden könnte. Im Dezember wollen sich dann die Finanzminister damit beschäftigen.

Das ist ganz im Sinne von Finanzministerin Edith Sitzmann. „Wir prüfen, wie wir verhindern können, dass durch so genannte Share Deals dem Staat mögliche Einnahmen entgehen. Für mich bedeutet Steuergerechtigkeit, dass der bestehende gesetzliche Rahmen genutzt, jedoch nicht durch vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Gestaltungen missbraucht wird“, sagte sie. Ob eine Änderung nötig und möglich sei, sei derzeit allerdings unklar. „Die Materie ist sehr komplex, und das Instrument ist vom Grundsatz her auch sachgerecht.“

Optimistischer formulierte es ihr hessischer Kollege Thomas Schäfer, der die Initiative auf den Weg gebracht hat: „Eine konsequente Besteuerung aller Grundstücksübertragungen wäre nicht nur gerecht, sie würde natürlich auch viel mehr Geld einbringen. Geld, das wir nicht behalten wollen, sondern dafür nutzen könnten, die Grunderwerbsteuer insgesamt zu senken. Kriegen wir die Steuertrickser, zahlt sich das für alle ehrlichen Steuerzahler aus“, so der CDU-Politiker.

Ländern entgeht schätzungsweise eine Milliarde pro Jahr

Wie viel Geld den Ländern entgeht, lässt sich nicht genau beziffern. Schätzungen gehen von einer Milliarde Euro pro Jahr sein könnte, Tendenz steigend. Seit 2006 können Länder die Grunderwerbsteuer selbst festlegen – die meisten haben sie seitdem angehoben. Seitdem steigt auch die Zahl der Share Deals.

Die grün-rote Landesregierung hat den Satz 2011 von 3,5 auf 5 Prozent erhöht. Das bescherte ihr 2015 Mehreinnahmen von rund 478 Millionen Euro. Der Verzicht auf eine weitere Anhebung bedeutet Kürzungen in anderen Bereichen. Am Mittwoch traf sich die Haushaltsstrukturkommission, um über die Einsparvorschläge der Ministerien zu beraten, die im kommenden Jahr 370 Millionen Euro weniger erhalten sollen. Dem Vernehmen nach haben vier Ministerien ihre Hausaufgaben noch nicht zufriedenstellend erledigt – das Sozial- und das Wissenschaftsministerium (Grüne) sowie das Kultusministerium und das Ministerium für Ländlichen Raum. In der nächsten Woche wollen die Fraktionen über die Eckpunkte diskutieren.