Güterzug bei Bad Krotzingen im Rheintal Foto: dpa

Die Rheintalbahn ist in Baden-Württemberg die zentrale Güterverkehrsachse. Doch die Kosten für einen menschen- und umweltgerechten Ausbau laufen ins Uferlose. An diesem Mittwoch befasst sich der Landtag mit dem Thema – und alle Parteien ziehen an einem Strang.

Stuttgart - Die Rheintalbahn ist eine der am meisten befahrenen Bahnstrecken Deutschlands, auch wegen des länderüberschreitenden Verkehrs in die Schweiz und nach Frankreich. Eine Untersuchung der Hochschule Kehl beziffert die Zahl der Züge auf bis zu 286 täglich.

Die Neubaustrecke ist Teil der Nord-Süd-Magistrale Rotterdam-Genua und verbindet damit Nordsee und Mittelmeer. Durch den Ausbau auf durchgängig vier Gleise sollen der Personen- und Güterverkehr entmischt werden. Am Mittwoch geht es im Landtag jetzt um den Abschnitt von Offenburg bis Basel, der nach neuesten Berechnungen 6,2 Milliarden Euro kostet.

Gut ein Drittel davon ist bereits verbaut. In trockenen Tüchern ist nördlich von Offenburg der viergleisige Ausbau (bis auf den Rastatter Tunnel), für den Badischen Bahnhof in Basel ist die Finanzierung gesichert. Drei von zwölf Abschnitten sind planfestgestellt. Für die gesamte Strecke gab und gibt es aber sechs Kernforderungen. Genehmigt sind davon bisher drei: Die Optimierung der Güterzugumfahrung Freiburg, die so genannte Bürgertrasse im Markgräflerland und die Teiltieferlegung beim Stadtteil Haltingen von Weil am Rhein.

Bei Offenburg wird eine Tunnellösung gefordert

Für drei weitere Bereiche werden ebenfalls Kernforderungen aus Politik und Bürgerschaft erhoben, die aber noch nicht abgesegnet sind: So wird bei Offenburg eine Tunnellösung gefordert, zwischen Offenburg und Riegel eine Trasse parallel zur Autobahn und bei Müllheim/Auggen die so genannte „Beste Lösung“ in Tieflage.

Alle Kernforderungen bedeuten erhebliche Erleichterungen für die Bürger gegenüber der Antragstrasse der Bahn. Doch es ist strittig, ob jemand oder – wenn ja – wer die Zusatzkosten tragen muss. Auf Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Matthias Gastel (Wahlkreis Nürtingen/Filder) räumte die Bundesregierung jüngst ein, eine Fertigstellung der Trasse bis 2030 sei nur unter Verzicht auf die Kernforderungen machbar. Dabei sind in den Gesamtkosten von inzwischen 6,2 Milliarden die drei bereits bewilligten Kernforderungen schon enthalten.

Nicht aber die drei noch ausstehenden. Am 26. Juni tagt dazu in Stuttgart der Projektbeirat, eine Art Konsensgremium zwischen Bund und Land. Aus Berlin reist dazu Michael Odenwald (CDU) an, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Aus dem Land nimmt Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) daran teil, der sich an diesem Mittwoch im Landtag eine Art Budget oder Verfügungsrahmen sichern muss, um einen Teil der drei noch offenen Kernforderungen leisten zu können.

Gute Karten haben dabei vermutlich die Anwohner in Offenburg: Der dort geforderte Tunnel ist inzwischen fast schon Konsens, nachdem auch die Bundesregierung festgestellt hat, dass die Antragstrasse der Bahn den Bürgern nicht zuzumuten ist. Bereits vor Monaten hat auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gesagt, der Tunnel werde gebaut. Das würde für den Bund Zusatzkosten von rund einer Milliarde Euro bedeuten.

Güterbahntrasse zwischen Offenburg und Riegel entlang der Autobahn?

Auch die zweite noch offene Kernforderung, die Güterbahntrasse zwischen Offenburg und Riegel entlang der Autobahn zu führen, hat offenbar gute Chancen, umgesetzt zu werden. Dort gibt es zwei Kreistagsbeschlüsse und die Forderung einer Bürgerinitiative, die Güterbahntrasse an die Autobahn zu verlegen. Allerdings gibt es auch Gemeinden wie Kappel-Grafenhausen, die an der Autobahn liegen und von der Planänderung wenig begeistert sind. Sollte sich die autobahnnahe Trasse durchsetzen, würde das Zusatzkosten von rund 300 Millionen Euro für das Land bedeuten.

Dies wäre eine reine Freiwilligkeitsleistung des Landes, um mehr Lärmschutz an der Strecke zu erreichen. Die Antragstrasse der DB Netz ist zwar die kostengünstigste, berücksichtigt aber nicht die teils extreme Belastung der Anwohner durch die lauten Güterzüge. Für das Land sind das nicht die einzigen Zusatzkosten an de Strecke: Baden-Württemberg hat dem Bund bereits zugesagt, sich an den Mehrkosten von 250 Millionen Euro für die Trasse bei Freiburg hälftig zu beteiligen.

Die geringsten Chancen auf Realisierung hat die so genannte „Beste Lösung“ bei Müllheim/Auggen. Diese „Kernforderung 6 neu“ kam tatsächlich recht spät und bedeutet eine Tieferlegung der Trasse. Sie würde 300 Millionen Euro zusätzlich kosten. Bislang können sich weder Bund noch Land dafür erwärmen, mit größeren Summen in diese Variante einzusteigen, zumal auch die jetzt vorgesehen Trasse Vollschutz durch Lärmschutzwände vorsieht. Das bedeutete, dass die Häuser keine Lärmschutzfenster benötigen.

Nach dem jetzigen Stand würden auf den Bund rund 1,7 Milliarden Mehrkosten zukommen, die Staatssekretär Odenwald gegenüber dem Bundestag vertreten muss. Beim Land könnten sich die Mehrkosten auf rund 300 Millionen summieren.

Am diesem Mittwoch geht es im Landtag um den interfraktionellen Antrag zum „menschen- und umweltgerechten Ausbau der Rheintalbahn“. Die Fraktionen fordern, dass sich das Land „mit bis zu 50 Prozent“ an möglichen Mehrkosten beteiligt und sich Bund und Land bei der EU für finanzielle Unterstützung für den bedeutenden europäischen Korridor stark machen. Auch soll das Großprojekt bis spätestens 2030 abgeschlossen sein.