Ländliche Gemeinde bei Merklingen: Die Dörfer sollen attraktiv bleiben. Foto: Mierendorf / Archiv

Das Land Baden-Württemberg zahlt einen Rekordbetrag, um Ortskerne attraktiv zu machen: 62 Millionen Euro. Auch viele Privatpersonen profitieren von den Zuschüssen für Sanierungen und Umbauten von Häusern.

Stuttgart - Das Stadt- Landgefälle ist auch in Baden-Württemberg nicht zu übersehen. Ein landwirtschaftliches Anwesen rund 100 Autobahnkilometer von Stuttgart entfernt, mit 50 Ar Fläche und sanierungsbedürftigen Gebäude wird derzeit für einen Spottpreis von 60 000 bis 70 000 Euro angeboten. Das Beispiel brachte Agrarminister Peter Hauk (CDU) am Donnerstag anlässlich seiner Bilanz des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum (ELR): „Angesichts der hohen Bodenpreise in der Landeshauptstadt zeigt so ein Beispiel die Verzerrungen im Stadt-Land-Gefüge. Wir müssen die Potenziale des ländliche Raumes aktivieren.“

Das Programm besteht seit 22 Jahren

Darum bemüht sich die Landesregierung seit 22 Jahren mit dem ELR. Insgesamt sind aus dem Fördertopf bereits 1,5 Milliarden Euro in Dörfer und Gemeinden auf dem flachen Land geflossen. 2017 ist insofern ein Rekordjahr, als mit 62 Millionen Euro der bisher höchste Betrag ausgeschüttet wird – ein Plus von zehn Prozent zum Vorjahr. Und mit 1053 Projekten ist es die bisher höchste Zahl von Bau- oder Sanierungsvorhaben, die je für die Förderung bewilligt worden ist. Jeder zweite Nutznießer ist übrigens eine Privatperson, die anderen sind Kommunen, Unternehmen oder Vereine.

Im Prinzip geht es beim ELR darum, dass die Ortskerne gestärkt, die historische Baukultur bewahrt und die „Innenentwicklung“ gefördert wird – die Kernorte sollen nicht „ausfransen“. Gefördert werden Vorhaben, die sich ums Wohnen, Arbeiten, Gemeinschaftseinrichtungen wie Bürgerhäuser oder die Basisversorgung mit Läden, Praxen und Gasthöfen drehen. Jeder zweite Euro des diesjährigen Programmes ist in Sanierung oder Neubau von Wohnraum gesteckt worden. Landratsämter, Regierungspräsidien sowie Ministerium entscheiden über die Förderanträge.

Aus einem alten Silo werden Büros und Wohnungen

Da sei zum Beispiel im Hohenlohischen ein altes Getreidesilo umgebaut worden zu einem Architektur- und Planungsbüro samt Wohnungen, berichtete Minister Hauk. Mit immerhin 100 000 Euro sei das gefördert worden. Und im ehemaligen Bahnhof Peterstal im Schwarzwald sind moderne Büros und eine Wohnung entstanden – gefördert mit fast 39 000 Euro. Das Denkmalschutzamt war daran beteiligt.

Typisch für die Schaffung von wohnortnaher Versorgung ist der Umbau der leeren Scheuer der Albkornbäckerei in Gomadingen in einen „Landmarkt“ samt schickem Café: Für Hauk bekräftigen solche Ideen seine These: „Der ländliche Raum kommt wieder in Mode.“ In einem Fall ist sogar der Abriss eines leerenstehenden Gebäudes neben einem historischen Rathaus bezuschußt worden – um Platz zu machen für Neues.

Die 62 Millionen vom Staat sind übrigens nur eine Initialzündung. Sie lösen Investitionen im Gesamtwert von 520 Millionen Euro aus. Der Löwenanteil der Vorhaben entfällt aufs Wohnen mit 766 Projekten, gefolgt von Arbeiten (197), Gemeinschaftseinrichtungen (44) sowie Grundversorgung und Projekte der Bürgerbeteiligung (je 23) . Das Land will die Fördersumme in den nächsten Jahren um 50 Prozent anheben. Minister Hauk denkt an eine Neuerung: „Wir überlegen, ob wir auch Nachkriegsbauten der 50er Jahre, die in die Ortskerne hineingewachsen sind, in die Förderung hineinnehmen.“