Buchhändler Reiner Steegmüller will sich mit dem Ladensterben im Inhaber-geführten Einzelhandel nicht abfinden Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die älteste Buchhandlung Stuttgarts kämpft mit ungewöhnlichen Mitteln gegen das Sterben des Inhaber geführten Einzelhandels. Die Schaufensterdekoration der Buchhandlung Steinkopf schreckt die Kunden auf.

Stuttgart - Quo Vadis Einzelhandel? Die fetten Lettern auf der Schaufensterscheibe der Buchhandlung Steinkopf verwirren manchen Kunden. Macht nun etwa das nächste Traditionsgeschäft in Stuttgart dicht? Schließlich ist das gesamte Schaufenster mit den Namen der verblichenen Händler dekoriert. Lederwaren Waldbauer, Naturkost Walz und andere Inhaber geführte Händler der City, die im Laufe der Jahre aufgegeben haben. Mit diesen Läden hat der Handel Vielfalt, Individualität, persönliche Ansprache, Beratungskompetenz, Tradition und Verlässlichkeit verloren.

Gehört die älteste Buchhandlung der Stadt (1792 gegründet) nun auch zu den Opfern des Internethandels und der Filialisierung? Reiner Steegmüller, Inhaber der Buchhandlung am Rotebühlplatz 10, grinst schelmisch und meint dann: „Nein.“ Warum also das Mahnmal für den stationären Handel? „Es gibt keinen konkreten Anlass, aber ich gehöre nun mal nicht zu denen, die sagen, alles ist gut. Denn wenn alles gut wäre, würden nicht alle dicht machen.“

Noch seien es drei Große von einst 30 in der City. Wittwer, Osiander, Steinkopf.

Es geht um die gewachsene Nachbarschaft und ein lebendiges Stadtbild

Natürlich ist die Situation des Buchhandels speziell. Vermutlich leidet kaum eine andere Branche mehr unter dem Online-Handel. Aber Reiner Steegmüller geht es nicht nur um sich und seinen Laden. Ihm geht es um die Stadt, um eine gewachsene Nachbarschaft und ein lebendiges Stadtbild. Beispiel Königstraße. Dafür hat Steegmüller nur ein Wort: langweilig. Beispiel Marktplatz: langweilig.

Es wird wenig Menschen geben, die ihm widersprechen. Nirgendwo in Deutschland. Überall leidet der stationäre Handel. Überall wird laut geklagt. „Schauen Sie doch“, sagt Steegmüller, „es geht doch allen so. Selbst die beiden Center Milaneo und Gerber laufen doch nicht richtig. Und wenn Primark beim Milaneo rausgeht, wird Leere herrschen.“

Ein Patentrezept hat freilich auch Steegmüller nicht. Er versucht, seinen Kunden so weit wie möglich entgegen zu kommen. Sein Familienbetrieb öffnet bereits um 7.30 Uhr, um die Pendler zu bedienen. Aber die allgemeine Situation wird der Buchhändler auch damit nicht ändern. Aber er versucht es wenigstens. Selbst wenn es wie ein Kampf David gegen Goliath anmutet.

"Nur mit vereinten Kräften können wir unsere Innenstädte auch in Zukunft attraktiv halten"

Immerhin hat er Mitstreiter. Der Einzelhandelsverband fordert nun eine Allianz für die Innenstädte. „Politik, Städte und Gemeinden müssen gemeinsam mit Unternehmen und Verbänden an einem Strang ziehen. Nur mit vereinten Kräften können wir unsere Innenstädte auch in Zukunft attraktiv und lebendig erhalten“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth: „Der Handel braucht jetzt die passenden politischen Rahmenbedingungen, um diesen Strukturwandel erfolgreich meistern zu können.“ Damit meint Genth zum Beispiel eine Reform der Gewerbesteuer.

Reiner Steegmüller kann da nur schmunzeln. Er spricht es nicht aus, aber er hält Genths Forderung für unrealistisch: „Bevor ich Gewerbesteuer zahle, muss ich ja erst einmal Gewinn machen. Aber da ist ja das Problem vieler.“ Auch der Stadt Stuttgart mag er keinen schwarzen Peter zu schieben. „Was sollen die denn machen?“, fragt er, „sie sorgen doch schon für Rahmenbedingen wie Sauberkeit und Sicherheit.“

Er bleibt bei seiner Meinung: Jeder Einzelhändler ist selbst für sein Schicksal verantwortlich. Es muss kein Naturgesetz sein, dass alle Inhaber geführten Läden irgendwann schließen müssen. Oft stecken auch kaufmännische Fehler hinter einer Geschäftsaufgabe.

Er nennt die Namen nicht. Aber in der Stadt ist es kein Geheimnis. Hinter den Schließungen von Foto Hirrlinger oder Haufler am Marktplatz stecken auch andere Gründe als nur der Wettbewerbsdruck. „Letztlich entscheidet der Kunde“, sagt Reiner Steegmüller. Ihn gilt es mit Service und guten Ideen zu überzeugen, im stationären Handel anstatt im Internet zu kaufen.

Manchmal heiligt bei dieser Kundenansprache auch der Zweck die Mittel. In diesem Fall ist es die Schaufensterdekoration, die einem auf dem ersten Blick suggeriert: Huch, jetzt macht auch noch die älteste Buchhandlung der Stadt dicht.