Der Schüler Mankefor hat sich eine Perücke aufgesetzt und experimentiert mit viel Spaß vor der Kamera. Foto: Sabine Schwieder

An der Bodelschwinghschule in Stuttgart-Möhringen arbeiten Künstler vom Kelterberg mit Kindern mit Förderbedarf im Bereich geistige Entwicklung.

Möhringen - Die Zeit am Nachmittag ist viel zu kurz, denn es gibt so viel auszuprobieren und zu besprechen. Und zu hobeln, zu malen oder zu fotografieren. Langweilig wird es nie, wenn sechs Schülerinnen und Schüler im Kunstraum der Bodelschwinghschule mit Mitgliedern des Vereins Kultur am Kelterberg zu einem Workshop zusammenkommen. Ein Schulhalbjahr lang bekommen die Kinder einen Einblick in die Arbeit von Kunstschaffenden, besuchen die Ateliers und Ausstellungsräume am Kelterberg und werden selbst künstlerisch tätig. Mit einer Ausstellung in der Alten Kelter soll das Vorhaben im nächsten Jahr gekrönt werden.

Es ist das erste Mal, dass die Schule, an der Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf im Bereich geistige Entwicklung unterrichtet werden, mit dem Kunstverein kooperiert. Die Mädchen und Jungen kommen aus den Klassen 5 bis 9 und sind zwischen zwölf und 15 Jahre alt. An der Einrichtung auf dem Gelände des Schulzentrums Hengstäcker werden auch Grund- und Berufsschüler unterrichtet, doch das Angebot, einmal in der Woche an verschiedenen Workshops teilzunehmen, ist für die Kinder der Hauptstufe gedacht.

Die Bandbreite der Fähigkeiten ist sehr groß

Im September konnten sie zwischen Chor und Kochen, Musik, Kunst und vielem mehr wählen. Unter den Schülern sind stark kognitiv eingeschränkte Kinder ebenso wie solche, die recht gut lesen können, aber auch Schüler mit autistischen Verhaltensweisen. „Die Bandbreite ist sehr groß, deshalb müssen die Erwachsenen individuell vorgehen“, sagt Schulleiterin Andrea Regner. Eines ist den Teilnehmern des Kunstworkshops jedoch gemeinsam: sie sind sehr motiviert und gehen ohne Scheu auf die Besucher vom Kelterberg zu.

Die Idee zu diesem von Sponsoren unterstützten Projekt kam von der Referendarin Melanie Mangin, die den Kunstkurs im Rahmen ihrer Ausbildung begleitet und die Künstler an den Donnerstagnachmittagen unterstützt. „Es geht dabei auch darum, die Schule nach außen hin zu öffnen“, erklärt sie. Seitdem öffentlich viel über das Thema Inklusion diskutiert werde, so haben die beiden Pädagoginnen festgestellt, falle das etwas leichter. „Es ist nicht mehr angstbesetzt, mit unserer Schülerschaft zusammenzuarbeiten“, sagt Schulleiterin Regner.

Künstler und Inklusion

Für die Künstler vom Kelterberg gibt es diese Hemmschwelle sowieso nicht. Viele von ihnen unterrichten neben Erwachsenen gerne auch Kinder. Den Anfang machte der Holzbildhauer Thomas Fiedler, der den Herbst über mit den Kindern Speckstein bearbeitete. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Die Titel, die sich die Kinder einfallen ließen, zeigen sogar einen gewissen poetischen Charme. „Der Elefant, der dir in die Seele schaut“ hat eine Schülerin ihre Specksteinfigur genannt. Ein anderer hat eine „grün-schwarze Beulenstatue“ als Handschmeichler angefertigt. Besonders stolz ist der ganze Kurs auf die Arbeit von Ceylan, dem eine beachtliche Schildkröte gelungen ist. Die Kinder, so hat Schulleiterin Regner festgestellt, fühlen sich durch die Besucher vom Kelterberg ganz anders angesprochen als im regulären Unterricht. „Sie geben dann alles“, sagt sie, „sie sind auch bereit, an ihre persönlichen Grenzen zu gehen.“

Agieren vor und hinter der Kamera

Seit den Herbstferien arbeitet die Fotografin Ingrid Schütz mit dem Kurs. Sie hat an diesem Donnerstagnachmittag vielerlei Klamotten, Perücken und Masken zum Verkleiden und zahlreiche Fotos zur Anschauung mitgebracht. Die Kinder sollen vergleichen und entscheiden, was ihrem Geschmack mehr entspricht: Hoch- oder Querformat, großer Abstand oder Nähe zum Porträtierten, die ganze Ansicht oder der Ausschnitt. Anschließend dürfen sich die Teilnehmer gegenseitig fotografieren. Die Kameras kommen von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Was macht mehr Spaß: der Umgang mit der Kamera oder das Posieren davor? Ohne Scheu setzen sich die Kinder Masken auf, schlingen sich Tücher um und probieren Posen aus, sie arbeiten mit Spiegeln oder Holzrahmen. Jede Anregung wird begeistert aufgenommen. Diese Unbefangenheit, denken die erwachsenen Zuschauer, möge lange erhalten bleiben.

Vom 15. Dezember an wird sich die Malerin Ingrid Eberl unter der Überschrift „Experimentelles Malen“ des Kurses annehmen. „Da geht es dann um eine bunte Welt, um den spielerischen Umgang mit Farben, und es wird ein Gemeinschaftswerk geben“, kündigt Melanie Mangin an. Vierte im Bund ist Birgit Thines, die im Februar für dreidimensionale Objekte aus Paperclay, einer Mischung aus Ton und Papierfaserbrei, Materialien aus der Natur mitbringen wird.

Ausstellung am Kelterberg

Die Ergebnisse sollen im Sommer in einer Ausstellung in der Alten Kelter gezeigt werden. „Wir hoffen jedenfalls, dass der Workshop auch im zweiten Schulhalbjahr auf Interesse stößt“, sagt Mangin. Die Schulleiterin geht noch weiter: Andrea Regner wünscht sich, dass eines Tages Kinder ihrer Schule in ihrer Freizeit am Kelterberg mitarbeiten. Das wäre dann die perfekte Inklusion.