Starkes Quartett: Die Kunstradfahrerinnen Nelly Ludwig, Sandra Möbus, Janina Raisch und Anja Fahrion (v. li.) vom RKV Denkendorf Foto: Baumann

Erst der deutsche Meistertitel, dann zur Weltmeisterschaft ins tschechische Brünn. Dort will das Kunstrad-Quartett aus Denkendorf unbedingt eine Medaille. Am besten die goldene.

Denkendorf - Die Luft brennt in der kleinen Sporthalle in Wendlingen an diesem herbstlichen Samstagvormittag. Anja Fahrion (24) schüttelt ungläubig den Kopf, Sandra Möbus (23) hat Tränen in den Augen, den Teamkolleginnen Janina Raisch (22) und Nelly Ludwig (23) ergeht es nicht anders.

Was ist passiert? Das Kunstrad-Quartett des RKV Denkendorf hat bei den German Masters grandios vorgelegt. Nach einer absolut fehlerfreien Kür fahren sie im Vorkampf mit 212,05 Punkten eine Wertung nahe der persönlichen Bestleistung heraus. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft (21. bis 23. November) in Brünn/Tschechien scheinen sie dem Dauerrivalen des RSV Steinhöring endgültig entrissen zu haben. Doch die Wertungsrichter spielen nicht mit. Obwohl sich die jungen Damen aus Bayern einen Absteiger leisten, bekommen sie wohlwollend 215,05 Punkte. Frust ablegen, volle Konzentration für das Finale am Abend, lautet nun das Motto. Die Denkendorfer Mädels fahren mit 194,50 Punkten nicht ganz so souverän wie am Morgen, doch dem amtierenden Weltmeister aus Steinhöring flattern gehörig die Nerven. Sie kommen nur auf 188,65 Zähler. Die Vorentscheidung.

Befreit kann das RKV-Quartett nun an diesem Samstag (ab 10.30 Uhr) bei der deutschen Meisterschaft in der Sporthalle der Albert-Schweitzer-Schule im heimischen Denkendorf zum letzten WM-Qualifikationskampf antreten. „Wir führen mit satten 31 Punkten. Da müssten wir schon einen kompletten Blackout haben und Steinhöring ein Fabel-Weltrekord gelingen, damit da noch etwas schiefgehen kann“, sagt RKV-Trainer Martin Thiele.

Seit vier Jahren kämpfen die vier Kunstradfahrerinnen gemeinsam mit Coach Thiele und der langjährigen Trainerin Petra Geyer um das WM-Ticket. Immer vergeblich, jetzt sind sie fast am Ziel. Hinter diesem Erfolg steckt intensives Training. In der Hochsaison geht es fast täglich in die Übungshalle. Viel Freizeit bleibt da nicht. „Es macht Spaß, wir verstehen uns super, sind ein eingeschworener Haufen und unternehmen auch privat viel zusammen“, erzählt Anja Fahrion. Und Nelly Ludwig fügt hinzu: „Es gab bei uns Höhen, aber auch Tiefen, das hat uns zusammengeschweißt.“ Seit acht Jahren bilden die Kunstradfahrerinnen des Traditionsvereins ein Team. Der größte Erfolg bisher: die Junioren-Meisterschaft 2009.

Jetzt gilt die volle Konzentration der Heim-DM. Viele Freunde und Verwandte werden gespannt zusehen, wenn die vier Athletinnen am Samstag mit ihren 2000 Euro teuren Zweirädern auf die 14 mal 11 Meter große Fläche fahren. Perfektion auf dem Rad, das wollen sie ihren Fans präsentieren. Dafür gehen sie zuvor die Kür mental noch einmal durch, jede Sequenz, jedes Detail, jede Drehung. Danach werden die Hände mit Magnesium eingerieben, der Sattel mit einer Stahlbürste abgeschrubbt – zwecks besseren Halts. Wenn dann „The Rose“ von Bette Midler und die Musik des Science-Fiction-Films „Avatar“ erklingt, kommt der Tunnelblick. Fünf Minuten mit 30 Übungen voller Akrobatik, Eleganz, immer synchron, möglichst ohne Absteiger und Wackler gilt es unter den strengen Augen der Richter zu absolvieren. Nelly Ludwig, Anja Fahrion, Sandra Möbus und Janina Raisch sind gerüstet für den großen Coup: erst der deutsche Meistertitel, dann zur WM. „Dort wollen wir unbedingt eine Medaille“, sagt Anja Fahrion. Am besten die goldene.