In der Theatergruppe lernen die jugendlichen Teilnehmer, mit ihrer Vorstellungskraft zu arbeiten. Auf dem Bild verstecken sie sich in einem imaginären Wald zusammen hinter einem Hindernis. Foto: Simone Bürkle

Im Jugendhaus Helene P. machen 35 Jugendliche bei einem Kunstprojekt mit. Am Ende stehen Auftritte im Theaterhaus.

Degerloch - Karim ist der geborene Verkäufer. Was er seinem Publikum vorträgt, um es vom Nutzen seines Produkts zu überzeugen, klingt einleuchtend. „Kennt ihr das? Es ist Sonntagmorgen, und eure Kaffeedose ist leer. Eine ganz schön traurige Situation“, erklärt der junge Mann seinen Zuhörern mit gespielt bedrückter Miene. Dann schaltet Karim plötzlich um und geht in die Charme-Offensive. Mit gewinnendem Lächeln zeigt er auf das Utensil in seiner Hand und verkündet: „Das wird euch mit dieser Dose hier nicht passieren. Der Kaffee darin regeneriert sich von selbst. Ihr werdet nie wieder auf Kaffee verzichten müssen.“ Seine Assistentin Leonie ergänzt: „Und das für den extrem günstigen Preis von nur 1000 Euro pro Monat!“

Was Karim und Leonie an diesem Donnerstagnachmittag im Jugendhaus Helene P. zum Besten geben, ist eine der Übungen der Theatergruppe, die sich für das Projekt „Künste öffnen Welten“ gebildet hat. Das Degerlocher Jugendhaus hat sich bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) um entsprechende Zuschüsse für das Projekt beworben, und es hat für die kommenden drei Jahre 36 000 Euro bewilligt bekommen.

35 Jugendliche aus den Klassen sechs bis acht machen mit

Dieses Geld investiert das Jugendhaus nun eben in die Theater-, aber auch in eine Zirkus- und eine Tanzgruppe. Projektpartner sind die Fritz-Leonhardt-Realschule und das Theaterhaus Stuttgart. „Insgesamt machen 35 Jugendliche aus den Klassen sechs bis acht mit“, sagt die Theaterpädagogin Carmen Stallbaumer, die die Theatergruppe leitet. Die jungen Leute sollen zudem die kulturellen Angebote in ihrer Stadt bei Besuchen kennenlernen und durch ihr eigenes Spiel ein Stück weit selbst gestalten. Denn am Ende sollen Aufführungen der Elf- bis 14-Jährigen vor großem Publikum im Theaterhaus stehen. Das ist für viele der Jugendlichen ein Traum.

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. In der Theatergruppe, die sich seit November einmal wöchentlich trifft, geht es fröhlich, aber konzentriert zu. Die Bereitschaft, etwas Gutes schaffen zu wollen, ist neben dem Spaß, den alle Akteure haben, deutlich zu spüren. „Bewegt euch mal durch den Raum, als ob ihr durch einen Wald schleicht“, gibt Carmen Stallbaumer den Teilnehmern vor. Die setzen das prompt um, die Jungen und Mädchen bewegen sich vorsichtig über imaginäre Hügel, winden sich unter einem Tisch durch, der ein Hindernis im Gelände darstellt.

Jeder der Schauspieler hat sich einen Charakter ausgesucht

All das dient der Vorbereitung auf das eigentliche Stück. „Das steht noch nicht fest, es gibt lediglich eine Grundidee, welche die Jugendlichen selbst ausarbeiten“, sagt Carmen Stallbaumer. Die Geschichte soll von Jugendlichen handeln, die nach einer Seuche ihre Eltern verloren haben und nun allein in der Welt zurechtkommen müssen. Dabei bilden sich verschiedene Gruppen, die miteinander klarkommen müssen.

Jeder der jungen Schauspieler hat sich dabei einen Charakter ausgesucht, den er in den kommenden Monaten entwickeln wird. Da wäre Tamara, die in dem Stück die Anführerin spielt. In einer Übungsszene hat sie die Aufgabe, sich vor der Gruppe zu präsentieren und über ihre Verantwortung zu sprechen – etwas, das Tamara sichtlich Überwindung kostet. „Du machst das toll, das darf sich ruhig entwickeln“, ermuntert Carmen Stallbaumer die Nachwuchsakteurin, die zunächst eher schüchtern agiert. Tamara lächelt stolz. Beim nächsten Auf- und Abgehen vor der Gruppe bewegt sie sich schon vertrauter auf der Bühne. Ohnehin ist sie in den vergangenen Wochen viel sicherer in ihrem Auftritt geworden.

Die jungen Leute werden durch das Projekt selbstbewusster

Das geht fast allen der Jugendlichen so. „Die Gruppe hat sich toll gemacht“, schwärmt Carmen Stallbaumer. Die jungen Leute nehmen das, was sie in der Theatergruppe erleben, in den Alltag mit. „Man wird selbstbewusster“, berichtet etwa Anna. Und ihr Mitstreiter Linus erklärt: „Erst merkt man gar nichts. Aber mit der Zeit spürt man, dass es leichter wird, sich zu behaupten, zum Beispiel auch vor Lehrern.“ Michael hat das Theaterspielen, das er seit der ersten Klasse in seiner Freizeit macht, sogar schon ganz konkret geholfen: „Mir fällt das Präsentieren von Arbeiten in der Schule leichter.“

Das ist letztlich auch eines der Ziele des Projekts. „Es geht darum, dass die Jugendlichen ihre persönlichen Stärken entwickeln“, erläutert Carmen Stallbaumer. Aus Michaels Sicht funktioniert das schon jetzt bestens: „Am Anfang war es peinlich, vor den anderen zu reden. Inzwischen ist es peinlich, es nicht zu tun.“