Wird am 1. Dezember eröffnet: Sonderschau zur Bildwelt von Patrick Angus Foto: Galerie Thomas Fuchs

Das Kunstmuseum Stuttgart organisiert seine Sammlungspräsentation neu. Was wird sich ändern? „Stuttgarter Nachrichten“-Autor Nikolai B. Forstbauer hat nachgefragt.

Stuttgart - In Stuttgart will viel in Bewegung sein – da darf der Auftritt des Kunstmuseums Stuttgart nicht stillstehen. Es wird umgehängt – oder präziser: In mehreren Schritten wird die Sammlung in den Erdgeschoss- und Untergeschoss-Räumen neu präsentiert.

Freier Eintritt in die Sammlung bis zum 27. Oktober

Im Erdgeschoss haben die Arbeiten begonnen. Die Einschränkung für die Besucher bringt auch eine gute Nachricht: Bis zum 27. Oktober ist der Eintritt in die Sammlung des Kunstmuseums Stuttgart frei.

Entstehen sollen „Themenräume“

Federführend für die Änderungen im Erdgeschoss sind die Kunstmuseums-Kuratorinnen Eva-Marina Froitzheim und Anne Vieth. Was wird sich aus Ihrer Sicht ändern? „Die stilistische Gewichtung“, sagen Froitzheim und Vieth – zugunsten der Darstellung des unverwechselbaren und weit gefassten Profils der Sammlung“. Froitzheim und Vieth setzen hierbei auf „Themenräume, die drei Prinzipien folgen: Zum einen einer lockeren Chronologie, zum anderen inhaltlichen Schwerpunkten oder künstlerischen Strömungen, und zum dritten werden neben den wichtigsten Künstlern unserer Sammlung zahlreiche unbekannte beziehungsweise lange nicht ausgestellte Positionen vorgestellt“.

Kokoschka trifft Förg

Wie man sich dies vorstellen kann? „Im Themenbereich ,Fokus Stuttgart’ trifft moderne Malerei auf zeitgenössische Fotografie“, sagen Froitzheim und Vieth – „in diesem Fall Oskar Kokoschka auf Günther Förg und Oliver Godow“.

Vertiefungen durch Verweise

Doch die Umhängung zielt auch auf einen „zentralen Aspekt unserer Sammlungspolitik: den Ausbau von Kernbeständen, wie der konkreten oder der konzeptuellen Kunst, und deren Weiterführung durch Positionen aus der Gegenwartskunst“. Die Kuratorinnen erläutern: „So treten etwa die geometrischen Kompositionen von Georg Karl Pfahler, Lothar Quinte und Günter Fruhtrunk in einen spannungsreichen Dialog mit Camille Leberers geschichteten Zeichnungen und einer raumgreifenden Skulptur von Otto D. Handschuh.“

Vertiefungen durch Verweise – dieser Linie folgen Froitzheim und Vieth, wenn sie etwa einen Hieronymus Bosch gewidmeten, erstmalig gezeigten Zyklus von Willi Baumeister in Dialog mit den Mauer- und Reliefbildern Baumeisters bringen. „Zudem“, sagen die Kuratorinnen, „präsentieren wir Adolf Hölzel und seinen Kreis, flankiert von selten ausgestellten Werken der Neuen Sachlichkeit von Volker Böhringer und Wilhelm Schnarrenberger“.

Solo für Josephine Meckseper

Ist die Neupräsentation der Sammlung auch ein Versuch, eine Antwort auf die fraglos schwierige Raumfolge im Kunstmuseum zu geben? Dies dürfte sich wohl erst im kommenden Jahr zeigen – dann wollen Eva-Marina Froitzheim und Anne Vieth im Untergeschoss aktiv werden. „Dort“, sagen sie, „wird der Fokus auf der Kunst nach 1960 bis in die Gegenwart liegen. Josephine Meckseper wird einen eigenen Raum erhalten, in dem ein bedeutender Neuankauf im Mittelpunkt steht und dort fest verankert wird. Auch andere Einkäufe der letzten Jahre werden zum Teil ortsspezifisch gemeinsam mit den Künstlern installiert, wie beispielsweise Werke von Schirin Kretschmann“.

Und die bis in die Gegenwart gerade für die Kunstmuseums-Sammlung so wichtige Malerei? „Ihr Gewicht“, sind sich Froitzheim und Vieth sicher, „wird in der Umhängung spürbar werden. Die Auswahl wird aufzeigen, wie stark sich die Grenzen dieser Gattung erweitert haben“.

Mehr Raum für Otto Dix

Grafisches Kabinett geplant

Froitzheim und Vieth wollen aber auch die leisen Töne in der Sammlung sichtbar machen. „Langfristig“, sagen sie, „ist die Einrichtung eines dauerhaften ,grafischen Kabinetts’ geplant, um unsere großartigen Bestände an modernen und zeitgenössischen Arbeiten auf Papier kontinuierlich der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“.

„Einmalige Chance“

Erinnert das Vorhaben des „grafischen Kabinetts“ eher an eine sehr klassische Museumsstruktur, bringen wiederholte Umhängungen in Sammlungen immer auch Irritationen. Wie also nähert man sich überhaupt einer Neupräsentation – wohl wissend: Das Publikum will die Lieblinge immer sehen, aber das stets Gleiche soll es nicht sein. „Das Führungsangebot“, sagen Froitzheim und Vieth, „hat über die Jahre gezeigt, wo die Vorlieben des Publikums liegen. Diesen kommen wir gerne nach, es ist uns jedoch auch an der Heranführung an Unbekanntes, manchmal Sperriges und Irritierendes gelegen.“ Und: „Für uns Kuratorinnen ist eine solche Neupräsentation eine einmalige Chance, die Sammlung zu erkunden und ihre Vielfalt vor Augen zu führen.“

Künftig mehr Otto Dix

Besonders aufmerksam werden Änderungen in den Räumen zu Otto Dix registriert. Wagt man dort also überhaupt Neues? „Dix“, sagen Eva-Marina Froitzheim und Anne Vieth, „wird einen Raum mehr bespielen. Es werden grafische Arbeiten zu sehen sein, von denen das Kunstmuseum eine in Quantität und Qualität bemerkenswerte Anzahl besitzt“. Und Froitzheim und Vieth machen auf weiteres aufmerksam: „Die dem Œuvre von Dix gewidmeten Räume werden sich drei Leitmotiven des Künstlers widmen: Lebensalter, Großstadt und Krieg. Dabei kommt es zu außergewöhnlichen Dialogen mit zeitgenössischen Werken, wenn Dix’ „Triumph des Todes“ auf Hans Peter Feldmanns Vanitas-Installation „100 Jahre“ blickt.

Wie Direktorin Ulrike Groos 2017 sieht

Insgesamt gilt: Der Blick nach vorne ist im Kunstmuseum Stuttgart von großen Erwartungen geprägt. Und wie sieht Ulrike Groos als Direktorin des Hauses das bisherige Geschehen? Immerhin hatte sie 2017 als „Jahr der Überraschungen“ angekündigt. „Die Formulierung ,Überraschungen’, sagt Groos jetzt, „bezog sich vor allem auf das Ausstellen zeitgenössischer Künstler, das Zeigen von Neuem und Unbekannten. Dass Myriam Holme den Sparda-Kunstpreis gewonnen hat, war sicherlich solch eine Überraschung, denn sie kannte vorher kaum jemand“.

„Sammlung Klein“ mit vielen überraschenden Momenten

„Als weitere, durchaus gelungene Überraschung“, sieht Groos die – aktuell als Sonderausstellung auf den drei Etagen des Kunstmuseums-Kubus zu sehende – „Präsentation der ,Sammlung Klein’, deren Vielfalt und Qualität, gerade auch bei den ganz jungen Künstlern, etwas Besonderes ist.“ Bestärkt fühlt sich Groos schließlich in ihrem Engagement für die Kunstvermittlung. „Die gut besuchten Künstlergespräche“, sagt sie, „bestätigen, wie wichtig das Zeigen zeitgenössischer Positionen ist, ob bekannt oder unbekannt“.

Gespannt auf die Patrick Angus-Schau

Für Ulrike Groos steht der Höhepunkt des Jahres indes noch aus. „Gerade“, sagt sie, „arbeiten wir intensiv an der Vorbereitung für unsere Ausstellung ,Patrick Angus. Private Show’, bei der wir besonders gespannt auf die Reaktionen und Diskussionen sind“. Eröffnet wird die Schau zur Bildwelt des 1953 in Nord-Hollywood geborenen und mit nur 38 Jahren in New York gestorbenen Malers am 1. Dezenber um 19 Uhr.