Die Künstlerin Katharina Krenkel häkelt eine Feuerzunge. Foto: Julia Lutzeyer

Die Künstlerin Katharina Krenkel macht die Stadtkirche zur Bühne ihrer Kunstaktion „Feuer & Wasser“. Sogar die Feuerwehr ist beteiligt.

Bietigheim-Bissingen - Eine Künstlerin, die wie ein Geist hinter Kirchenmauern haust und den Kirchturm in Brand setzt? Genau das passiert zwischen dem 18. Juni und dem 2. Juli in der Altstadt von Bietigheim, auch wenn dabei nur symbolisch mit gehäkelten Feuerzungen gearbeitet wird. Anlässlich des Reformations-Jubiläums findet in dieser Zeit die Kunstaktion „Feuer & Wasser“ statt. Initiatorin ist die im Saarland lebende Bildhauerin und Grafikerin Katharina Krenkel, die sowohl die Evangelische Kirchengemeinde der Stadt als auch die Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen für ihr ungewöhnliches Projekt gewonnen hat. Und die Feuerwehr!

Die Feuerwehr wird die Künstlerin retten

Die wird am 2. Juli morgens anrücken, um die Akteurin vom Kirchturm der Evangelischen Stadtkirche zu holen. Auf diese Weise wird die Kunst zum Anlass der obligatorischen Rettungsübung. Dabei war Krenkels ursprünglicher Plan just an den strengen Brandschutzbestimmungen gescheitert. Doch der Reihe nach.

Beim Bietigheim-Bissinger XXL-Kulturtag vor zwei Jahren hatte die in Stuttgart aufgewachsene Künstlerin die einstmals bewohnte Stube im Turm der Evangelischen Stadtkirche besichtigt. „Ich war hin und weg von der räumlichen Situation“, erinnert sich Katharina Krenkel. Auf dem Kirchturm, so dachte sie, wäre sie dem Alltag enthoben und doch mitten drin im urbanen Geschehen – wie Luther in seinem Exil auf der Wartburg. Eine ideale Voraussetzung für ein konzentriertes, inspiriertes Arbeiten. „Meine Idee war, dort oben in Klausur zu gehen, um eine Art Turm-Tagebuch zu verfassen.“

Krenkel, die ihre Kunstwerke und Raumobjekte häufig in sakraler Umgebung präsentiert, weihte Pfarrer Bernhardt Ritter in ihr Vorhaben ein. „Reformation bedeutet ja, etwas Neues zu wagen“, begründet er seine Unterstützung.

Zwei Spezialisten sorgen für Sicherheit

Doch dann hieß es, die Turmstube sei wegen der Brandschutzvorschriften nicht bewohnbar. Das Projekt stand auf der Kippe – schaffte es aber auf die sichere Seite. Die Akteure haben eine Sondergenehmigung erwirkt: „Wenn unten am Boden zwei freiwillige Brandwachen stehen, darf ich mich für zwei Stunden pro Tag in der Turmstube aufhalten“, erklärt Krenkel. Den Rest ihrer zweiwöchigen Klausur wird sie in der Sakristei zubringen, unsichtbar für die Kirchenbesucher. „Aber vielleicht doch irgendwie spürbar, wenn die wissen, dass da jemand ist und arbeitet.“

Abgeschieden und doch mittendrin: Dieses Prinzip gilt nach wie vor. „Mir war durch die Problematik mit dem Brandschutz schnell klar, dass ich mich in meiner künstlerischen Arbeit dem Thema Feuer zuwenden werde“, sagt Krenkel. „Das passt ja auch zu dem Flächenbrand, den Luther mit seinen 95 Thesen ausgelöst hat.“

Bürger sollen Essen bringen

„Feuer & Wasser“ heißt das Projekt inzwischen. Aus Absperrband und zerschnittenen Müllsäcken häkelt die Künstlerin Feuerzungen und Wasserblasen. „Erst aus Zufall, dann bewusst, habe ich die Handarbeit zu meiner Kunsttechnik gemacht“, sagt Krenkel, die in Saarbrücken Kunst studiert hat. Vom 18. Juni an werden ihre Objekte am Kirchturm und im Innenraum des Gotteshauses angebracht. „Mir gefällt das Prozesshafte. Die Ansichten werden sich ständig verändern.“ Und hoffentlich auch die Bevölkerung, nicht zur die Bietigheimer, neugierig machen.

Damit alles klappt, braucht Krenkel schließlich die Mithilfe von Freiwilligen. „Ich hoffe darauf, dass mir die Gemeindemitglieder Essen vorbeibringen“, sagt die Künstlerin. „Außerdem bin ich darauf angewiesen, dass meine fertigen Arbeiten von Boten abgeholt und an ihren Platz gebracht werden.“ In der Klausur entstehen neben den Häkelobjekten auch noch Grafiken und Linolschnitte. „Die sind dann in der Städtischen Galerie und im Schaufenster einer Buchbinderei zu sehen.“

Die ersten Reaktionen auf die Kunstaktion einer Unsichtbaren im öffentlichen Raum sind vielversprechend. „Vor allem von Seiten der hier ansässigen Firmen ist das Interesse groß“, weiß Pfarrer Bernhardt Ritter. „Die Unternehmer finden das Projekt richtig spannend.“ Und von diesem Sonntag an, bestimmt auch die Bürger, und zwar nicht nur die, die in die Kirche gehen.

Volles Programm

Auftakt
Der Beginn der Kunstaktion mit Gottesdienst in der evangelischen Stadtkirche ist am Sonntag, 18. Juni, um 10 Uhr. Bis zum 2. Juli werden die gehäkelten und grafischen Werke in und an der Stadtkirche sukzessive präsentiert, ergänzend auch in der Städtischen Galerie Bietigheim-Bissingen sowie im Schaufenster der Buchbinderei Sleska.

Aktion
Am Sonntag, 2. Juli, ist die Feuerwehr im Einsatz: Deren Übung mit Rettung der Künstlerin vom Kirchturm ist für 9.30 Uhr terminiert. Ein Rundgang ist von 11.15 Uhr an möglich. Die Objekte können im Anschluss noch bis Sonntag, 9. Juli, in der evangelischen Stadtkirche besichtigt werden.