Der Maler David Baur zeigt, wie abstrakte Kunst zum Selbermachen funktioniert : Man tropfe die Farbe auf den Malgrund und fertig ist das Kunstwerk. Foto: Max Kovalenko

Ha, das kann ich auch! Diesen Spruch hat wohl jeder schon einmal ausgerufen, der durch ein Museum lustwandelte und moderne Kunst betrachtete. Nun kann man beweisen, dass man zum Künstler taugt. Der Stuttgarter David Baur bietet abstrakte Kunst zum Selbermachen. Mit Ästhetikgarantie.

Stuttgart - Es ist die pure Maloche. David Baur (35) steht in seinem Atelier in den Wagenhallen, knickt, faltet, klebt – und schwitzt. Von wegen Savoir Vivre. Man stellt sich als leider nur durchschnittlich begabter Mensch das Künstlerleben ja als einzigen Müßiggang vor. Man lässt den Körper ruhen, und die Gedanken spazieren, bis sie über etwas stolpern. Dann wird gedichtet, komponiert oder im Falle von David Baur gemalt. Doch gehört zur Kunst eben auch Handwerk. Nun ist das in diesem Falle zugegeben etwas weiter gefasst. Aber Baur will ja auch nicht selbst malen, er will malen lassen. Mit seinem Bruder hat er ein Produkt entwickelt namens Dropbox. „Abstrakte Kunst für Jedermann“ verspricht er. Alles in einem. Und so steht Baur heute mit der Designerin Sandra Schürlein in seinem Atelier und baut die Boxen zusammen.

Das Prinzip ist einfach. Logischerweise. Schließlich soll den Künstler nichts ablenken. Man öffnet also den Karton, nimmt den Malgrund, den Rahmen und die Farbe heraus. Die Vorderseite des Kartondeckels klappt man nach innen, biegt die Lasche nach außen, fertig ist die Staffelei. Dann stellt man den Malgrund in die Staffelei, schüttelt die Farbflasche, „entspannt sich“, so der Tipp der Bedienungsanleitung und bringt die Farbe auf, Tröpfchen für Tröpfchen abstrakte Kunst.

Allerdings nicht zu viel, empfiehlt Baur. Die Flasche fasst zwar zehn Milliliter Farbe, tatsächlich brauche man aber deutlich weniger. Was sich für schwäbische Testpersonen mitunter als schwierig erweise, „zahlt isch zahlt“, da muss dann alles drauf, wohin auch sonst mit der Farbe? Doch dann wird es eine Schmiererei. Man solle sich auch hüten, den Farbfluss aufzuhalten oder mit anderen Materialien nachzuhelfen. „Das hat irreversible Folgen auf die Bildkomposition“, sagt die Bedienungsanleitung. Bei einem solchen Satz fühlt man sich doch gleich wie ein waschechter Kunststudent.

„Jeder Mensch ist ein Künstler“, sagte Joseph Beuys einst

Den Karton hat übrigens Tobias Otto gestaltet. Er erhielt 2013 den Worldstar Packaging Award, damit ist er quasi der Steven Spielberg der Verpackungsbranche. Das Entwerfen von Kartonagen ist offenbar nicht nur Beruf, sondern auch Kunst. Das bestätigt Joseph Beuys. Der hatte einst gesagt: „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Diesen Satz kennen auch Banausen, die ansonsten mit moderner Kunst wenig am Hut haben. Und natürlich kommt er einem in den Sinn, wenn man Baurs Produktidee betrachtet und selbst zum Fläschchen greift.

Scheinbar ist die Dropbox die in Karton gepackte Umsetzung des Beuyschen Spruchs. Und Baur sagt, „damit kann jeder zum Künstler werden vom Kleinkind bis zum 100-Jährigen“. Das ist natürlich auch Werbung, ein Maler versteht schließlich was von Marketing, wie sollte er sonst seine Werke verkaufen? Als Absolvent der Kunstakademie weiß Baur selbstverständlich auch, dass Beuys weiter gesagt hat: „Was ich meine, ist: Jeder Mensch ist ein Träger von Fähigkeiten, ein sich selbst bestimmendes Wesen, der Souverän schlechthin in unsrer Zeit. Er ist ein Künstler, ob er nun bei der Müllabfuhr ist, Krankenpfleger, Arzt, Ingenieur oder Landwirt. Da wo er seine Fähigkeiten entfaltet, ist er ein Künstler.“ Damit ist also auch jener Düsseldorfer Hausmeister ein Künstler, der seine Reinigungspflicht so ernst nahm, dass er nach Beuys Tod aus dessen Atelier fünf Kilo Butter entfernte und damit das Werk „Fettecke“ zerstörte.

Auch eine Persiflage

Das kostete das Land Nordrhein-Westfalen damals 40.000 Mark. Zahlbar an den Künstler Johannes Stüttgen, für den Beuys die „Fettecke“ gestaltete. Man merkt, das ist eine ernste Sache, auch bei der Kunst geht es ums Geld. Deshalb steht Baur auch selbst in seinem Atelier und knickt, faltet, klebt – und schwitzt. 20.000 Euro hat er bisher eingesetzt, doch ließe er die Boxen komplett anderswo fertigen, wäre das Projekt unbezahlbar. Doch umsetzen will er es unbedingt, weil er es schon seit Jahren mit sich herumtrage, und Qualität will er bieten, „auch wenn mancher sagt, das kann man ja alles im Baumarkt kaufen“. Doch dort „gibt es halt nur das falsche Papier, die falschen Farben, und man landet bei den falschen Kombinationen“. Lange habe er getüftelt über den Farben, sechs Kombinationen gibt es nun, „die passen“, sagt er – und gibt deshalb eine „Ästhetik-Garantie“. Natürlich sei Ästhetik eine Geschmackssache, „aber es gibt halt guten und schlechten Geschmack“.

Natürlich ist das Ganze auch eine Persiflage. Malen nach Zahlen mit Augenzwinkern. Deshalb gibt es neben der normalen Dropbox (24,90 Euro) auch eine Fare-Side-Edition (27.90 Euro), angelehnt an die skurillen Far-Side-Karikaturen von Gary Larson. Hiesige Designer wie Karolina Pyrcik, Kleon Medugorac oder Manuel X gestalteten die Boxen. Heraus kam etwa die Birdie-F-Art, Grün auf Pink in barockem Rahmen, oder Vomit, „kranke Kunst in drei einfachen Schritten selbstgemacht“, das ist Brombeer auf Grün. Die „Abstrakte Kunst für den jungen Mann“ ist Goldgelb auf Rot., die „Abstrakte Kunst für die Frau“ ist Rot auf Gold. Alles sei so angelegt, dass es bestens mit Ikea-Möbeln harmoniere, sagt Baur.

Nunmehr ist es also wesentlich einfacher, abstrakte Kunst zu malen als Möbel zusammenzubauen. Oder stand schon einmal ein Heimwerker vor einem Möbel-Bausatz, schaute auf den Plan und sagte: „Ha, das kann ich auch!“

Kunstkaufhaus in den Wagenhallen am Wochenende

Die Wagenhallen, Innerer Nordbahnhof, laden am Wochenende ein zum Kunstkaufhaus. Dort präsentiert David Baur seine Dropbox, Designer und Künstler bieten allerlei Spannendes und Schönes

Geöffnet ist am Samstag von 19 Uhr bis Mitternacht. Am Sonntag kann man von 11 bis 20 Uhr bummeln.

Die Künstler des Kunstvereins Wagenhallen öffnen am Sonntag von 14 Uhr an ihre Tore mit Ausstellungen, Tanz, Theater, Falafel, Fantasie-Fahrrädern, Konzerten, Filmen, Hausmusik und Urban Gardening.