Die Künstlerin Any Hany alias Annette Haug interessiert sich für die menschlichen Abgründe, Fehltritte und Krankheiten. Foto: Bernklau

Bei der Kultur am Kelterberg zeigt Amy Hany ihre brutalen Porträts „Das Antlitz am Abgrund“. Die Ausstellung ist noch bis zum 13. April in der Vaihinger Galerie am Kelterberg zu sehen.

Vaihingen - Sie ist eine schöne Frau. Vielleicht ist die aggressive Wucht deshalb noch bemerkenswerter, vor der Amy Hany selbst ihr eigenes Gesicht nicht verschont. Sie verletzt, zerschlägt, zerstört - ein Menschenbild, ein Frauenbild. Für die Stuttgarter Künstlerin, Autorin und Designerin ist es natürlich ein falsches, ein Bild, das derartige Berserkerwut und künstlerische Gewalt ganz zurecht auf sich zieht. Solche Kunst macht Skandal.

Der mutige Beirat hat „Das Antlitz am Abgrund“ für eine Einzelausstellung der Vaihinger Kultur am Kelterberg ausgewählt. Vor Kurzem war die Eröffnung, mit spektakulärer Performance.„Was mich interessiert am Menschen, sind die Abgründe, Fehltritte, Krankheiten und die dunkle Seite“, sagt sie. Das ist eher fein und vorsichtig ausgedrückt und passt gut zur kultivierten Erscheinung, dem freundlich zurückhaltenden Auftreten von Amy Hany, die eigentlich Annette Haug heißt. Ihre Freundin, Kollegin und Laudatorin, die Performance-Künstlerin Hannelore Kober, ist da härter und direkter: „Amy Hanys Antlitze schreien, sprechen von Tod und Teufel, bluten aus der Fresse, verhöhnen sich selbst...“

Den Namen bekam sie vom Sohn verpasst

Gar so lang macht sie das noch nicht. Vor ein zwei Jahren erst begann Amy Hany wieder mit dem Malen. Den Namen übrigens hat ihr der Sohn verpasst. Ein Paket mit Schuhen – Vorsicht: Frauenbild! - war von den chinesischen Versendern statt an Anni Haug an Amy Hany verschickt worden und kam an. Der Künstlername war geboren. Annette Haug stammt aus Ulm. An der freigeistigen Merz-Akademie lernte sie Grafikdesign, was ihr bis heute zum bürgerlichen Beruf wurde. Ein Studium der Malerei und der Performance an der Akademie der Künste blieb unvollendet. Dafür trat sie mit Kurzgeschichten und Gedichten auch als Autorin hervor.

Texte sind ihr nicht nur im Titel ihrer Bilder wichtig. Auf den Tuschezeichnungen, von denen einige weniger verfremdete Bildnisse bekannter Gesichter (Sibylle Berg etwa) Amy Hany als hervorragende Porträtistin konventioneller Schule ausweisen, sind Worte, Sätze, Gedichte als Schrift beigefügt.

Vieles weist auf ein Selbstbildnis hin

Es gibt Porträts und Selbstporträts als Acryl-, manchmal auch Ölbilder, mit hartem, grob-kraftvollem Pinselstrich der Neuen Wilden oder des Neo-Expressionismus auf Leinwand gedroschen: ein Doppel „Das fünfte Kind“ nach Doris Lessing, die Revolver-Lady „Baby, du hast mein Atelier nicht sauber geputzt“, Barbie-Puppen-Zerrbilder und groteske Aliens wie in „My sweet little heart“. Immer wieder weist jene leitmotivische Narbe auf der Stirn, die in der Wirklichkeit kaum zu sehen ist, auf ein Selbstbildnis hin.

Und es gibt die Übermalungen. Das können die 30 Übermalungen eines Amy-Hany-Fotos mit Silberperücke sein, die Passanten bei einer Performance schufen; Titelbilder von Yellow-Press-Magazinen mit Royals, mit Sissy (als „Pissy“ verhöhnt), Liz Taylor, Mia Farrow im Horror von „Rosemarie’s Baby“, die gelb-blonden Zombies des Tölzer Knabenchors oder auch Heino samt Gattin Hannelore mit verschmierten Lippen vorm gefräßigen Ekelgebiss und roten Stechaugen hinter der Sonnenbrille - „Für dich soll’s rote Rosen regnen“.

Blut, immer wieder Blut

Die Rosen gibt’s dann als vielfaches Ornament, wie manchmal auch den Totenkopf. Und Blut, immer wieder Blut - ein Barbie- und Heidi-Massaker. Es ist nicht nur die hippe Kommunikations-Guerilla der „Adbusters“ mit ihren illegalen Werbe-Verschandelungen, zu der es da Verwandtschaften gibt. Das Skandalöse von Arnulf Rainers aggressiven Übermalungen klingt an, der sarkastische Zorn mancher Expressionisten, Surrealisten – Amy Hany verehrt Salvador Dalì – und Dadaisten. Auch die Eklats, für die Hans Prinzhorns oder Leo Navratils Ausstellungen der Kunst von Schizophrenen und der Art Brut sorgten, Goyas Alpträume und die frommen Horrorfantasien eines Hieronymus Bosch.

Vielleicht ist, was Amy Hany da seit 2012 mit explosiver Schaffenskraft raushaut, auch feministische Kunst. Auch. Es hat jedenfalls die Kraft eines Orkans und das Zeug zum Skandal. Man muss und wird ihren subversiven Schrei hören.