Das Ordnungsamt will die Obdachlosen hier mit Kunst vertreiben Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Was wird aus der Klett-Passage? Die Idee, Obdachlosen mit Kunstobjekten die Schlafgelegenheiten zu nehmen, stößt auf heftige Kritik. Jetzt hat die Stadt eine Infosperre zum Thema verhängt. Das erzürnt alle Gemeinderatsfraktionen – mit Ausnahme der CDU.

Stuttgart - Mit sperrigen Kunstobjekten in der Klettpassage Obdachlosen die Schlafplätze nehmen – dieses Vorhaben des Ordnungsamts stößt zunehmend auf Kritik. Obwohl sich die Verantwortlichen in der Klett-Passage vergangenen Donnerstag erneut zusammensetzten, um zu überlegen, wie sie die Unterführung attraktiver machen könnten, hat die Stadt allen Beteiligten eine Informationssperre auferlegt.

Das will die Gemeinderatsfraktion der Grünen nicht dulden und hat deshalb für eine der nächsten Sitzungen des Sozial- und Gesundheitsausschusses einen ausführlichen Bericht eingefordert. Außerdem soll künftig auch das Sozialamt in die Vorgänge in der Unterführung mit einbezogen werden.

Auf eine Anfrage der Stuttgarter Nachrichten wollte sich Stadtsprecher Sven Matis zu dem Thema nicht äußern: „Die Stadt wird erstmal keine Auskünfte zum weiteren Vorgehen in der Passage geben.“

"Keine sehr gute Idee"

Eine Informationspolitik, die nun auch Stadträte umtreibt: „Es wäre wirklich angebracht, offensiv an die Öffentlichkeit zu gehen und auch den Gemeinderat in solche Entscheidungsprozesse mit einzubinden“, empört sich Peter Pätzold, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Gemeinderat. „Wie kann es sein, dass beim Thema Obdachlosigkeit das Sozialamt nicht mit an den runden Tisch geholt wird?“, bemängelt er das Vorgehen des Ordnungsamts. In ihrem Antrag fordern die Grünen, dass künftig immer ein Vertreter des Sozialamts an den Sitzungen des Arbeitskreises teilnimmt. „Vorsichtig ausgedrückt“ sei der Gedanke, Kunst dort zu platzieren, wo Obdachlose nächtigen, „keine sehr gute Idee.“

Hans Pfeifer, SPD-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat, fordert ebenfalls mehr Transparenz vom Ordnungsamt. „Einen offenen Diskurs würde ich sehr begrüßen“, sagt er. Die Idee, mit der Kunst gegen Obdachlose in der Klettpassage vorzugehen, hält er für einen „Schnellschuss“, der „nicht ernst gemeint“ sein könne.

Thomas Adler, Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft SÖS/Linke-Plus, kritisiert die Stadt noch schärfer: „Wir fordern schon lange mehr Transparenz von städtischen Behörden. Sie haben kein Recht, sich als Obrigkeit zu fühlen und sind dem Gemeinderat unterworfen!“

Kunstakademie verweigerte sich dem Projekt

Mit klassischer Musik oder dem Einsatz der Ordnungsmacht Randgruppen zu vertreiben bringe nichts, das Problem tauche dann eben woanders wieder auf. Adler lobt die Kunstakademie, die sich nicht für die umstrittenen Kunstinstallationen hergeben wollte: „Gut, dass sich die Kunst für so etwas nicht instrumentalisieren lässt!“ Auch die AfD schließt sich der Schelte für die Stadtverwaltung an: „Das Thema sollte öffentlich diskutiert werden“, findet Fraktionsvorsitzender Lothar Maier.

Einzig die CDU deckt dem Referat von Ordnungsbürgermeister Martin Schairer (CDU) den Rücken: „Die Beteiligten sollen ruhig erst hinter verschlossenen Türen Ideen austüfteln und dann damit an die Öffentlichkeit gehen“, sagt Fraktionsvorsitzender Alexander Kotz. „Solange die Kunst nicht die Laufwege der Reisenden beeinträchtigt, kommen alle Flächen dafür in Frage.“

Ordnungsbürgermeister Schairer hat die Pläne bisher verteidigt und hält diese auch ohne Beteiligung der Kunstakademie für möglich. „Es wäre vorstellbar, das Projekt mit anderen Künstlern zu realisieren“, erklärte er. Grundsätzlich sei es richtig, dass die Klettpassage kein Lagerplatz für Obdachlose sein könne. Schließlich müsse in Stuttgart müsse kein Mensch auf der Straße leben. „Für Obdachlose und Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, bietet die Stadt vielerlei Hilfe an. Zudem gibt es in Stuttgart ein gutes Dutzend Notaufnahmestellen“, sagt Schairer.

Stadtverwaltung, Polizei, die Mietervereinigung in der Klettpassage und die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hatten sich aufgrund des verlotterten Zustands der Passage im März zusammengesetzt, um gemeinsam Lösungen für die Probleme dort zu finden. Bisher sind sie vom Königsweg offenbar noch weit entfernt.