Die Künstlerin Christa Winter in einem Zimmer des Waldhotels Stuttgart Foto: Lichtgut/Piechowski

Darf’s das „Wurzelnest“ sein oder der „Pilzpicker“? Wer im Waldhotel beim Fernsehturm absteigt, kann seinen Schlafplatz nach der Kunst auswählen. Das ist einzigartig in Deutschland.

Stuttgart - Sie lag schon in vielen Hotelbetten. Das ist nicht despektierlich gemeint. Aber eine Künstlerin wie Christa Winter ist gewissenhaft bei ihrer Arbeit. Als die über 100 Bilder ihrer Werkgruppe „Waldrausch“ im Waldhotel Stuttgart aufgehängt wurden, prüfte die gebürtige Duisburgerin horizontal, ob der Blickwinkel des ruhenden Betrachters auf ihre Hirsche, ihre Bäume, ihre Eichhörnchen und abstrakte Waldwelten stimmt. Dazu legte sie sich in jedes einzelne Bett des „Kunst- und Designhotels“, wie die Besitzer Sean und Helga Sorensen (er ein gebürtiger Ire und ehemaliger Tennisprofi), die traditionsreiche Herberge am Waldrand von Degerloch seit dem zweijährigen Umbau nennen. Übernachtungsgäste liegen oft – sie sollen die beste Sicht auf die Kunst haben, die in Hotels nur den zweitbesten Platz erhält. Frontal zum Liegenden hängt für gewöhnlich immer der Flachbildschirm.

Wir treffen uns im Foyer, wo großflächige Werke von ihr die Wände schmücken. Christa Winter hat sich eine Liste mit freien Hotelzimmern besorgt und ist gut gelaunt. Es macht ihr Spaß, mit uns zu einem ungewöhnlichen Waldspaziergang aufzubrechen – es ist eine Führung zu einer über vier Stockwerke verteilten Ausstellungsfläche.

Für die Künstlerin war’s eine große Herausforderung. Nach dem Umbau und der Erweiterung des Waldhotels bekam sie den Auftrag, alle Zimmer mit Unikaten auszustatten. Für Christa Winter, deren Werke unter anderen im Stuttgarter Rathaus hängen und die in vielen Sammlungen vertreten ist, etwa in der Staatsgalerie, beim Daimler, bei Jenoptik und im Kunstmuseum Stuttgart, begann „ein Jahr im Tunnelblick“.

Morgens um 5 Uhr stand sie auf, ging ins Atelier, um bis um 22.30 Uhr ihren „Waldrausch“ auf Büttenpapier zu bringen, ausgeführt mit bildnerischen Techniken wie Öl, Aquarell, Acryl, Pastellkreide, mitunter mit „Floating colours“, mit farbwechselnden Oberflächen. Für Collagen hat sie Vogelfedern verwendet oder sogar Blattgold.

Ihr Respekt für die Kreatur ist größer geworden

Es ist eine Ode an den Reichtum des Waldes. Christa Winter preist die Schönheit der Schöpfung an. „Mein Respekt für die Kreatur ist nach diesen Arbeiten noch größer geworden“, sagt sie, während wir im Aufzug zum nächsten Stockwerk fahren, um in den Zimmern mit unterschiedlichen Motiven auch auf Hirsche zu stoßen. Der röhrende Hirsch gilt als bevorzugtes Motiv des kleinbürgerlichen Zimmerschmucks, für manche ist er der Inbegriff des Kitsches. Christa Winter dreht spielerisch, ja oft witzig das Hirsch-Klischee um und rühmt die Geweihträger ohne falsches Pathos mit großer Bewunderung als bemerkenswerte Geschöpfe.

Wer ihre imposanten Bilder sieht, denkt sich: Es kann nicht der Lebenssinn der stolzen Hirsche sein, vom Jäger abgeknallt zu werden. An ihnen zeigt die Natur ihre üppige Kraft, indem jedes Jahr ein neues, noch größeres Geweih hervorgebracht wird.

Die „Waldrausch-Serie“ ist eine von mehreren Werkgruppen der Künstlerin. Auch bei ihren Farbfeldarbeiten und abstrakten Kompositionen wird der Naturbezug deutlich. Ins Fach der Waldmalerin will sie nicht abgelegt werden. Aber sie will möglichst oft in den echten Wald. Als das letzte Bild im Degerlocher Hotel hing, ging sie zu Fuß durch den Wald nach Sillenbuch ins Atelier, fast berauscht vom Wald- und Wiesenglück. Viele bekannte Persönlichkeiten übernachten in diesem Hotel dicht am Grünen. „Ja, der er ein oder andere lag sicher schon unter mir“, sagt Christa Winter und schmunzelt. Sie meint’s nicht despektierlich. Namen nennt sie nicht. Kunstfreunde halten zusammen und können schweigsam sein.