Viele Schüler tun sich mit dem Lesen schwer und brauchen spezielle Förderung. Foto: dpa

Mit seinem Programm „Lesen macht stark“ hat Schleswig-Holstein im Ländervergleich gepunktet. Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) prüft, ob das Modell aus dem hohen Norden auch für den Südwesten taugt.

Stuttgart - Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) will sich an den Erfolgen Schleswig-Holsteins bei der jüngsten Studie zu Schülerleistungen orientieren. Das Leseförderprogramm „Lesen macht stark“, das in Schleswig-Holstein seit dem Schuljahr 2006/2007 praktiziert wird, hat das Interesse Eisenmanns geweckt. „Das Projekt ,Lesen macht stark‘ bietet einen vielversprechenden Ansatz zur Förderung von Kindern mit Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben“, erklärte Eisenmann auf Anfrage dieser Zeitung. „Ich bin deshalb sehr interessiert an den Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung. Möglicherweise wäre dies auch ein Modell für unsere Schulen“, sagte die Ministerin.

Persönlcihes Gespräch über Projekte

Eine Sprecherin des Kultusministeriums bestätigte auf Anfrage, dass sich Eisenmann beim Direktor des Instituts für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holsteins „in einem persönlichen Gespräch“ über die die Projekte „Lesen macht stark“ und „Mathe macht stark“ informiert habe, ebenso über die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte und die Qualitätsentwicklung.

Eisenmann will die Unterrichtsqualität an den Schulen im Südwesten verbessern. Die baden-württembergischen Schüler waren im jüngsten Ländervergleich des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) beim Lesen und Rechtschreiben auf die hinteren Ränge abgestürzt. Schleswig-Holstein dagegen hatte sich stark verbessert. Das führt der Küstenstaat wesentlich auf die konsequente Umsetzung des Förderprogramms „Lesen macht stark“ zurück, das in der Folge des Pisaschocks etabliert wurde.

Christiane Frauen, die das Projekt leitet, sieht den entscheidenden Vorteil des Projekts darin, dass „konsequent Ressourcen für die Unterstützung derjenigen zur Verfügung gestellt werden, die darauf angewiesen sind“. Das Land stellt zusätzliche Lehrerstunden zur Verfügung, Lehrer werden zu Beratern fortgebildet, Schulleiter und externe Berater entwickeln Konzepte, die dazu führen, dass diese Stunden auch zielorientiert bei den Risikoschülern ankommen, beschrieb Christiane Frauen das schleswig-holsteinische Projekt, das in der fünften Klasse ansetzt.

Mit speziellen Mappen motivieren

Speziell gestaltete Lesemappen sollen die Schüler zum Lesen motivieren. Gelesen wird sowohl in Kleingruppen als auch in den ganzen Klassen. Inzwischen zählt das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig Holstein 200 Schulen, die an dem Projekt „Lesen macht stark“ teilnehmen. Seit Beginn des Projekts wurden nach Angaben des Bildungsministeriums in Kiel 77 000 Schüler speziell gefördert, für ihre Lesemappen gab das Land 814 000 Euro aus.

Auch die Heidelberger Erziehungswissenschaftlerin Anne Sliwka hatte das schleswig-holsteinische Programm bei einer Tagung für Baden-Württemberg zur Nachahmung empfohlen. Die neue Aufgeschlossenheit von Kultusministerin Eisenmann steht in gewissem Widerspruch zur zurückhaltenden Reaktion der grün-schwarzen Landtagsmehrheit auf einen Vorstoß der oppositionellen SPD. Diese hatte sich dafür ausgesprochen, auch im Südwesten ein kontinuierliches Leseförderprogramm zu installieren und war damit gescheitert.

SPD fordert flächendeckendes Programm

Doch der SPD-Bildungspolitiker Daniel Born gibt nicht auf: „wir brauchen ein flächendeckendes Leseförderprogramm, das kontinuierlich und nicht nur punktuell im Rahmen von Wettbewerben und Projekten in den Ferien die Lust am Lesen und die Lesefähigkeit der Kinder fördert“. Der Schwetzinger Abgeordnete bekräftigt, das schleswig-holsteinische Programm könnte ein Vorbild sein. Baden-Württemberg könne durchaus von Schleswig-Holstein lernen, so Born. „Es würde einem kein Zacken aus der Krone brechen, wenn man gute Erfahrungen aus anderen Ländern im Sinne unserer Kinder nutzen würde“.

Auf eine entsprechenden Anfrage Borns hatte sich Eisenmann noch im Januar sehr zurückhaltend geäußert: „Im Bestreben die Qualität im Bildungswesen stetig zu verbessern“, analysiere die Landesregierung auch Förderprogramme anderer Bundesländer, hatte die Ministerin geantwortet. Eine abschließende Bewertung des schleswig-holsteinischen Programms „im Zusammenspiel mit weiteren Maßnahmen zur Sicherung der Unterrichtsqualität“, liege noch nicht vor.

Opposition fürchtet um den Bildungsplan

Die SPD im Landtag wirft der Kultusministerin außerdem vor, sie wolle den neuen Bildungsplan für die Schulen im Land umgehen. Diesen hatte der frühere SPD-Kultusminister Andreas Stoch erst zum aktuellen Schuljahr in Kraft gesetzt. Der Streit dreht sich um die Handschrift, die Grundschüler erlernen sollen und den Zusammenhang zwischen Handschrift und Rechtschreibung.

Die SPD kritisiert, Eisenmann wolle nur die Handschriften zulassen, die im früheren Bildungsplan vorgesehen waren: die lateinische und die vereinfachte Ausgangsschrift. Dem widerspricht Eisenmann deutlich: Das Ziel sei es, „eine individuelle, gut lesbare und in angemessener Geschwindigkeit geschriebene Handschrift zu entwickeln“. Dieses Ziel könne „mit den zur Wahl stehenden Schreibschriften erreicht werden“. Diese Festlegung weiche nicht von den Vorgaben des Bildungsplans 2016 ab. „Dieser wird folglich nicht außer Kraft gesetzt“, antwortet Eisenmann auf eine Anfrage der SPD.