Timo Brunke (links) sucht im Wein die Wahrheit. Holger Gayer sucht die Weine aus. Foto: Lg/Verena Ecker

Beim neunten Cannstatter Kulturmenü nahmen sich Timo Brunke und Holger Gayer der Verbindung von Wein und Poesie an.

Stuttgart - Um die anderen 29 Veranstaltungen im Rahmen des neunten Cannstatter Kulturmenüs nicht herabzuwürdigen, vermied Horst Merkle das Wort Höhepunkt. Auch wenn es dem Macher in diesem Moment auf der Zunge lag. „Das war was ganz Spezielles, da gibt’s nichts Vergleichbares. Absolut gelungen“, drückte er schließlich seine Bewunderung über den Auftritt von Timo Brunke und Holger Gayer aus. Die beiden Meister des Wortes hatten sich in der Roland Ulbrichs Weinwelt die „Affäre rot-weiß“ vorgenommen.

Sprachliche Umschmeichelungen zum Wein, aber auch handfeste Fakten zu dem mal roten und mal weißen Genussgetränk, lieferte das Duo den Besuchern. Wobei die Arbeitsteilung in dem restlos gefüllten Ladenraum in der Spreuergasse schnell klar wurde: Gayer, Weinkolumnist der Stuttgarter Zeitung und Leiter des Lokalressorts, war für die Vorstellung und Einordnung der drei zur Verkostung stehenden Weine zuständig. Brunke, selbst ernannter Slam-Poet, lieferte drei launige Beweisstücke für die seit Urzeiten bestehende Verbindung zwischen Wein und Poesie.

Brunke sucht Glas um Glas nach der Wahrheit im Wein

„Was löst Wein seelisch und philosophisch in mir aus?“, fragte Brunke rhetorisch in die Runde und gab zu Protokoll, dass er „der Wahrheit trinkend auf der Spur war“. Mit jedem Glas Wein sei er „mit Weisheit übergossen“ worden, doch die Wahrheit gefunden habe er bis heute nicht. „Und so such ich Glas um Glas weiter“, hatte Timo Brunke mit diesem Bekenntnis die Lacher des Publikums sicher.

Apropos Wahrheit: Geht es nach Holger Gayer, so „entsteht die Wahrheit beim Wein im Auge des Betrachters“. Oder auf dessen Gaumen. Dafür hatte Gayer zusammen mit Ulbrich drei Weine aus dem Land ausgesucht. Es begann mit einem Travertin Cuvée aus dem Cannstatter Weinfactum. „Der ist sowohl zum Menü als auch zum Vesper geeignet“, findet Gayer, ehe alle Besucher zum ersten Mal kosten durften. Es folgte mit dem Cuvée des Schlossguts Hohenbeilstein ein zweiter Roter. Eine Mischung „mit Ecken und Kanten“, was für Gayer „unheimlich wichtig ist“. Das wahrscheinlich beste Fläschchen - den einzigen Weißwein – hatten sie sich für den Schluss aufbewahrt. Der Steinmergel Riesling des Fellbacher Winzers Markus Heid aus dem, so Gayer, „Jahrhundertjahrgang 2015“ ist mit Auszeichnungen überhäuft worden. „Er hat diese Ehre verdient“, fügt er hinzu.

Poesie, Wein und am Ende sogar noch Gesang

Am Ende waren die Protagonisten so gut drauf, dass sie sich noch als Gesangsduett versuchten. „Obwohl wir das nur einmal zusammen geprobt hatten.“ Aber auch diese „Welturaufführung“ (Gayer) kam gut an beim Publikum. Oder in Horst Merkles Worten: „Das war sprachliche Urgewalt, und doch muss es locker rüberkommen – genau das haben die beiden geschafft.“