Wenn es nach den Händlern geht, sollen bald wieder mehr Menschen durch die Calwer Passage schlendern. Foto: Piechowski

Das Bauwerk der Calwer Passage wurde in die Liste der Kulturdenkmäler aufgenommen – der gläserne Kuppelbau soll wieder attraktiver werden.

Stuttgart - Häufige Wechsel, Leerstände, kaum Kunden. Das waren zuletzt die Markenzeichen der Calwer Passage. Das könnte sich jetzt ändern. Denn die Passage wurde unter Denkmalschutz gestellt – und die Württembergische Lebensversicherung AG hat das 1978 eröffnete Gebäudeensemble verkauft. Erwerber sind die Gesellschaften R 20 GmbH & Co. KG und CS GmbH, die zur Ferdinand Piëch Holding GmbH gehören. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart.

Vor dem Verkauf gab es zähe Verhandlungen, die bereits Anfang 2012 begannen und durch die Diskussion über einen möglichen Denkmalschutz der Passage unterbrochen wurden. Erst zu Beginn des Jahres setzte man sich wieder an einen Tisch. Und kam jetzt zu einem Abschluss.

Davor lag für viele Betroffene eine Zeit zwischen Hoffen und Bangen, für die ansässigen Einzelhändler und deren Kunden. Manche dieser Kunden waren ihren Emotionen oft hilflos ausgeliefert. So wie eine Stammkundin des Ledermoden-Ladens. Immer wenn sie an das drohende Schicksal der Calwer Passage dachte, tupfte die ältere Dame sich verschämt eine Träne aus dem Augenwinkel.

Als Kulturdenkmal muss die Passage erhalten bleiben

Solche Kunden kamen zuletzt immer öfter in den Lederladen von Heike Wasserbäch. Und immer wieder wurde sie nach ihrer und der Zukunft der Calwer Passage befragt. „Es ist doch jammerschade“, seufzte diese Stammkundin, „in Stuttgart wird doch alles Traditionelle tot gemacht. Dabei gibt es keine schönere Ecke als diese.“

Was alle umtrieb, waren die Diskussionen um die Passage. Wann wird sie von der Württembergischen Versicherung an einen Investor verkauft? Wird sie dann plattgemacht? Wird sie nach einem Verkauf saniert? Oder gar unter Denkmalschutz gestellt?

Nach der letzten Sitzung des Städtebauausschusses hat Regierungspräsident Johannes Schmalzl entschieden, die 1978 eröffnete Calwer Passage in die Liste der Stuttgarter Kulturdenkmäler aufzunehmen. Somit muss sie erhalten bleiben.

Bereits lange bevor die Neuigkeiten sich am vergangenen Freitag in der Passage verbreiteten, hatten sich die verbliebenen Händler konstruktiv Gedanken über die Passage gemacht. „Die Stadt würde ein Stück Originalität verlieren, wenn die Passage abgerissen würde“, sagt Heike Wasserbäch, die seit 18 Jahren an diesem Ort Ledermoden verkauft.

Damit hat Wasserbäch etwas geschafft, was vielen anderen nicht gelungen ist: in dieser Passage profitabel zu wirtschaften. Die vielen anderen Läden, die ebenso schnell gegangen wie gekommen sind, scheiterten wohl auch aus fehlendem kaufmännischem Geschick. Ganz sicher aber an den Rahmenbedingungen.

Ideen für die Passage gibt es viele

„Ein Nicht-Stuttgarter findet die Passage doch gar nicht“, sagt Günter Peschanel vom Pfeifen-Archiv: „Der Zugang von der Calwer Straße erinnert doch eher an ein kleines schwarzes Loch als an einen repräsentativen Eingang.“ Wenn nichts gemacht werde, sterbe die Calwer Passage so langsam vor sich hin. Derzeit stehen drei Läden leer. Es sind drei Gründe mehr, nicht durch eine der ältesten Ladenpassagen zu flanieren. Einzelhandels-Experten wissen: In diesem gläsernen Kuppelgebäude, das die Anmutung einer Orangerie hat, ist im Lauf der Zeit die Basis für gute Geschäfte verloren gegangen. Es fehlen Frequenzbringer. Es gibt keinen attraktiven Branchenmix. Die Aufteilung der Ladenstruktur ist zu kleinteilig. Und es gibt schon lange keine koordinierten Marketingaktionen mehr.

„Mensch“, zetert der Zigarren- und Tabak-Fachmann Günter Peschanel, „das war mal eine geile Meile, aber lange ist’s her.“ Zusammen mit seinen Mitstreitern, Heike Wasserbäch und Uwe Kimme vom Treffpunkt Tee, ist er einer Meinung: „Die Calwer Passage darf nicht sterben.“

An guten Ideen für die Zukunft mangelt es den drei Händlern nicht. Kimmig, der Tee-Kaufmann, denkt an eine neue Botschaft. An einen Sammelbegriff, der die Passage im Vergleich zum Umfeld besser positioniert. Im besten Fall an ein Alleinstellungsmerkmal. Er würde den Kunden ein „nostalgisches Erlebnis“ versprechen: „Die Stuttgarter hängen an ihrer Passage. Und sie sehnen sich heute mehr denn je nach Dingen, die bleiben. Ich würde daher auf das Konzept des entschleunigten Einkaufens setzen.“

Heike Wasserbäch geht sogar noch weiter: „Es muss hier wieder ein Café her. Das bringt Atmosphäre und bindet die Leute.“ Zudem müsse die Passage besser beleuchtet werden: „Auch das würde mehr Attraktivität schaffen und würde zum Einkaufen einladen.“ Eine Parole für den Erhalt der Calwer Passage hatte sie sich übrigens auch schon überlegt: „Statt wie beim S-21-Spruch ‚Oben bleiben‘ plädiere ich hier für ,Offen bleiben‘.“

Der neue Besitzer, die Ferdinand Piëch Holding, ließ mitteilen, „die Calwer Passage in Absprache mit der Stadt und dem Denkmalamt wieder zu einer attraktiven Einkaufsdestination zu entwickeln“.