Angela Matthies arbeitet hauptsächlich mit Radierungen. Foto: Fritzsche

Angela Matthies, Studentin an der Kunstakademie, hat den Stöhrer-Preis für Grafik für ihre Radierungen bekommen. Der Wechsel zur Kunst kam erst vor zwei Jahren: davor war sie am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart tätig.

S-Nord - In einem anderen Leben wäre Angela Matthies jetzt dabei, über Philosophie zu promovieren. „Ich habe schon während meiner Schulzeit in Bonn gemalt und gezeichnet“, erzählt sie. Nach dem Abitur hat sie überlegt, sich an Kunsthochschulen zu bewerben. „Irgendwie habe ich mich nicht getraut.“ Also hat sie sich dafür entschieden, Philosophie zu studieren, in München und als Austauschstudentin auch im britischen Oxford. Nach dem Master kam ein Jobangebot an das Institut für Philosophie an der Universität Stuttgart, das sie auch annahm. „Aber das Blickfeld wird bei der Arbeit im wissenschaftlichen Betrieb immer enger“, sagt Matthies. „Ich wollte nicht nur in der Bibliothek sitzen und lesen.“

Die Entscheidung gegen die Philosophie fiel ihr nicht so schwer: Seit 2012 studiert sie Künstlerisches Lehramt an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste. „Das Unterrichten hat mir immer Spaß gemacht; es ist spannend, Wissen zu vermitteln“, sagt Matthies. Und dann die Kunstakademie selbst: „Dieser Ort war Liebe auf den ersten Blick für mich.“ Sie schätzt die Freiheiten, die die Akademie ihren Studenten bietet, etwa, dass die Werkstätten rund um die Uhr genützt werden können. „Ich wohne praktisch hier“, sagt Angela Matthies.

Die Frage nach der Struktur der Welt

Für den Walter-Stöhrer-Preis für Grafik, den Matthies im Juli bekommen hat, hat sie mehrere ihrer Radierungen eingereicht. „Strukturen interessieren mich“, sagt sie, „Strukturen, die sich aus der Tiefe aufbauen und eine Art 3D-Effekt erzielen.“ Sie arbeitet bei ihren Werken mit der sogenannten Strichätzung: Dabei wird mit einer Nadel in die Platte geritzt. Es folgt ein Säurebad, bei dem die eingeritzten Stellen geätzt werden, anschließend dann der Druck von der Platte. „Es ist wichtig, dass man vorher gelernt hat, genau hinzuschauen und zu zeichnen“, erklärt Matthies. Ihre filigranen Darstellungen beinhalten auch Worte und Texte sowie abstrakte und gegenständliche Formen. „Ich frage mich: Hat die Welt eine Struktur, oder sind wir es, die ihr Struktur geben?“ Jeder Betrachter erkennt andere Muster, andere Umrisse in ihren Werken. „Das ist auch so gewollt, und auch immer wieder spannend mitzuerleben“, meint Matthies. Da sie sehr detailliert arbeitet, hat sie es auf ihrer Internetseite eingerichtet, dass man einige ihrer dort eingestellten Werke mit einer virtuellen Lupe betrachten kann. So ist es möglich, jeden Strich nachzuverfolgen.

Die gemeinsame Arbeit mit Kommilitonen in der Werkstatt an der Kunstakademie ist für Angela Matthies sehr wichtig. „Der Austausch und die Anregungen bedeuten mir viel“, sagt die 31-Jährige. „Wir haben hier auch eine nette Truppe beisammen, wir ticken alle ähnlich.“ Das Entstehen einer Radierung sei ein sehr individueller Prozess: „Man zeigt viel von sich. Auch wenn man ein Bild mal versemmelt: dann muss man dazu stehen und lieber analysieren, was schiefgegangen ist.“

Der Preis als Bestätigung für ihr Schaffen

Jedes Werk sei „ein organisches Ding, das wächst“, erzählt die Künstlerin. Auch während des Schaffens macht sie immer wieder Probedrucke der gerade bearbeiteten Platte, um zu sehen, wie die feinen Nadelritzungen herauskommen. In ihrer Serie „Immer gleich und anders“ gibt es nur eine einzige Platte, die Angela Matthies immer wieder bearbeitet. Dabei werden einzelne Stellen weiter gezeichnet, weiter entwickelt, weiter gestaltet. Aus den verschiedenen Stadien hat sie bisher fünf Drucke gefertigt, und das soll weitergehen; weitere sind geplant.

Matthies ist für den Walter-Stöhrer-Preis von ihrem Professor an der Kunstakademie, Alexander Roob, vorgeschlagen worden. „Das ist eine Wertschätzung, die mir viel bedeutet“, sagt sie. „Und natürlich habe ich mich auch über den Preis selbst gefreut.“ Die Auszeichnung gilt ihr auch als Bestätigung, „dass ich auf dem richtigen Weg bin“. Besonders denjenigen Menschen gegenüber, die eher skeptisch waren, was den Wechsel von Philosophie zu Kunst angeht. „ Der Preis ist die Vergewisserung: ja, es war richtig.“