Künstlerin Dagmar Feuerstein arbeitet am liebsten im Beton. Foto: Susanne Müller-Baji

Unverkäuflich: Dagmar Feuerstein fertigt ihre Figuren aus Beton. Ihre Lieblingsstück ist die Büste eines dreijährigen Mädchens. Sie selbst hängt an dieser Auftragsarbeit so sehr, dass sie sich einen zweiten Guss davon angefertigt hat.

Feuerbach - Eine gute Beobachtungsgabe ist alles, was Dagmar Feuerstein braucht, wenn sie „jagen“ geht: Mit Skizzenbuch und Bleistift aber auch mit der Kamera ist sie immer auf der Suche nach Motiven: Die Schwangere, die als Gegengewicht zum Kugelbauch die Hände so typisch in den Rücken stützt. Der Jugendliche, der irgendwie noch unbefangen in die Zukunft blickt. Es sind die ganz alltäglichen Details, die die Künstlerin und Kunsterzieherin interessieren. Und es kommt durchaus vor, dass später ein Familienmitglied eine Pose noch einmal nachstellen muss, damit auch alles stimmt, bis in den Faltenwurf der Kleidung hinein.

Während das im Grunde die Vorgehensweise von Generationen von Bildhauern und Plastikern vor ihr ist, unterscheiden sich die Arbeiten von Dagmar Feuerstein in einem wesentlichen Punkt: Sie fertigt ihre Werke aus Beton. „Wenn die meisten Leute an Beton denken, denken Sie an hässliche 70er-Jahre-Architektur und an ein starres Material – aber das stimmt überhaupt nicht: Beton ist sehr lebendig“, sagt sie und lädt zu eingehender Betrachtung ein: Leicht fleckig ist die Oberfläche im Laufe der Zeit geworden, durchzogen von einem Netz feiner Risse und zusätzlich durch Schichtlinien definiert, wie sie beim Befüllen des noch flüssigen Materials in die Gussform entstehen.

Arbeit nach Fotos und aus Erinnerungen

Ihre Figuren modelliert Dagmar Feuerstein zunächst in Ton und fertigt davon Formen an. Die eigentlichen Beton-Statuetten entstehen in Silikonformen oder in der so genannten „verlorenen Form“, die nur ein einziges Mal verwendet und dann zerstört wird, um an die fertige Figur zu gelangen. „Stellen wie diese hier sind sehr schwierig“, zeigt sie auf die jeweils übergeschlagenen Beine eines Paares, das nebeneinander auf einem Quader sitzt. Unerwünschte Lufteinschlüsse sind bei so insich verschränkten Figuren ein Problem, das sich oft nur über die verlorene Form lösen lässt. Mit einer Silikonform hat Dagmar Feuerstein hingegen bei ihrem unverkäuflichen Lieblingsstück gearbeitet: der Büste eines ungefähr dreijährigen Mädchens, „die kleine Schwester eines Kindergartenfreundes meines Sohnes“, erzählt Dagmar Feuerstein. Die Kind schaut aus braun eingefärbten Augen fast ein wenig trotzig, die Haare werden von Spangen zurückgehalten. Weil Kinder nicht lange Modell sitzen können, hat die Künstlerin überwiegend nach Fotos und manchmal auch aus der Erinnerung gearbeitet.

Porträts seien außerhalb eines Auftrags nahezu unverkäuflich, weil das Besondere im Erinnerungswert der Arbeit liegt, erklärt die Künstlerin. Doch sie selbst hängt an dieser Auftragsarbeit so sehr, dass sie sich einen zweiten Guss davon angefertigt hat. Wie die Kleine selbst auf ihr Porträt reagiert hat, weiß Dagmar Feuerstein übrigens nicht. Aber ihr Abbild in Beton wird auf ewig drei Jahre alt sein und immer ein bisschen trotzig in die Welt blicken. Und damit für seine Familie nicht nur unverkäuflich, sondern auch von unschätzbarem Wert sein.