In sechs Fällen urteilen Landgerichte zugunsten der Bausparkassen Foto: dpa-Zentralbild

Immer mehr Bausparer gehen gerichtlich gegen die Kündigung ihres Bausparvertrages vor. In sechs Fällen haben Landgerichte zu Gunsten der Bausparkassen geurteilt. Für Verbraucherschützer ist das nur ein Etappensieg, die Institute sehen sich bestätigt.

Stuttgart - Dreimal Mainz, einmal Aachen, zweimal Hannover: Schon in sechs Verfahren vor diesen Landgerichten sind Bausparer unterlegen, die sich gegen die Kündigung ihres Bausparvertrags gewehrt haben. In allen Fällen haben Bausparkassen die Kündigung damit begründet, dass der Vertrag seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif war, die Kunden das Darlehen aber bisher nicht in Anspruch genommen haben.

Verbraucherschützer halten die Argumentation der Bausparkassen für verfehlt. Sie raten Bausparern in diesen Fällen nach wie vor, gegen die Kündigung vorzugehen. Doch wie ist es einzuordnen, wenn ein Landgericht nach dem anderen im Sinne der Bausparkassen urteilt?

Verbraucherschützer wie Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg und Verbraucheranwälte wie Tobias Pielsticker, Münchener Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, sind von den bisherigen Urteilen nicht beeindruckt. „Landgerichte entscheiden im Bereich des Bankrechts fast immer zugunsten des Stärkeren – also zugunsten des Unternehmens“, sagt Pielsticker aus langjähriger Erfahrung als Verbraucheranwalt. Eine Korrektur dieser Rechtsprechung sei häufig erst durch den Bundesgerichtshof zu erwarten. Pielsticker erklärt die Tendenz damit, dass es leichter sei, eine Klage abzuweisen, als ihr stattzugeben. Das gelte vor allem, wenn Neuland betreten werden muss. Richter orientierten sich zudem gerne an dem, was Kollegen machen. „Damit vervielfacht sich ein übereiltes Urteil“, sagt der Verbraucheranwalt.

Das Landgericht Stuttgart nimmt Pielsticker von dieser Einschätzung ausdrücklich aus. Es entscheide häufig gegen den Trend der Landgerichte. Jüngstes Beispiel: das Verfahren gegen die Bausparkasse Wüstenrot, das kürzlich in einem Vergleich endete. Nach Auskunft von Verbraucherschützer Nauhauser, der bei der mündlichen Verhandlung anwesend war, habe sich der Richter skeptisch darüber geäußert, ob sich die Bausparkasse bei der Kündigung auf Paragraf 489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) berufen kann. Dies sei ein „positives Signal für die betroffenen Verbraucher“, sagt Nauhauser.

Bausparkassen, die Verträge zehn Jahre nach Zuteilung kündigen, stützen sich auf Paragraf 489. Dabei deuten sie den Bausparvertrag in der Sparphase als Darlehen des Bausparers an das Institut. Erst in der Darlehensphase kommt es zum Rollentausch: der Kunde wird zum Darlehensnehmer und die Bausparkasse zum Darlehensgeber, wie es technisch heißt. Festverzinsliche Darlehen können laut BGB nach zehn Jahren gekündigt werden.

Die Skepsis des Stuttgarter Gerichts deckt sich im Wesentlichen mit der Auffassung der Verbraucherzentrale, sagt Nauhauser. Im BGB werde darauf abgehoben, dass ein Darlehensvertrag nach Ablauf von zehn Jahren nach dem „vollständigem Empfang“ gekündigt werden könne. Bei einem zuteilungsreifen Bausparvertrag aber sei das Darlehen an die Bausparkasse noch nicht vollständig ausgezahlt. Denn: Der Bausparer kann nach den Bedingungen des Vertrags weiterhin Sparraten überweisen. „Weitere Sparleistungen sind nichts anderes als eine weitere Darlehensgewährung des Bausparers an seine Bausparkasse“, so Nauhauser.

Mögliche Auswirkungen für die Zukunft

Würden sich die Bausparkassen mit ihrer Argumentation durchsetzen, könne das auch für die Zukunft Auswirkungen haben, befürchtet Niels Nauhauser. Er nennt ein Beispiel: Wer mit 16 den Vertrag abschließt, ist etwa 23 Jahre, bis der Vertrag zuteilungsreif ist. Der Bausparer müsste dann spätestens bis zum Alter 33 das Bauspardarlehen in Anspruch genommen haben, sonst läuft er Gefahr, dass die Bausparkasse den Vertrag kündigt. „Über viele Jahre galt das Versprechen, dass Verbraucher sich mit einem Bausparvertrag ein zinsgünstiges Darlehen auf Vorrat sichern könnten. Dieser Charakter ginge zu einem guten Teil verloren, falls sich die Auffassung der Bausparkassen bestätigen sollte“, sagt Nauhauser.

Dass sich der Wind zugunsten der Verbraucher drehen könnte, darauf deutet aus Sicht von Pielsticker auch ein Fachbeitrag in der „Zeitschrift für Wirtschaftsrecht“ hin, der vor kurzem erschienen ist und sich mit der Kündigung von Bausparverträgen beschäftigt, die für die Institute unrentabel geworden sind. Der Autor und Jurist Christoph Weber, Mitarbeiter der Juristischen Fakultät in München, argumentiert, die Bausparkassen hätten es versäumt, in ihren Allgemeinen Bausparbedingungen wirksame Ausstiegsklauseln zu vereinbaren für „prinzipiell voraussehbare“ Zinsschwankungen. Die Verhältnisse würden buchstäblich auf den Kopf gestellt, wenn man versuchte, die Kündigungsrechte nach Paragraf 489 zum Schutz der Bausparkasse gegenüber dem Bausparer zu instrumentalisieren. Der Gesetzgeber habe sich den Darlehensnehmer als schwächere, besonders schützenswerte Vertragspartei vorgestellt und ihm zu „Waffengleichheit“ im Verhältnis zum Darlehensgeber verhelfen wollen, von dem angenommen wurde, dass es sich regelmäßig um ein Kreditinstitut handeln würde.

Letztlich, ist Verbraucheranwalt Pielsticker sicher, werde der Bundesgerichtshof entscheiden, ob eine Kündigung rechtens ist – „und es spricht viel dafür, dass er im Sinne der Bausparer entscheiden wird“. Rund 200 000 Bausparverträge sind nach Medienberichten von Kündigungen betroffen, weil mehr als zehn Jahre nach Zuteilung kein Darlehen in Anspruch genommen wurde. Eine genaue Zahl gibt es nicht. Etwa 250 Bausparer sind bisher vor Gericht gezogen.