Mitglieder des Ku-Klux-Klan (Symbolbild) Foto: EPA

In einem Internet-Chat tauschen sich zwei V-Männer des Verfassungsschutzes aus – über Hammerskins und Waffen. Was sie nicht wissen: Auch ihre Bezugspersonen spitzeln für die Inlandsgeheimen.

Stuttgart - Auf Fotos gibt Mirko Hesse den Knallharten. Da zielt er mit einer russischen Kalaschnikow auf den Betrachter. Den Körper in eine Uniform gepresst, die an die eines deutschen Panzerkommandanten im Zweiten Weltkrieg erinnert. Im Hintergrund pappt die Hakenkreuzflagge an der Wand. Auf dem linken Arm prangen Wappen und der Schriftzug „Hammerskins“ – eine internationale Organisation militanter Neonazis, die in Deutschland nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamts 193 Mitglieder haben soll.

Unter ihnen Hesse aus Neustadt im Lausitzer Bergland. Der gründete 1993 die Radikalentruppe in Sachsen. Und zog seine Strippen bis nach Baden-Württemberg – wie am 15. Mai 2000. An diesem Montag chatteten in der Nähe von Schwäbisch Hall der V-Mann „Radler“ des Südwest-Verfassungsschutzes, Achim Schmid, und der V-Mann „Corelli“ der Bundesgeheimen, Thomas Richter, miteinander im Internet. Beide diskutierten den Streit, den Ku-Klux-Klan-Mann (KKK) Schmid mit „Hammerskins aus Mitteldeutschland“ hatte.

Bei der Abrechnung eines Rechtsrock-Konzertes hatte es Unregelmäßigkeiten gegeben. Die militanten Neonazis „sind sehr sauer“, heißt es in einem Dokument des Bundesamts für Verfassungsschutz. Im Internet kamen Schmid und Richter dann auch auf den Anführer der sächsischen Hammerskins, Mirko Hesse, zu sprechen. Richter beruhigte Schmid: Er kenne Mirko bereits seit zehn Jahren. Was der BfV-Spitzel „Corelli“ jedoch nicht wusste: Auch sein Kumpel Mirko spionierte für den deutschen Inlandsgeheimdienst. Unter dem Decknamen „Strontium“ wurden die Informationen in Köln abgelegt, die Hesse zwischen 1999 und 2003 lieferte. In einem Interview rühmte er sich seiner guten Kontakte zum KKK.

Nur einmal trat die Skinhead-Band öffentlich auf

In genau der Zeit, in der der Sachse zugleich die CDs der Berliner Rechtsrock-Gruppe „Landser“ produzierte. Ein Trio, das im Untergrund grölte. Nur einmal trat die Band öffentlich auf. Die CDs der Skinhead-Barden wurden im Ausland gepresst und nach Deutschland geschmuggelt. Wie die 2000 erschienene Scheibe „Ran an den Feind“: Auf ihr riefen die „Landser“ zur Gewalt gegen den Bundestag und zu Bomben auf Israel auf. Bei einer Hausdurchsuchung fanden Ermittler eine geladene Halbautomatikpistole bei Hesse. Kurz zuvor hatte er eine CD produziert, auf der dazu aufgerufen wurde, den damaligen Vize des Zentralrats der Juden, Michel Friedmann, und die CDU-Politikerin Rita Süssmuth zu ermorden.

Die Gewaltfantasien Hesses passten zu dem, was in den Maitagen 2000 auch im beschaulichen Schwäbisch Hall diskutiert wurde: Fünf Tage vor dem Hammerskin-Chat hatten sich Schmid und Richter im Internet über Waffen ausgetauscht. Schmid war kurz vor der Unterhaltung in den Niederlanden wegen illegalen Waffenbesitzes vorübergehend festgenommen worden. Während der Unterhaltung fiel auch der Name „Manole“. Hinter dem verbarg sich der BfV-Spitzel „Primus“, Ralf Marschner. Der, so legen Zeugenaussagen nahe, versuchte sich Ende der 1990er Jahre als Waffenbeschaffer mit Kontakten zur mutmaßlichen Rechtsterrorgruppe NSU: 1998 habe er zusammen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach deren Abtauchen ein Fußballturnier in Ostthüringen besucht.

Das, wie aber auch die Bezüge des Kapuzenduos Richter und Schmid zu der ostdeutschen Radikalentruppe um Mirko Hesse, ist den Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschusses bislang unbekannt. Akten dazu wurden noch nicht beigezogen. Die Dokumente des BfV beweisen auch: Die bislang von den baden-württembergischen Abgeordneten befragten KKK-Mitglieder hatten erstaunliche Erinnerungslücken bei ihren Aussagen vor dem NSU-Ausschuss. Weder die Ex-Frau Schmids noch sein Stellvertreter in der Rassistentruppe berichteten über die Inhaftierung des KKK-Chefs in den Niederlanden wegen illegalen Waffenbesitzes, über dessen Verbindungen mit den sächsischen Hammerskins und den beiden BfV-Spitzeln „Primus“ und „Strontium“.