Jürgen Gesierich würde der Natur lieber raum und Zeit lassen, statt ständig korrigierend einzugreifen. „Das wäre nachhaltig“. Foto: Georg Linsenmann

Für die Krötenwanderung wird der Blankensteinweg gesperrt. Jürgen Gesierich hat diese Rettungsaktion vor gut zehn Jahren selbst initiiert. Er plädiert dafür, alternative Lösungen nicht zu blockieren.

Mühlhausen - Ein grauer Morgen am Tümpel beim alten Sandfang. Von den Hängen des Eschbachwaldes tönt der Buntspecht. Das Rotkehlchen zwitschert, der Zaunkönig gibt kräftig Laut. Unter der Krume der Hangwälder spitzen Scharbockskraut und Buschwind-Röschen, Blaustern und die eiszeitliche Scilla-Lilie hervor. Prächtige Frühblüher, die den bald ausschlagenden Laubbäumen zuvorkommen müssen.

Miniaturnachbau des einstigen Feuerbaches

Im Unteren Feuerbachtal stehen die Zeichen also ganz auf Frühlingserwachen. Ein Mäusebussard kreist über der Talaue. Und wie bestellt, lässt sich dort, wo jetzt Kröten, Laubfrosch und Bergmolche erwartet werden, ein Graureiher nieder und stochert nach dem zweiten Frühstück: Natur pur, direkt vor der Haustüre des von Lärm und Tempo gestressten Städters. Eine Idylle.

Ein Wässerle, das sehr oft versiegt

Jürgen Gesierich schüttelt den Kopf, jedenfalls mit Blick auf den Tümpel am Schluss des renaturierten Abschnittes des Feuerbaches: „Das ist eine Schein-Idylle.“ Schon von Renaturierung des Feuerbaches zu sprechen, sei ein Witz. Die nackte Betonrinne, vom „Reichsarbeitsdienst“ im letzten Drittel der 1930-er Jahre in den Rand des Tales gefräst, besteht weiter. Das mäandernde Rinnsal in der Mitte der Talaue sei nur eine Art Miniatur-Nachbau des einstigen Feuerbaches. Gespeist von einer Extra-Leitung, die dem Feuerbach am Westrand von Botnang acht Liter in der Sekunde abzwacken darf. Ein Wässerle, das am Schlusspunkt den Krötentümpel füllt. Und in trockenen Jahren immer wieder versiegt.

„Der Pflegeaufwand ist enorm“

Das ganze Idyll also nur ein Stück inszenierte Natur? Ein naturromantisches Mini-Disney? Jürgen Gesierich – als ehrenamtlicher Naturschutzwart mit der alljährlichen Kröten-Rettung betraut – gefällt die Bezeichnung. Und er kennt die Vorgeschichte: „Diese sogenannte Renaturierung ist 1991 erfolgt, als Ausgleichsmaßnahme für die Umfahrung von Untertürkheim/Fellbach. Es ist die Pseudo-Erweckung eines Toten. Und biologisch passiert fast nichts. Außer ein paar Krüppelmücken, die auch noch stechen. Den Feuerbach als solches gibt es hier nicht mehr. Stattdessen haben wir jetzt jedes Jahr dieselben Probleme am Bein, als Folge einer durch künstlichen Eingriff in die Natur explodierten Amphibien-Population.“

Gesierich zeigt dabei auch auf „den erbärmlichen Zustand“ des Tümpels samt angesammeltem Müll, auf den partiell zugewachsenen Zufluss und den vergrasten und verschlammten Bypass, der überschüssiges Wasser um den Tümpel herumführen und so ein Ausschwemmen der Kaulquappen verhindern soll: „Der Pflegeaufwand ist enorm. Hinzu kommen die Kosten für die täglich neu zu bestimmende, temporäre Sperrung des Verbindungsweges nach Zazenhausen. Je nach witterungsabhängiger Kröten-Aktivität.“

Keine Rede von „Luxus-Kröten“

Der Natur Raum und Zeit lassen

Von „Luxus-Kröten“ will Gesierich aber nicht reden. Zum einen, weil es hier um eine „relevante Menge“ geht. Zum anderen hat er vor gut zehn Jahren die Rettungsaktion selbst initiiert: Wegen „der Unzahl totgefahrener Tiere, platt wie Pfannkuchen“. So findet sich der Naturschützer in einem „unlösbaren Zwiespalt“: „Wir müssen den Amphibien schon aus ethischen Gründen den Weg frei halten.“ Resignieren will er nicht, denn Gesierichs Kritik hat auch eine prinzipielle Stoßrichtung. Schließlich weiß er, dass solche „Ausgleichsmaßnahmen“ gesetzlich vorgeschrieben sind: „Das macht den Blödsinn aber nicht geringer. Wir hatten mit dem BUND vorgeschlagen, eine Feuchtwiese entstehen und der Natur ihren Lauf zu lassen.“ Dass aktuell von Zazenhausen her „derselbe Blödsinn“ ins Werk gesetzt werden soll, findet Jürgen Gesierich „schlicht unterirdisch“. So plädiert er dafür, alternative Lösungen nicht zu blockieren. „Auch nicht von Amts wegen. Stattdessen sollten wir der Natur Raum und Zeit lassen. Nur so entstehen natürliche Gleichgewichte. Das wäre nachhaltig. Auch für die Kröten.“