Leichte Wolken über dem Flughafen Stuttgart: In den letzten Jahren war auf dem Vorfeld und der Startbahnmanchmal weniger Betrieb, als den Flughafen-Chefs lieb war – andererseits gibt es jetzt noch Entwicklungsspielraum Foto: FSG

Der Bund halte seine schützende Hand über die Lufthansa, greife damit in den Wettbewerb der Fluggesellschaften ein und füge dem Standort Baden-Württemberg damit massiven Schaden zu. Das sei absolut nicht in Ordnung, sagt der Stuttgarter Flughafen-Chef Georg Fundel.

Stuttgart – Herr Fundel, die Weihnachtsferien stehen vor der Tür. Wie laufen die Geschäfte?
Wir sind sehr zufrieden. Der Flughafen steht glänzend da, wir rechnen in diesem Jahr mit einem Gesamtpassagieraufkommen von etwa 9,6 Millionen Fluggästen.
Und welche Perspektive gibt Ihnen Grün-Rot für die Entwicklung des Flughafens?
Wenn man fragt, wohin die Reise mit dem Flughafen in den nächsten Jahren geht, gab es bisher keine schlüssige Antwort. Grundsätzlich bin ich aber überzeugt, dass der Aufsichtsrat mit Verkehrsminister Winfried Hermann an der Spitze und wir als Geschäftsleitung ähnlich unterwegs sind – mit der Ausnahme des Themas Stuttgart 21. Ich bleibe bei unserer Haltung, wonach wir Stuttgart 21 brauchen. Deshalb beteiligen wir uns ja auch an den Kosten mit rund 360 Millionen Euro. Für uns ist Stuttgart 21 ein weiterer Baustein, um optimal an das überregionale Schienennetz der Bahn angebunden zu werden. Das gilt im Übrigen auch für die Gäubahn. Wenn der Flughafen davon abgehängt wird, wäre eine qualitativ gute Anbindung der Schweiz über den Schwarzwald nicht mehr möglich.
Wie sehen Ihre Pläne aus, damit der Flughafen langfristig im internationalen Wettbewerb noch bestehen kann?
Wenn Sie unsere Verkehrsentwicklung analysieren, hatten wir 2007 unser Allzeithoch mit 10,3 Millionen Passagieren; wir waren nahe an der Kapazitätsgrenze. Durch die Weltwirtschaftskrise, von der der Flughafen Stuttgart extrem betroffen war, haben wir dann aber über eine Million Passagiere verloren. Inzwischen liegen wir mit jährlich etwa 9,6 Millionen Passagieren über dem Niveau von 2005. Das schafft neue Möglichkeiten.
Welche sind das?
Zuerst muss man darauf hinweisen, dass wir eine Sonderstellung haben, die es uns nicht leicht macht. Es gibt nirgendwo in Europa einen Flughafen, der so eng umgeben ist von drei großen Drehkreuzen, nämlich Frankfurt, München und Zürich. Alle drei fischen in unserem Einzugsgebiet, das etwa bei zwei Stunden Anreisezeit und einer Entfernung von 200 Kilometern liegt. Wir haben also einen maximalen Wettbewerb, zumal die Lufthansa alles dafür tut, dass niemand in ihrem Teich räubert, sprich: Geschäfte macht. Nehmen Sie das Beispiel New York: Das Angebot aus Frankfurt, München und Zürich dorthin ist so groß, dass dazwischen keine Lücke für andere Flughäfen wie Stuttgart ist. Für Baden-Württemberg ist diese Entwicklung aber schlecht, denn wir haben viele Unternehmen im Land, die über New York andere Ziele in den USA und Südamerika erreichen wollen. Nun aber müssen sie ausweichen, was Zeitverlust bedeutet.
Mit welchen Konsequenzen?
Wir sind ein Flughafen, der bisher vor allem Ziele in Europa bedient, was exzellent funktioniert. Es ist aber auffällig, dass gerade Chinesen und Amerikaner, die hierzulande zukunftsorientierte Arbeitsplätze ansiedeln wollen, eher nach München oder Frankfurt gehen, weil sie dort bessere Verbindungen in alle Welt vorfinden. Aber unser Ziel ist es, von Stuttgart aus alle Drehkreuze in der Welt anzufliegen. Da kommt uns die Flugzeugentwicklung entgegen, weil es Maschinen wie den A 350 gibt, mit denen man von Stuttgart problemlos nach Peking kommt. So etwas wollen wir auch mit Schanghai und Peking schaffen. Auch Mumbai in Indien streben wir an. Die Verbindung zum Umsteigeflughafen Istanbul läuft schon sehr gut. Katar, Dubai und Abu Dhabi anzusteuern ist für uns ebenfalls ein Muss.
Mehr Flugverkehr aus Stuttgart wird Grün-Rot aus Gründen des Lärm- und Naturschutzes aber kaum gefallen.
Da sind wir in der Tat anderer Auffassung als die Landesregierung. Grün-Rot legte in der Koalitionsvereinbarung fest, dass man innerdeutsche Ziele bitte mit dem Zug anfahren möge. Wenn das Realität würde, wäre für uns ein Drittel der Passagiere verloren. Als Geschäftsführer des Flughafens kann ich das nicht gutheißen. Deshalb sage ich klar: Unsere Passagiere müssen alternative Angebote haben. Je mehr, umso besser.
Brauchen Sie dafür einen größeren Flughafen?
Nein. Das Thema einer zweiten Startbahn ist definitiv abgehakt, weil die Nachbarflughäfen in den vergangenen Jahren konsequent ausgebaut wurden. Stuttgart wird mit der bestehenden Infrastruktur, neuen Zielen, Zuwächsen auf den existierenden Strecken und dem entsprechenden Fluggerät vielleicht einmal auf 20 Millionen Passagiere wachsen können, mehr aber nicht.
Die Unternehmen hätten gerne mehr Flugziele in aller Welt im Angebot.
Das kann ich nachvollziehen, immerhin ist Baden-Württemberg nach wie vor ein prosperierendes und exportorientiertes Wirtschaftsland. Aber die Ausweitung ist stets auch eine strategische Frage, bei der die Politik mitredet. Nehmen Sie das Beispiel Emirates. Die würden lieber heute als morgen Stuttgart anfliegen, und sowohl Verkehrsminister Hermann als auch Ministerpräsident Kretschmann haben uns in Berlin massiv unterstützt, damit die Airline Stuttgart in ihren Flugplan aufnehmen kann. Aber das ist bekanntlich am Widerstand von Bund und Lufthansa gescheitert.
Stuttgart bleibt also ein Landesflughäfele?
Nein. Wir haben es nun mit einer anderen arabischen Airline, nämlich Etihad, geschafft, das Tor in die Welt weiter aufzustoßen. Etihad hat zwar keine Verkehrsrechte erhalten, Stuttgart direkt anzufliegen. Aber dafür haben wir erfolgreich ein anderes Modell erarbeitet. Ab nächsten Montag wird Air Berlin als Partner von Etihad täglich die Strecke Stuttgart–Abu Dhabi fliegen. Das eröffnet neue Möglichkeiten für den Standort Baden-Württemberg, gerade im Bereich des Gesundheitstourismus. Wir sind deshalb mit Hotels und Krankenhäusern im Land ständig im Gespräch.
Warum ist die Ansiedlung ausländischer Airlines denn so schwierig?
Flughäfen sind Ländersache, die Verkehrsrechte der Fluggesellschaften aber regelt der Bund. Und es ist nun mal ein offenes Geheimnis, dass der Bund seine schützende Hand über die Lufthansa hält. Emirates fliegt zum Beispiel dreimal am Tag Frankfurt und zweimal am Tag München an. Und beide sind der Meinung, Stuttgart braucht keine Emirates. Politisch wird hier der Wettbewerb behindert, was absolut nicht in Ordnung ist und Baden-Württemberg massiv schadet. Das wäre so, als wenn ein Konzern wie Daimler die Bundesregierung bitten würde, dass in Deutschland keine oder nur Kontingente von asiatischen Autos verkauft werden dürften.
Wie ist das Problem dauerhaft zu lösen?
Die Märkte verändern sich derzeit dramatisch. Nehmen Sie als Beispiel Ryanair, die zum Beispiel von Lufthansa stets sehr kritisch bewertet wird. In der Zwischenzeit hat Ryanair aber 82 Millionen Passagiere, fliegt 180 Ziele an und macht gute Geschäfte. Zum Vergleich: Lufthansa fliegt weltweit 225 Ziele an, hat 76 Millionen Passagiere und verlangt Ticketpreise, die teilweise bis zu vier- bis fünfmal so hoch sind wie bei Ryanair. Was das heißt? Ryanair ist um ein Vielfaches produktiver und damit preislich wettbewerbsfähiger. Das Management der Lufthansa hat das schon lange erkannt und möchte gegensteuern, die dort aktiven Spartengewerkschaften verfolgen für ihre jeweilige Klientel leider eine andere Richtung. Wir in Stuttgart starten nun im Frühjahr mit Easyjet, einer absolut leistungsfähigen Airline. Damit wird auf Lufthansa und Germanwings nochmals neuer Druck zukommen, weil der deutsche Luftverkehrsmarkt weiter aufgemischt wird. Das kann für die Kunden nur gut sein.