Gehören in ein Zeugnis auch Noten? Der Glaubensstreit darüber schwelt seit vielen Jahren Foto: dpa

Die Gemeinschaftsschulen sind stolz darauf, dass sie ihre Schüler nicht mit Noten unter Druck setzen. Die relativ neue, noch immer umstrittene Schulform gerät damit aber in Wirtschaftskreisen in die Kritik. Und auch die zuständigen Ministerinnen fordern ein Umdenken.

Stuttgart - Die Zeugnisse von Gemeinschaftsschülern, die sich auf eine Ausbildungsstelle bewerben, kommen nicht bei allen Betrieben gut an. Laut Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) haben sich schon mehrfach Firmen bei schulenihr über die mangelnde Aussagekraft und Vergleichbarkeit beklagt. Im Unterschied zu den anderen Schularten bekommen Gemeinschaftsschüler nur im Abschlusszeugnis Noten – davor nur auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern. Damit soll der Leistungsdruck gesenkt werden.

Plädoyers für Noten

Dieser Ansatz hat zur Folge, dass sich viele Schüler, die vor dem Abschluss stehen, nur mit einem „Lernentwicklungsbericht“ bei Betrieben bewerben. Die aber können damit – trotz einer Übersetzungshilfe des Landes - zum Teil wenig anfangen. Hoffmeister-Kraut fordert daher, dass auch die Gemeinschaftsschulen das herkömmliche Notensystem übernehmen. „Nur so haben unsere Betriebe eine verlässliche Richtschnur“, sagte sie unserer Zeitung. „Hohe Transparenz und eine gute Vergleichbarkeit des Lern- und Leistungsniveaus sind für unsere Wirtschaft zentral, um geeignete Nachwuchs-Fachkräfte zu finden“, so Hoffmeister-Kraut weiter. „Unser Notensystem hat sich bewährt und sollte über alle Schularten hinweg Anwendung finden. Nur so haben unsere Betriebe eine verlässliche Richtschnur.“

„Blumige Formulierungen“

Bei Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) stößt die Kritik auf offene Ohren. „Aus meiner Sicht sind blumige Formulierungen keine Alternative zur klaren Aussagekraft von Noten“, sagte sie. Insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Befunde von Studien wie dem IQB-Bildungstrend, bei dem Baden-Württemberg abgestürzt ist, halte sie qualifizierte, konsequente und klare Leistungsrückmeldungen an die Schülerinnen und Schüler für unabdingbar, so Eisenmann. „Diese Rückmeldungen identifizieren Stärken und Schwächen und sind Grundlage dafür, dass Kinder und Jugendliche zielgerichtet gefördert werden können.“ Schule müsse leistungsorientiert sein, so Eisenmann. „Und Noten sind ein bewährtes Mittel, um Leistungen darzustellen und anderen eine Einschätzung dieser Leistungen zu ermöglichen.“ Darüber hinaus sollte die Bedeutung von Noten für die Motivation der Schüler ihrer Ansicht nach nicht unterschätzt werden. „Sie geben Schülern Rückmeldung und Eltern Orientierung und sind die Grundlage für eine zielgerichtete Förderung.“

Gemeinschaftsschulen verteidigen ihr System

Der Verein für Gemeinschaftsschulen will hingegen an der bisherigen Praxis festhalten. Die Lernberichte seien vielleicht ein Mehraufwand für Personalabteilungen, so sein Vorsitzender Matthias Wagner-Uhl. Aber dieser Aufwand lohne sich, weil die Berichte aussagekräftiger und gerechter seien als Noten. Noten würden nur eine „Scheinvergleichbarkeit“ schaffen, so Wagner-Uhl. Noten seien weder gerecht noch aussagekräftig. Es wäre seiner Ansicht nach daher ein Rückschritt, wenn die Gemeinschaftsschulen wieder verstärkt Noten vergeben würden.

Erste Abschlüsse

Die Gemeinschaftsschulen wurden von Grün-Rot 2012 ins Leben gerufen. Dort sollen schwache und starke Schüler gemeinsam lernen. Die ersten der 50 000 Schüler haben einen Hauptschulabschluss, 2018 wird es an den 300 Schulen im Südwesten die ersten Realschulabschlüsse geben. Dann werden auch die ersten Oberstufen eingerichtet.