Ärzte und Schwestern arbeiten im OP Hand in Hand. Ihre Löhne steigen, die Vergütungen halten damit aber nicht Schritt: Die Folge ist ein schwieriger Spagat für die Krankenhäuser. Foto: dapd

Verband der Krankenhäuser verlangt von Berlin bessere Finanzierung – Verweis auf Kassen-Milliardenrücklagen.

Stuttgart - Die Politik in Berlin will den Krankenhäusern mit 300 Millionen Euro helfen, die durch Tariferhöhungen klaffende Personalkostenlücke zu schließen. Doch die Dankbarkeit hält sich in Grenzen. Die Kliniken in Stuttgart beklagen, dass der Betrag nicht ausreicht. Vielmehr drehe die Politik weiter an der Sparschraube.

Was von Berlin als Wohltat verkauft wird, ist für Stuttgarts Krankenhausbürgermeister Wolfgang Wölfle nicht mehr als eine „vollmundige Erfolgsmeldung“. Die vermeintliche Wohltat werde vielmehr im „Kleingedruckten“ der Realität sofort wieder kassiert. Benachteiligt seien dadurch alle Kliniken, die kommunalen ebenso wie die freigemeinnützigen und die privaten, sagt Wölfle in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Verbandes der Stuttgarter Krankenhäuser,dessen 20 Häuser mit etwa 10.000 Mitarbeitern und 5342 Betten pro Jahr etwa 180.000 Patienten stationär versorgen.

„Das geht zu Lasten der Mitarbeiter und der Patienten“

Einig sind sich die Verantwortlichen aller Krankenhäuser in Stuttgart, dass die in Berlin „angekündigte halbherzige Tarifhilfe lediglich einen Bruchteil der tatsächlichen Lohnkostensteigerungen abdeckt“. Dadurch würde sich der Rationalisierungsdruck in den Krankenhäusern weiter erhöhen. „das geht zu Lasten der Mitarbeiter und der Patienten“, sagt Wölfle.

Bei einer Pressekonferenz im Stuttgarter Rathaus erinnerte Monika Röther, die Geschäftsführerin des Marienhospitals und stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Stuttgarter Krankenhäuser, daran, dass die Kliniken 2010 angesichts der schwierigen finanziellen Lage der Krankenkassen einen erheblichen Sparbeitrag geleistet hätten. „Vom anschließenden Wirtschaftsaufschwund haben die Kassen stark profitiert“, sagt Röther und erinnert an einen dort aufgelaufenen Überschuss von bis zu 20 Milliarden Euro.

Die jüngsten Tarifabschlüsse erschweren die Situation

„Den Sparbetrag der Krankenhäuser wollen wir zurück“, fordert Röther und erhält Unterstützung von Ralf-Michael Schmitz, dem Geschäftsführer des kommunalen Klinikums Stuttgart. Der beziffert den Sparbeitrag der 2064 Krankenhäuser in der Bundesrepublik im Jahr 2011 auf 1,3 Milliarden Euro. Die Auswirkung dieser Sparanstrengung habe zu einer massiven Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage aller Kliniken geführt. Schrieben im Jahr 2010 etwa 20 Prozent aller Krankenhäuser in Deutschland rote Zahlen, so sei deren Anteil nach einer repräsentativen Umfrage 2011 auf 43 Prozent gestiegen. 2012 werde die Quote weiter auf 46 Prozent steigen.

Erschwert wird die Situation der Kliniken durch die jüngsten Tarifabschlüsse. Im Landesdurchschnitt steigen die Lohnkosten nach Angaben von Schmitz um durchschnittlich 3,2 Prozent, gegenfinanziert seien lediglich 1,48 Prozent. Allein daraus ergebe sich für das kommunale Klinikum eine Finanzierungslücke für das laufende Jahr von 2,3 Millionen Euro. Das wiederum entspreche etwa 46 Personalstellen. In vergleichbarer Weise betrifft das Problem auch die übrigen Häuser in Stuttgart.

„Das ist weniger als ein Nullsummenspiele“

Weil die Sachkosten in den Kliniken seit Jahren weitgehend ausgereizt seien, bliebe in der momentanen Situation ohne Abhilfe von Seiten der Politik nur der Personalabbau und die Mehrleistung im medizinischen Bereich. Krankenhäuser, die den zweiten Weg beschreiten, werden allerdings laut Schmitz bestraft. Die Krankenkassen vergüten Mehrleistungen mit einem Abschlag von 30 Prozent. Allein am Stuttgarter Klinikum seien das 2,5 Millionen Euro Mindereinnahmen, sagt Schmitz und nennt als Vergleichswert 2,1 Millionen Euro, die von der 300-Millionen-Hilfe aus Berlin auf sein hausentfallen. „Das ist weniger als ein Nullsummenspiele“, sagt Schmitz.

Auf die Probleme, die sich durch Personaleinsparungen für die Krankenhäuser ergeben, weißt Angela Bartels, die Geschäftsführerin des Karl-Olga-Krankenhauses, hin. Sie warnt vor einer weiteren Leistungsverdichtung, „das Hamsterrad-Problem verschärft sich“. Vor diesem Hintergrund werde es immer schwieriger, qualifiziertes Fachpersonal zu finden. „Wir müssen mittel- und langfristig das Image der Arbeit in Krankenhäusern attraktiv halten“, sagt auch Monika Röther.

Bundesweit warnen dieser Tagen vielerorts Krankenhäuser vor einer unzureichenden Finanzausstattung. Wer darin eine Kampagne vermutet, die gut ein Jahr vor der Bundestagswahl Druck ausüben soll, liegt nicht verkehrt. „Der Schwung ist da, wieder einmal 100.000 Menschen zu einer Demonstration in Berlin zu bringen“, sagt Schmitz.