Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) Foto: dpa

Die Familienministerin will Jungen aus bildungsfernen Schichten stärker fördern.

Stuttgart - Frauen sind nicht die besseren Menschen, findet Familienministerin Kristina Schröder und setzt sich für eine Politik der Gleichberechtigung ein, die auch Jungen und Männer mit einschließt.

Frau Schröder, läuft in der Gleichstellungspolitik etwas in die falsche Richtung?

Die Zeit ist vorbei, in der Gleichstellungspolitik einseitig auf Frauen ausgerichtet werden sollte. Wir müssen konkret fragen: In welcher Situation hat welches Geschlecht Schwierigkeiten? Soziologisch betrachtet war im Bildungswesen in den 50er und 60er Jahren das katholische Arbeitermädchen vom Land der Problemfall. Heute sind es eher die Jungs aus bildungsfernen Schichten, nicht selten mit Migrationshintergrund.

Deshalb setze ich mich für eine Politik der Gleichberechtigung ein, in der Jungen und Männer ebenso eine Rolle spielen wie Mädchen und Frauen.

In Ihrem Haus gibt es nun ein Referat "Jungen- und Männerpolitik". Mit welchem Ziel?

Wir brauchen eine Neudefinition von Gleichstellungspolitik. Ich konnte nie etwas mit einem Feminismus anfangen, der sich in Gegnerschaft zu den Männern begriff. Der war immer schon problematisch, aber auf jeden Fall sind dessen Zeiten vorbei.

Kitas und Grundschulen sind fast männerfreie Zonen. Das muss negative Konsequenzen haben.

Stimmt, aber ich möchte schon vorwegschicken, dass niemand Erzieherinnen oder Lehrerinnen bösen Willen unterstellen darf. Sie bemühen sich, Jungen auch jungengerecht zu behandeln.

Müsste es mehr männliche Erzieher geben?

Ja, denn die Jungs brauchen männliche Vorbilder. Gerade Kinder von Alleinerziehenden treffen oft erst mit zehn oder elf Jahren in der weiterführenden Schule auf eine männliche Bezugsperson. Das kann entwicklungspsychologisch problematisch sein. Eine neue Studie, die unser Haus gefördert hat, kommt zu diesem Ergebnis: Männer werden dann Erzieher, wenn sie zum Beispiel als Zivildienstleistende oder im Freiwilligen Sozialen Jahr schon Einblick in diesen Beruf erhalten haben. Andere haben dagegen Hemmschwellen.

Ich glaube, viele junge Männer würden den Beruf gern ergreifen, trauen sich aber nicht, weil er ein weibliches Image hat.

Ihr Schluss daraus?

Ich werde gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit ein bundesweites Programm starten, das es Männern ermöglicht, sich auch in späteren Jahren noch für den Erzieherberuf in einer zweijährigen Ausbildung umschulen zu lassen. Dazu gibt es bereits vielversprechende Pilotprojekte. Das Programm wird Anfang nächsten Jahres starten und sicherlich erfolgreich sein. Denn Tatsache ist: Erzieher haben sehr gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt.

Aber die Bezahlung ist nicht attraktiv.

Das stimmt so nicht. Der beliebteste Ausbildungsberuf bei den Jungen ist Mechatroniker, und der wird nicht besser bezahlt als der Erzieher in der Kita. Wir werden es kaum schaffen, zu 50 Prozent männliche Erzieher zu bekommen. Aber es wäre bereits ein schöner Fortschritt, wenn es an jeder Kita ein oder zwei Männer gäbe.

"Wir müssen weg von Präsenzritualen"

Trotz teurer Programme erreicht die Frauenförderung ihre Ziele nicht: Es gibt einen Lohnunterschied von 23 Prozent und immer noch das Frauendefizit bei den Führungspositionen. Wird zu viel Geld falsch ausgegeben?

Ich habe keinen großen Glauben an die Allmacht des Staates in der Gleichstellungspolitik. Der Mangel an Frauen in Spitzenpositionen liegt auch an einer falschen Unternehmenskultur. Am Leitbild des Managers mit mindestens 60 Wochenstunden, der gar keinen Raum für familiäre Verpflichtungen hat. So wollen viele Frauen gar nicht leben.

Vielleicht wollen Frauen auch nicht den konfliktiven Führungsstil ausüben, der erwartet wird.

Für jeden Menschen, ob Mann oder Frau, der familiäre Verantwortung übernehmen will, ist die Unternehmenskultur, die in Deutschland gegenwärtig herrscht, abschreckend. Wir müssen zum Beispiel weg von unseren Präsenzritualen. Wer um 17 Uhr geht, weil das Kind von der Kita abgeholt werden muss, hat sich dumme Sprüche anzuhören. Obwohl diese Mitarbeiter oft hoch effizient arbeiten, weil sie wissen, dass ihr Zeitbudget begrenzt ist.

Zum Lohnabstand: Sind Frauen mit weniger Geld als Männer zufrieden?

Jedenfalls führen Frauen, die in ihren Beruf zurückkehren, ihre Gehaltsverhandlungen oft zu bescheiden - weil sie ihren Marktwert nicht kennen und weil sie vielleicht dankbar sind, überhaupt wieder einsteigen zu können. Wir versuchen in Programmen, Wiedereinsteigerinnen selbstbewusstes Auftreten in Lohnverhandlungen zu vermitteln.

Aber mit einer bewussten Diskriminierung von Frauen hat das alles nichts zu tun?

Tatsächlich glaube ich, dass die schenkelklopfende Diskriminierung von Frauen nur noch selten anzutreffen ist. Der Lohnunterschied erklärt sich aus vielen Komponenten: der Studienwahl, den negativen Nachwirkungen der Kinderpausen, dem finanziellen Nachteil bei der Wiedereinstellung. Aber die Wirtschaft wird aus Eigeninteresse im Wettbewerb um Fachkräfte umdenken und umsteuern müssen.

Was ist mit der Frauenquote?

Die Frauenquote ist für mich nur die Ultima Ratio, weil sie ja nur ein Herumdoktern am Symptom ist. Aber Ultima Ratio heißt auch: Ich schließe sie nicht aus.

"Frauen sind nicht die besseren Menschen"

Beim Thema "häusliche Gewalt" sagen manche Forscher, dass Gewalt gleichmäßig auf die Geschlechter verteilt sei. Stehen Frauen als Opfer zu sehr im Fokus?

Frauen sind nicht die besseren Menschen. Und es gibt auch in nennenswerter Zahl Fälle körperlicher Gewalt von Frauen gegen Männer. Wo die physische Kraft fehlt, werden zuweilen Gegenstände zu Hilfe genommen. Gewalt von Frauen gegen Männer kommt also vor. Dass aber die Hälfte der Fälle auf das Konto von Frauen gehen soll - das glaube ich nicht. Der Mann ist nun einmal stärker und löst daher öfter Konflikte mit Gewalt als Frauen. Männliche Gewalt ist zudem in Familien mit Migrationshintergrund kein kleines Problem.

Wenn es, wie Sie einräumen, Gewalt gegen Männer gibt, sollte sich das Ministerium dann nicht starkmachen für "familienorientierte Beratungszentren" gegen häusliche Gewalt?

Ich finde, dass staatliche Hilfsangebote gegen familiäre Gewalt Anlaufstelle für beide sein müssen, Männer und Frauen. Vielfach sind die Gesetze schon ausgewogen formuliert: Das Gewaltschutzgesetz sorgt dafür, dass der aggressive Partner der gemeinsamen Wohnung verwiesen werden kann - das ist nicht geschlechtsspezifisch formuliert.

Ein anderes Problem von Männern ist die dramatische Zunahme von geschiedenen Vätern, denen die Mutter den Zugang zum Kind verweigert. Die Politik hat aber vor allem "die Alleinerziehende" im Blick ...

Fehlverhalten im Zusammenhang mit Kindern im Fall von Trennungen und Scheidungen gibt es auf beiden Seiten, bei Männern und Frauen. Besonders schwierig ist die Lage, wenn die Eltern nicht verheiratet waren. Da wollen wir helfen. Die Justizministerin wird bald eine Neuregelung vornehmen. Nach meiner Überzeugung muss gelten: Streiten sich zwei Ledige um das Sorgerecht, dann darf es künftig keinen Automatismus mehr geben. Vor Gericht muss dann das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt und genau berücksichtigt werden, ob ein unehelicher Vater sich womöglich jahrelang um die Erziehung gekümmert hat.