Leergut ist eine sprudelnde Geldquelle für Diebe. Foto: dpa

Die dunklen Geschäfte mit gestohlenem Leergut nehmen immer größere Ausmaße an. Dabei geht es nicht nur um ein paar Hundert Euro, die in Einzelfällen bei der Polizei angezeigt werden. Bei manchem Händler geht der Schaden in die Tausende – und es geht gar an die Existenz.

Stuttgart - Getränkehändler müssen in Stuttgart immer mehr aufrüsten – denn die Kriminalität um das Flaschenpfand hat größere Ausmaße als bisher angenommen. Dies zeigt der Fall eines Händlers im Stadtteil Vaihingen, der seit Jahresbeginn einen Schaden von mindestens 7000 Euro hinnehmen musste. Trotz verstärkter Sicherheitsmaßnahmen rücken offenbar immer wieder verschiedene Diebesgruppen an. Von der Polizei fühlt sich der Betroffene bislang im Stich gelassen.

Von wegen 40 bis 100 Kisten. Von wegen ein paar Hundert Euro Schaden. Die Festnahme einer Jugendclique, die für eine Serie von Leergutdiebstählen in einem Getränkehandel im Unteren Grund in Vaihingen verantwortlich sein soll, ist nur die Spitze eines Eisbergs. Außerdem scheint es noch ganz andere, professionelle Gruppierungen zu geben, die täglich mit Transportern im Umfeld von Getränkehandlungen unterwegs sind. Letztes Jahr noch hatte Hans-Peter Kastner, Geschäftsführer des Familienbetriebs in Vaihingen, die 20 bis 40 verschwundenen Kisten pro Wochenende abgehakt. Nach der jüngsten Welle aber schlägt er Alarm: „Der Schaden nimmt Ausmaße an, der die Existenz des Betriebs gefährdet“, sagt er.

Der Betroffene bleibt auf dem Schaden sitzen

Während die Polizei von drei Fällen in Vaihingen spricht, hat Kastner für 2017 bereits 17 Fälle registriert. Mit einer Wildkamera mit Nachtsichtgeräten hat er 60 Aufnahmen von Verdächtigen gemacht, verdächtige Lieferwagen beobachtet, eine Schadenliste vorgelegt.

Letztes Jahr hatte er noch darauf verzichtet, die Polizei von den Diebstahlstouren zu informieren. „Keine Spuren, keine Zeugen, was hätte das genutzt“, sagt Kastner. Doch dann machte er Inventur – und musste feststellen, warum Leergut für Diebe eine sprudelnde Geldquelle ist. Bei etwa 26 000 Kistenflaschen, die bis März beim Getränkehändler eingingen, und 23 700, die als Leergut wieder rausgingen, hätten eigentlich etwas über 2300 im Bestand gebucht sein müssen. Tatsächlich sind es nur etwas über 500.

Die Schadensumme: knapp 7000 Euro. „Und für diesen Schaden kommt die Versicherung nicht auf, weil die Kisten im Hof angeblich nicht extra gesichert sind“, klagt Kastner. Dabei hatte er Zäune erhöht, mit Schlössern versehen, Bauzäune angeschafft, Stacheldraht angebracht, die Beleuchtung verbessert, fuhr privat in den Nachtstunden Streife. „Angeblich war auch die Polizei unterwegs, die habe ich bei meinen Patrouillen nicht entdecken können“, sagt Kastner.

Das Dunkelfeld ist offenbar riesig

Die Diebe haben sich offenbar auf Kisten mit Kunststoff-Sprudelflaschen spezialisiert, mit einem Pfandwert von 3,75 Euro. Allein hier fehlen über 1400 Stück. Außerdem knapp 1000 Einzelflaschen mit Pfand von je 15 oder 25 Cent.

Der Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels bestätigt, dass Leergut-Diebe statt Einwegflaschen inzwischen PET-Mehrwegflaschen bevorzugen. Dabei werde „eine hohe kriminelle Energie aufgewendet“, so Vorstand Günther Guder.

Die Polizei ermittelt derweil gegen acht Jugendliche aus unterschiedlichsten Stadtteilen, die zumindest für einen Teil der Beutezüge in Vaihingen verantwortlich sein sollen. Weitere Fälle, etwa in der Wangener Straße im Stuttgarter Osten, sind dagegen ungeklärt. Dabei dürfte das Dunkelfeld nicht angezeigter Fälle riesig sein.