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Im Kreiskrankenhaus Rastatt verschwinden Sicherungskopien mit mehr als hunderttausend Patientendaten. War es Schusseligkeit oder Diebstahl?

Rastatt - Das Verschwinden einer Sicherungskopie mit mehr als 100.000 Patientendaten aus dem Kreiskrankenhaus Rastatt gibt den Ermittlern Rätsel auf. „Ein gezielter Diebstahl ist eher unwahrscheinlich“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Michael Klose, am Freitag in Baden-Baden. „Wir können uns keinen Reim darauf machen, wer Interesse an solchen Daten haben könnte.“ Möglicherweise spielt auch eine Zigarettenpause eine Rolle. Ein EDV-Mitarbeiter hatte eine Kiste mit den Bändern dabei kurz abgestellt und dann vergessen.

Das Krankenhaus erstellt jeden Tag eine Sicherungskopie, die dann in einem anderen Gebäude eingeschlossen wird. Die Bänder waren bereits am 19. September verschwunden. Der EDV-Mitarbeiter hatte die schuhkartongroße Kiste unter den Arm geklemmt und war dann mehrfach auf seinem Weg zum Safe abgerufen worden, um andere Computer-Probleme im Haus zu lösen. Bei einer Zigarettenpause auf einer Rampe für An- und Ablieferungen stellte er den Karton auf einem Tisch ab und vergaß ihn später.

Keine Hinweise auf Diebstahl

„Das hat ein Zeuge bestätigt“, sagte Klose. „Der Ort lässt viele mögliche Varianten zu, was passiert sein könnte.“ Danach verliert sich die Spur. „Es gibt keinen Hinweis auf vorsätzliches Handeln“, sagte Klose. Es habe sich auch kein Erpresser bei der Klinik gemeldet.

Der Mitarbeiter habe den Verlust erst am 27. September gemeldet. „In der Zwischenzeit hat er auf eigene Faust ermittelt in der Hoffnung, dass irgendein Kollege die Kiste gefunden und aufbewahrt hat“, sagte Klose. Am 5. Oktober sei die Polizei eingeschaltet worden. „Wir haben dann noch einige Tage mit der Veröffentlichung gewartet, um die Ermittlungen nicht zu gefährden.“

Betroffen sind nach Angaben des kaufmännischen Direktors des Klinikverbundes Mittelbaden, Thorsten Reinhardt, Patientendaten aus den vergangenen 16 Jahren. „Wir behandeln pro Jahr etwa 10.000 Patienten stationär und etliche tausend ambulant“, sagte er zur Einschätzung der Größenordnung. Hinzu kämen Hunderte Daten des medizinischen Versorgungszentrums, in dem mehrere Ärzte arbeiten. Zum Klinikverbund, dessen Gesellschafter der Stadtkreis Baden-Baden und der Landkreis Rastatt sind, gehören vier Krankenhäuser in Rastatt, Baden-Baden, Forbach und Bühl.

Landesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet

Nachdem der Verlust der Datenträger bekanntwurde, hat sich die Klinikleitung juristisch beraten und dann sowohl die Polizei als auch den Landesdatenschutzbeauftragten eingeschaltet. Die Patienten seien an diesem Freitag mit halbseitigen Anzeigen in den überregionalen Zeitungen „Die Welt“ und „Frankfurter Rundschau“ informiert worden, sagte Reinhardt. „Das ist bei der großen Zahl der Betroffenen der übliche Weg.“

Bislang hätten sich nur wenige Patienten bei der Klinik gemeldet. „Die meisten wollten sich allgemein informieren, einige hatten Angst, dass ihre Krankheitsdaten ihrem Arbeitgeber oder anderen in die Hände fallen könnten“, sagte Reinhardt. Er rief die Betroffenen auf, in den kommenden Wochen verstärkt darauf zu achten, ob an irgendeiner Stelle Informationen über ihren Gesundheitszustand auftauchen.

Das Klinikum selbst hat laut Reinhardt seine Sicherheitsmaßnahmen inzwischen verstärkt. „Die Datensicherung und der Transport müssen jetzt immer von zwei Mitarbeitern übernommen werden.“