Künftig überflüssig: die Krawatte am Hals von Anwälten vor Gericht Foto: dpa

Mitten im Sommer verschafft der Justizminister den Anwälten etwas Luft: Sie müssen künftig vor Gericht keine Krawatte mehr tragen. Diese Pflicht wird aber schon heute eher lax gehandhabt.

Mitten im Sommer verschafft der Justizminister den Anwälten etwas Luft: Sie müssen künftig vor Gericht keine Krawatte mehr tragen. Diese Pflicht wird aber schon heute eher lax gehandhabt.

Stuttgart - Rechtsanwälte müssen vor Baden-Württembergs Gerichten unter ihrer Robe bald keine Krawatte mehr tragen. Nach Informationen unserer Zeitung sieht das die geänderte Amtstracht-Verordnung des baden-württembergischen Justizministeriums vor, die zum 1. August in Kraft tritt. „Ich gehe davon aus, dass die maßvolle Modernisierung und Änderung der Verordnung für alle Beteiligten akzeptabel ist“, so Justizminister Rainer Stickelberger (SPD).

Nur noch in wenigen Bundesländern herrscht für Anwälte vor Gericht Krawattenzwang. Als das Stuttgarter Justizministerium vor ein paar Jahren mal herumfragte, waren es zum Beispiel Bayern, Hamburg und Schleswig-Holstein, die noch eine entsprechende Schlips-Pflicht hatten.

Bei Staatsanwälten und Richtern sieht es hingegen anders aus. Sie müssen laut der neuen Verordnung bei einer Verhandlung im Südwesten weiterhin eine weiße Krawatte auf weißem Hemd tragen. Als Alternative dürfen Frauen allerdings künftig unter der Robe auch einen weißen Schal tragen – Männer eine weiße Fliege. Zudem gelten die Vorschriften künftig auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit, also auch für Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichte. Diese waren der Amtstracht-Verordnung des Landes bislang nicht unterworfen und hatten ihre eigenen Regeln.

Die Abschaffung des Krawattenzwangs war vom Justizministerium bereits im Februar des vergangenen Jahres angekündigt worden. Hintergrund ist ein Urteil des Landgerichts Mannheim. Es hatte im Jahr 2009 einem Anwalt recht gegeben, der wegen fehlender Krawatte von einer Hauptverhandlung ausgeschlossen worden war und dagegen geklagt hatte. Die Richter hielten die Sanktion zum einen für übertrieben. Zum anderen äußerten sie Zweifel, ob die mittlerweile 38 Jahre alte Verordnung des Landes überhaupt noch gelte oder nicht längst durch den Bekleidungsparagrafen in der Berufsverordnung für Rechtsanwälte (Bora) abgelöst wurde. Dieses bundesweit geltende Regelwerk, das sich die Zunft der Anwälte selbst gegeben hat, sieht keine Krawattenpflicht vor. Es empfiehlt den Verteidigern vor Gericht einzig das Tragen einer Robe, „soweit dies üblich ist“.

In der Praxis wird sich durch die Abschaffung des Krawattenzwangs vermutlich wenig ändern. Nur die wenigsten Richter bestehen heute noch darauf, dass Anwälte auch eine Krawatte tragen – schon gar keine weiße Krawatte auf weißem Hemd, wie das bislang vorgeschrieben ist. Selbst das Tragen einer Robe wird nicht überall verlangt, obwohl das Überstreifen des Kleidungsstücks signalisieren soll, dass vor Gericht alle gleich sind.

Die Betroffenen können mit der Änderung der Verordnung offenbar gut leben. „In der Anhörung wurde der Entwurf ganz überwiegend begrüßt“, so die Sprecherin des Justizministeriums. Nur vereinzelt habe es Kritik gegeben: Die einen befürchten, dass die Justiz in der Außendarstellung kein einheitliches Bild mehr abgibt. Andere wiederum forderten, dass dann der Krawattenzwang eigentlich auch für Richter und Staatsanwälte wegfallen müsste – und nicht nur für Rechts- und Patentanwälte.

In der Tat sind die Kleidervorschriften für Gerichtssäle noch vergleichsweise streng. Im Bundestag beispielsweise herrscht keine Krawattenpflicht, im baden-württembergischen Landtag auch nicht. Allerdings hat das Landtagspräsidium in Stuttgart den Abgeordneten vor rund zwei Jahren ein paar Empfehlungen ans Herz gelegt: So sollen weibliche Abgeordnete möglichst ihre Schultern bedeckt halten, um der Würde des Parlaments gerecht zu werden. Männliche Abgeordnete sollten Jackett tragen.

Das Justizministerium hat die Amtstracht-Verordnung übrigens auch sprachlich etwas modernisiert: So wurde der etwas altertümliche Begriff „Langbinder“ aus der Verordnung gestrichen und durch „Krawatte“ ersetzt.