Die Stiftung Warentest hat in der aktuellen Ausgabe von „Finanztest“ (9/2016) den Beitrag und die Extras von 77 gesetzlichen Krankenkassen miteinander verglichen. Ihr Fazit: Auch in diesem Jahr haben viele in manchen Bereichen zugelegt, in anderen auch abgebaut. Foto: dpa

Im Herbst kündigen die Krankenkassen meist auch höhere Beiträge an – dieses Jahr bleiben die Beitragssätze aber noch stabil, heißt es bei der Stiftung Warentest. Sie hat 77 Kassen überprüft und sagt, für wen sich der Wechsel dennoch lohnen könnte.

Berlin - Wie stehen die Aussichten, dass die Beiträge auch im Jahr 2017 nicht erhöht werden?

In die Zukunft schauen kann auch die Stiftung Warentest nicht. „Wir haben nur die Auskunft der staatlichen Krankenkassenaufsicht – des Bundesversicherungsamtes –, dass die Beiträge zumindest bis Ende diesen Jahres stabil bleiben“, sagt Theo Pischke von der Zeitschrift „Finanztest“. Allerdings sind die Anzeichen günstig: So sieht ein Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eine außerplanmäßige Aufstockung des Steuerzuschusses für den Gesundheitsfonds in Höhe von 1,5 Milliarden Euro vor. Diese Extrazahlung an die Kassen hat das Ziel: Die Zusatzbeiträge im Wahljahr 2017 sollen nach dem Wunsch der Koalition nicht so stark ansteigen, wie vor der Sommerpause angegeben wurde. Der GKV-Spitzenverband hatte Anfang Juli einen durchschnittlichen Anstieg des Zusatzbeitrages von 0,3 Prozent vorhergesagt. Ausruhen sollten sich Verbraucher aber nicht, warnt der Warentester Pischke. Ein Wechsel kann sich nämlich lohnen.

In welchen Bereichen haben die Kassen an Leistungen gekürzt, wo wurde das Angebot erweitert?

Die Stiftung Warentest hat in der aktuellen Ausgabe von „Finanztest“ (9/2016) den Beitrag und die Extras von 77 gesetzlichen Krankenkassen miteinander verglichen. Ihr Fazit: Auch in diesem Jahr haben viele in manchen Bereichen zugelegt, in anderen auch abgebaut. So haben viele Kassen ihre Zuschüsse für Osteopathie stark gekürzt. „Nur ganz wenige haben die Zuschüsse erhöht – wie die IKK Classic, die BKK Pfaff und die Bertelsmann BKK“, sagt Theo Pischke. Manche haben einen Zuschuss für diese alternative Heilmethode auch zum ersten Mal in ihr Programm aufgenommen wie etwa die IKK Nord. Wie unterschiedlich die Kassen einsparen, zeigt Theo Pischke auch am Beispiel der Verwaltung: Die Techniker Krankenkasse hat bereits 2015 die Zahl ihrer Standorte um fünf erhöht, die Barmer GEK und die DAK wiederum haben ihr Geschäftsstellennetz massiv ausgedünnt.

Wie findet man die passenden Leistungen?

Große Unterschiede gibt es zwischen den einzelnen Kassen nicht. „Die medizinisch notwendigen Leistungen, die etwa 95 Prozent des Angebots ausmachen, sind bei allen gleich“, sagt Theo Pischke. Die Stiftung Warentest empfiehlt daher bei der Auswahl folgende Faustregel: Je mehr man verdient desto mehr lohnt es sich, auf den Beitragssatz der Kasse zu achten, denn so höher ist die Ersparnis bei einem Wechsel zu einer günstigen Kasse. Das gilt auch für alle diejenigen, die keinen Wert auf Extras und Geschäftsstellen legen. Am günstigsten ist für die Versicherten in Baden-Württemberg bislang die Metzinger BKK mit einem Beitragssatz von gerade mal 14,6 Prozent. „Sie ist bundesweit die einzige Kasse, die keinen Zusatzbeitrag erhebt“, sagt Pischke. Besonders Geringverdiener sollten aber sehr wohl auf die Leistungen achten, die eine Kasse ihren Versicherten anbietet: Denn je weniger man verdient, umso mehr fällt es ins Gewicht, wenn die Kasse teure Extras bezahlt, auf die man Wert legt. Um die zu finden, hilft nur der Vergleich: Entweder man schreibt die Kassen an oder aber man nutzt die Datenbank, in der alle Extraleistungen der Kassen von der Stiftung Warentest in einem Produktfinder aufgelistet sind. Wichtig ist, bei der eigenen Kasse noch einmal gezielt nach Extraleistungen zu fragen. Eventuell bezahlt die Kasse die Wunschleistung doch noch.

Wie viel lässt sich mit einem Wechsel sparen?

Was bei einem Kassenwechsel unterm Strich an Ersparnis herauskommt, hängt vom Einkommen des Mitglieds und von dessen Besteuerung ab. Die Stiftung Warentest hat dazu folgende Beispielrechnung aufgemacht: „Wechselt ein Arbeitnehmer mit 5000 Euro Monatsverdienst von einer Krankenkasse, die den durchschnittlichen Zusatzbeitrag von 1,1 Prozent erhebt, zur einzigen Kasse ohne Zusatzbeitrag, zahlt er 46,61 Euro weniger Beitrag. Das sind fast 560 Euro im Jahr.“ Allerdings bleibt von der Ersparnis nicht viel: Knapp die Hälfte der ersparten Summe kassiert das Finanzamt.

Stimmt die Gleichung: Hohe Rücklagen = mehr Extras = bessere Kasse?

Grundsätzlich müssen Kassen Rücklagen bilden, um Einnahme- und Ausgabeschwankungen auszugleichen. Die Rücklagen müssen zwischen 25 und 100 Prozent einer Monatsausgabe liegen. Eine logische Schlussfolgerung wäre es, dass Kassen mit hohen Rücklagen auch mehr Extras gewähren. Doch Theo Pischke warnt: Pauschal ließe sich das nicht sagen. Es gebe durchaus auch Kassen, die unabhängig von der Höhe ihrer Rücklage einen hohen Beitragssatz verlangen und viele Extras anbieten. „Andersherum gilt aber schon, dass Kassen mit niederem Beitragssatz auch meist hohe Rücklagen haben.“

Wie gelingt der Wechsel?

Um seine Krankenkasse wechseln zu dürfen, muss man mindestens 18 Monate lang Mitglied gewesen sein. Erhebt die Kasse erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht sie diesen, gibt es zudem das Sonderkündigungsrecht. Für solche Fälle hat der Verbraucherzentrale Bundesverband schon online einen Musterbrief erstellt. Die Kündigungsfrist beträgt zwei Monate zum Monatsende. Ist die Kündigung erfolgt, stellt die Kasse eine Kündigungsbestätigung aus. Diese wird zusammen mit dem Mitgliedsantrag bei der neuen Kasse eingereicht. Bis zur Aufnahme muss diese eine Mitgliedsbescheinigung ausstellen, die beim Arbeitgeber eingereicht wird. Grundsätzlich gilt: Keine Kasse darf gesetzlich Versicherte ablehnen, sofern sie keinen regionalen oder beruflichen Beschränkungen.

Auf diese Leistungen sollten Wechselwillige achten

Service:

Eine 24-Stunden-Hotline für medizinische Fragen bieten zwei Drittel der getesteten Krankenkassen. Besonders hebt die Stiftung Warentest Kassen hervor, die zudem Facharzttermine vermitteln und beim Spezialisten eine ärztliche Zweitmeinung organisieren sowie eine Beratung zu Hause anbieten – etwa die Barmer GEK, die DAK-Gesundheit, die KKH und die Techniker Krankenkasse. Diese verfügen zudem über flächendeckende Geschäftsstellen.

Online-Chat:

Während der Großteil der Kassen auf Telefonberatungen setzt, gibt es auch Krankenversicherungen, die verstärkt online aktiv sind: Sie beraten Patienten per Chat zu deren individuellen Fragen zum Thema Gesundheit oder zu ihrer Versicherung. Darunter: AOK Baden-Württemberg, Bahn-BKK, Barmer GEK, Big direkt gesund, BKK Pfalz, DAK Gesundheit, Deutsche BKK, HEK, IKK gesund plus, mhplus BKK, TK und WMF BKK.

Schwangere:

Einige Kassen zahlen bei künstlicher Befruchtung mehr als die gesetzlich vorgeschriebenen Kosten für drei Versuche. Teils bezuschussen diese auch zusätzliche Untersuchungen (Ultraschall, Nackenfaltenmessung, Blutuntersuchungen). Für eine Rufbereitschaft einer Hebamme zahlen viele einen Zuschuss von 250 Euro pro Schwangerschaft. Die BKK Scheuffelen, die HEK und BKK Melitta Plus etwa bieten diesen Rundumservice.

Geldbonus:

Versicherte erhalten einen Bonus, wenn sie regelmäßig zur Vorsorge, zu Impfungen oder Gesundheitskursen gehen. Manche Kassen – wie die Actimoda Krankenkasse, die HEK, die BKK Mobil Oil – zahlen beispielsweise für einen 35-jährigen Mann für drei Maßnahmen pro Jahr zwischen 30 und 100 Euro. Manche zahlen aber nur dann, wenn regelmäßig Sport betrieben wird. Bei den Gesundheitskursen beträgt die maximale Erstattung 500 Euro.

Vorsorge:

Grundsätzlich gibt es nur ab dem 35. Lebensjahr die kostenfreie Hautkrebsfrüherkennung für Versicherte, der Großteil der Kassen bietet diese Vorsorge auch früher an. Weitere Extras sind die Reiseimpfungen (zusätzlich zu den gesetzlich vorgeschriebenen Impfungen), die über die Krankenkassenkarte abgerechnet oder mit 200 Euro erstattet werden. Teils wird die sportmedizinische Untersuchung bezuschusst: HEK, IKK Gesund plus, TK, Big direkt gesund.

Homöopathie:

Die Versicherten können Erst- und Folgegespräche bei homöopathischen Vertragsärzten nutzen. Teils ist ein besonderes Versorgungsprogramm Voraussetzung, in das man sich einschreiben muss. Oft werden homöopathische und andere alternative Arzneimittel auch für Versicherte ab zwölf Jahren gezahlt. Zuschüsse gibt es auch für Osteopathie. Beispiele für all diese Leistungen sind: Bahn-BKK, BKK Provita, BKK VBU, HEK.

Kinder und Jugendliche:

Der Großteil der Kassen zahlt für die Untersuchungen U10 (7./8. Lebensjahr) und U11 (9./10. Lebensjahr). Auch für Jugendliche (16/17 Jahre) gibt es bei den meisten Kassen die zusätzliche Früherkennung. Nicht selbstverständlich ist die teils vollständige Kostenübernahme bei der Zahnvorsorge (Barmer GEK, BKK Melitta Plus, Novitas BKK) oder die Meningokokken-B-Impfung (BKK Scheuffelen, Novitas BKK) .

Zahnarzt:

Viele Kassen zahlen 60 Euro oder mehr pro Jahr für eine professionelle Zahnreinigung beim Wunschzahnarzt: Bertelsmann BKK (100 Euro Zuschuss), BKK Scheufelen (75 Euro), BKK Melitta Plus (85 Euro), DAK Gesundheit (60 Euro). Häufig besteht daneben oder statt des Zuschusses die Möglichkeit, bei bestimmten Zahnärzten die Reinigung ein- bis zweimal im Jahr kostenlos zu erhalten. Verbilligten Zahnersatz gibt es teils nur bei ausgewählten Ärzten.

So berechnen Sie den Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung

Wie hoch ist mein Zusatzbeitrag?

Zunächst ist der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil vom allgemeinen Beitragssatz zu berechnen. Das sind im Jahr 2016 jeweils 7,3 Prozent. Das Ergebnis wird dann kaufmännisch gerundet und verdoppelt. Anschließend kommt der kassenindividuelle Zusatzbeitrag vom beitragspflichtigen Entgelt für den Arbeitnehmer hinzu.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer erhält 3000 Euro im Monat. Seine Krankenkasse erhebt einen Zusatzbeitragssatz von 1,1 Prozent ab 1. Januar 2016. Der Arbeitgeberanteil berechnet sich so: 7,3 % x 3000 € = 219 €; Der Arbeitnehmeranteil berechnet sich wie folgt: 7,3 % x 3000 € = 219 €; Der Zusatzbeitrag nur für den Arbeitnehmer berechnet man so: 1,1% x 3000 € = 33 €; Daraus ergibt sich dann der Arbeitnehmeranteil insgesamt: 219 € + 33 € = 252 €

Weitere Infos: Eine Übersicht, in welchem Umfang die einzelnen Krankenkassen den Zusatzbeitrag verlangen, gibt es beim GKV-Spitzenverband. Die Stiftung Warentest hat die Infos über die Kassen und deren Zusatzleistungen in einer Online-Datenbank zusammengestellt. Diese kann für den Preis von drei Euro vier Wochen lang genutzt werden. Eine kleine Übersicht bietet auch die aktuelle Ausgabe „Finanztest“ (9/2016).