Konkurrenzkampf zwischen den Kliniken Freudenstadt, Nagold und Calw löst Turbulenzen aus.

Calw - Stillschweigeklauseln, Aufhebungsverträge, Mobbingvorwürfe: Personalentscheidungen an mehreren Kliniken im Südwesten sorgen für Aufruhr unter Ärzten und Patienten.

Im Nordschwarzwald hängt der Haussegen schief. Gleich zwei Personalentscheidungen im Klinikum Calw sorgen für Unruhe. Gerüchte um Mobbing und Verschwörungstheorien über gescheiterte Übernahmeversuche machen die Runde. In Zeiten immer geringer werdender Gesundheitsausgaben tobt offenbar zwischen den Kliniken Calw, Nagold und Freudenstadt der Kampf um Patienten.

Doch was ist passiert? Zuerst trennte sich das Klinikum Calw von einer Oberärztin in der Kardiologie mit einer sogenannten Beendigungsvereinbarung. "Völlig überraschend", wie ein Sprecher des Landratsamts Calw bestätigt, habe daraufhin der Chefarzt der Klinik für Kardiologie ebenfalls um die Aufhebung seines Vertrages zur Mitte dieses Jahres gebeten. Darauf wendeten sich 42 niedergelassene Ärzte aus Calw in einem offenen Brief an Landrat Helmut Riegger. Die Bürgerinitiative bringt darin ihre "tiefe Betroffenheit" zum Ausscheiden des Chefarztes zum Ausdruck.

Nach dem plötzlichen Abschied des Chefarzts brodelt die Gerüchteküche 

Nur, woher kommt diese Unterstützung? Offenbar steckt hinter dem Fall weit mehr als nur eine Personalie. Der offene Brief spiegele die Angst vor einer Schließung des Klinikums in Calw wider, heißt es. Über einen solchen Schritt in der Kreisstadt war nach einem Gutachten im Jahr 2005 spekuliert worden. Damals wurde der Klinikverbund Südwest gegründet - eine der größten kommunalen Gesundheitseinrichtungen Süddeutschlands. Die Expertise empfahl, das Klinikum in Calw in eine Geriatrie umzuwandeln und alle anderen Abteilungen ins 25 Kilometer entfernte Nagold zu verlegen. Aus der Angst, ihr Klinikum zu verlieren, gründeten die niedergelassenen Ärzte eine Bürgerinitiative und wehrten sich erfolgreich gegen die Pläne.

Die Verantwortlichen reagierten: In Calw wurden fortan die Schwerpunkte auf die Bereiche innere Medizin mit einer großen kardiologischen Abteilung, Unfallchirurgie und Neurologie gelegt, bestätigt Gunther Weiß, Geschäftsführer des Klinikverbundes. In Nagold ist das Klinikum dagegen für die Bereiche Urologie und Gastroenterologie zuständig.

Doch mit dem plötzlichen Abschied des Chefarztes und seiner Oberärztin sowie dem Aufbau eines Linksherzkathetermessplatzes in Nagold hat die Gerüchteküche nun wieder zu brodeln begonnen. Die Angst vor der Schließung des Calwer Krankenhauses kocht erneut hoch. Immerhin war ja Calw einst als kardiologische Klinik auserkoren worden. Hintergrund der neuerlichen Verwerfungen, so vermuten Insider, könnte deshalb ein Machtkampf zwischen den Kliniken Nagold und Freudenstadt sein. Nagold gehört ebenfalls zum Klinikverbund Südwest, verfügte bislang aber nicht über eine kardiologische Abteilung. Dadurch wurden viele Patienten an das Klinikum Freudenstadt verloren, wie Weiß bestätigt. Der Klinikverbund Südwest hätte das Krankenhaus in Freudenstadt schon vor Jahren gerne übernommen, doch der Kreistag vor Ort entschied sich 2009 lieber für eine Kooperation mit dem Universitätsklinikum Tübingen als für einen Beitritt zum Klinikverbund Südwest.

Die Betroffenen wollen sich nicht zu dem Thema äußern

Seither hat sich der Wettbewerb zwischen den Standorten massiv verschärft. Inzwischen wurde der Kardiologiechef aus Freudenstadt abgeworben und in Nagold eingestellt. Hinter vorgehaltener Hand wird berichtet, aufgrund dieser Entwicklungen sei es zu Zerwürfnissen mit dem Calwer Chefarzt der Kardiologie gekommen. Diesem sei zuerst der Posten als Chefarzt beider Häuser in Calw und Nagold angeboten worden. Er habe jedoch abgelehnt und sich gegen den Standort in Nagold ausgesprochen. In der Folgezeit machten Mobbingvorwürfe die Runde. Zuerst gegen eine leitende Schwester des Herzkatheterlabors, dann gegen die Oberärztin. Schließlich bat der Chefarzt selbst für sich um eine sogenannte Beendigungsvereinbarung.

Was aber hat zu dieser Eskalation geführt? Weder der Klinikverbund Südwest noch Calws Landrat Riegger und auch nicht die Betroffenen wollen sich zu dem Thema äußern. Alle verweisen auf die Aufhebungsverträge, in denen sie sich verpflichtet hatten, keine Details zu den Vorgängen preiszugeben. Auch die Aussage von Weiß bringt keine Klärung: "Es gibt interne Gründe für das Ausscheiden der leitenden Oberärztin. Wir bedauern diesen Schritt zutiefst." Man habe eine sehr gute Ärztin verloren, die die Arbeit der Klinik geprägt habe.

Der weiter schwelenden Sorge von Ärzten und Patienten der Region, man wolle die Klinik in der Kreisstadt Calw schließen, tritt Weiß aber entgegen: "Ich kann nachvollziehen, dass die Ereignisse Ängste auslösen können." Aber er bekenne sich zu beiden Klinikstandorten Nagold wie Calw. "Man wirft uns vor, wir haben die Kardiologie ihrer Spitze beraubt", sagt Weiß, "aber wir haben die Spitze verloren." Inzwischen seien die Positionen personell wieder besetzt worden. "Deshalb hoffe ich, dass wir das Vertrauen der niedergelassenen Ärzte schnell zurückgewinnen", sagt Weiß. Und auch der Sprecher des Landratsamtes Calw beteuert: "Wir investieren allein dieses Jahr 8,1 Millionen Euro in Calw. Das macht man nicht, wenn man die Klinik schließen möchte."