Diese Skulptur des Künstlers Hinrich Zürn erinnert an die Zerstörung des Kraichgaus durch die Franzosen Foto: Naturpark Stromberg-Heuchelberg

Am Eppinger-Linien-Weg im Kraichgau erinnern Skulpturen an die deutsch-französische Geschichte.

Eppingen - Dieses Freiluftschach am Waldesrand ist unbespielbar. Übermannsgroß, 2,40 Meter hoch sind die Könige, wuchtige Holzbrocken, die man nur mit dem Gabelstapler bewegt bekommt. Und dann fehlen Figuren: Dame, Läufer, Pferde, Türme. Nur Bauern sind genug da.

Und, dazwischen, Menschenfiguren, in merkwürdigen Posen: Manche haben die Arme erhoben, andere liegen hingestreckt am Boden, wirr sind sie über das Schachbrett verteilt, nicht schwarz, nicht weiß gekennzeichnet – eine Verfügungsmasse für beide Könige.

Das ist nicht mehr ein Freizeitangebot – das ist Kunst. Vom Gemminger Künstler Hinrich Zürn, der diese und sieben weitere Installationen am Eppinger-Linien-Weg geschaffen hat. Das ist ein gut 40 Kilometer langer Wanderweg im Kraichgau, vor gut 40 Jahren erstmals ausgeschildert – und jetzt mit Kunst aufgemöbelt, um ihn wieder etwas mehr ins Bewusstsein der Ausflügler zu hieven.

Spannendes Revier für Geschichtsinteressierte

Der Kraichgau ist gegenüber der Schwäbischen Alb oder dem Schwarzwald eine unspektakulärere Gegend, und der Name des Weges klingt auch eher bürokratisch als sensationell. Aber: Das ist ein spannendes Revier für Geschichtsinteressierte. Und reichlich Natur und Kultur gibt es noch obendrauf.

Die letzten Häuser von Eppingen, dem Startpunkt, liegen schon zurück, als der Pfad durch einen Hohlweg läuft. Tief ist er, manchmal überspannen ihn Fußgängerbrücken. Was auf den ersten Blick wie eine gewaltige Erosionsrinne aussieht, ist tatsächlich menschengemacht: ein gigantischer Graben, der sich immer wieder nach Süden zieht, bis zum Schwarzwald.

Das sind die Eppinger Linien: ein Bodendenkmal, eine Barriere wie der baden-württembergische Limes, aber wesentlich weniger bekannt. Obwohl man mehr sieht als beim Limes – und obwohl sie von Dingen erzählen, die die Politik bis ins 20. Jahrhundert bestimmt haben.

Nach Westen spähte die Besatzung: Stürmen französische Truppen heran?

Der Wanderweg hat als Zeichen einen schwarzen Turm auf weißem Grund. Steil geht es einen Hang hoch, auf vielen Stufen, Himmelsleiter genannt. Oben auf der Höhe reckt sich ein Holzturm hoch, der einen weiten Blick ins Land bietet. Ein Nachbau einer Chartaque, einem Beobachtungsposten, gebaut am Ende des 17. Jahrhunderts. Nach Westen spähte die Besatzung: Stürmen französische Truppen heran?

Frankreich hatte Anspruch auf die Pfalz erhoben und versuchte, dies militärisch durchzusetzen. Zur Kriegstaktik gehörten weite Vorstöße bis ins Schwäbische und die Politik der verbrannten Erde: Systematisch zerstörten die Franzosen Städte und Dörfer, Wälder, Weinberge, Gärten – alles, was zum Leben notwendig war.

Dieser gnadenlose und in seiner Radikalität neuartige Terror fachte die deutsch-französische Feindschaft so an, dass sie bis ins 20. Jahrhundert Europas Geschichte bestimmte.

Die Kraichgauer bauten die Befestigung im Frondienst

Der Kraichgau gehörte damals zur Markgrafschaft Baden-Baden, und ihr Herrscher war zur Zeit Ludwig Wilhelms von Baden-Baden. Genannt der Türkenlouis, weil er im Osten für den Habsburger Kaiser die Türken zurückgedrängt hatte. Für seine Heimat wählte der Markgraf eine deutlich defensivere Strategie: Durch die Eppinger Linien hielt er die Franzosen vor weiteren Zerstörungszügen Richtung Heilbronn ab.

Diese militärische Rechnung ging für den Türkenlouis auf. Als der berüchtigte General Mélac mit einem großen Heer anrückte, drehte er vor Eppingen beim Anblick der „wohlverwahrten Verschanzungen“, so ein Bericht, wieder um.

Für die Bewohner des Kraichgaus waren diese Jahre trotzdem fatal. Zunächst einmal mussten sie in Frondiensten die Befestigung bauen: einen fünf Meter breiten und zweieinhalb Meter tiefen Graben ausheben, darin Palisaden einbauen, den Aushub zu einem Wall aufschichten, davor das sogenannte Verhack anlegen: ein 40 Meter breiter Verhau aus gefällten Baumstämmen.

Die Chartaquen überwachten die Linien, besonders befestigte Schanzen sicherten sie mit Geschützen. Jedes Dorf hatte Schanzer zu stellen – auch wenn es vor der Linie lag und gar nicht geschützt wurde. Aber dafür die Rache der Franzosen erdulden musste.

Skulpturen zur Kriegs-Architektur

Hinrich Zürn hat gleich zwei Skulpturen zu dieser Kriegs-Architektur geschaffen. Einmal richtet sich eine Reihe zugespitzter Stämme raketengleich auf den Betrachter, ein andermal laden Raspeln an einer Palisade zum Niederreißen dieses Fronwerkes ein.

Denn die Menschen blieben auch auf der Strecke, ohne dass es im Bereich der Eppinger Linien zu einer Schlacht kam: Um 60 Prozent ging die Bevölkerung, ausgeplündert, erschlagen, verhungert, im Kraichgau zurück. Die Skulptur „Zerstörung“ erinnert daran: ein Durcheinander deformierter Ortsschilder, umgeben von Ruinen, aus Eiche geschnitzt und verkohlt.

Von den Spuren der Zerstörung ist nichts mehr zu sehen

Das sieht man der Gegend natürlich heute nicht mehr an. „Der Kreislauf des Lebens geht weiter“, heißt es an einer Installation von Janice Wimmer und Rémi Regazzoni. „Kriegsgräuel werden vergessen, Spuren des Krieges werden von der Natur zurückerobert und überwachsen.“

Der Wanderweg, der immer wieder direkt neben dem Graben verläuft, zum Teil direkt als spannender Pfad direkt auf dem Wall, zieht sich durch properes Bauernland, berührt so schön gelegene Orte wie Sternenfels, durchmisst das Weltkulturerbe Kloster Maulbronn und bietet immer wieder weite Ausblicke.

Hoch über Kürnbach, am Altenberg, verspricht eine Panoramatafel einen Blick bis ins Elsass, wo einst der Feind herkam. Nun ist das eine friedliche Welt bis zum Horizont. Ist auch besser so – diese Lektion nimmt man von den Eppinger Linien mit.