Das Großkraftwerk in Mannheim wird ausgebaut und modernisiert. Foto: Werkfoto

Lässt sich mit einem gewaltigen Kohlekraftwerk der Ausstoß von Treibhausgas eindämmen? Ja, sagen die Betreiber des Mannheimer Kohlegiganten – denn bisher wurde für die Energie viel mehr Kohle verheizt.

Mannheim - Es ist wohl das letzte Steinkohlekraftwerk dieser Größenordnung, das in Deutschland ans Netz geht. Der sogenannte Block 9 erschließt nicht allein optisch neue Dimensionen. Das Maschinenhaus selbst reckt sich 120 Meter in den Himmel, sein Schornstein misst 180 Meter – mehr als das Ulmer Münster. Diese Stromfabrik macht den Energiestandort Mannheim jetzt auch zur Nummer eins in Baden-Württemberg. Gut und gern 1,3 Milliarden Euro haben sich die Besitzer der Großkraftwerk Mannheim AG (GKM) ihr Projekt kosten lassen.

Zehn Jahre dauerten Planung und Verwirklichung, bis der neue Energieproduzent Strom und Wärme für 120 000 Haushalte in der Rhein-Neckar-Region liefern konnte. Allerdings mit 18 Monaten Verspätung, denn Probleme bei der Stahlkonstruktion bremsten die Arbeiten auf der zeitweise größten Baustelle des Landes. Über eine Million Solaranlagen und 25 000 Windräder erzeugen in der Bundesrepublik bereits Strom. Doch fehlende Transporttrassen von Nord nach Süd behindern bislang die ambitionierten Klimaziele. Mit der Fertigstellung von Block 9 in Mannheim-Neckarau soll die Basis für Versorgungssicherheit bis zur endgültigen Umsetzung der Energiewende geschaffen werden. Neueste Technologien und Kraft-Wärme-Kopplung legen bei Block 9 die Basis für eine umwelt- und klimaschonendere Strom und Fernwärmeerzeugung.

Die Gewinnung des Energieträgers soll ökologischen und sozialen Standards genügen

Mit Block 9 müssen für die gleiche Menge Strom und Wärme deutlich weniger Kohlen verheizt werden als bisher. In der Folge könne der häufig kritisierte CO2-Ausstoß durch die hohe Ressourceneinsparung jährlich um bis zu 1,3 Millionen Tonnen verringert werden, so die Unternehmensvorstände Markus Binder und Karl-Heinz Czychon.

Auf der Halde für Block 9 werden bis zu 300 000 Tonnen Kohle gelagert werden. 10 000 Tonnen davon verschlingt der neue Dampferzeuger in Spitzenzeiten pro Tag.

Ein gewaltiger Elektrofilter hält nahezu vollständig den Staub zurück und in der Rauchgasentschwefelung entsteht unter Zugabe von Kalk Gips, der an die Bauindustrie geht. Unternehmensangaben zufolge legt man bei der Beschaffung der Kohlemengen größten Wert darauf, dass die Gewinnung des Energieträgers nur unter ökologischen und sozialen Weltstandards erfolgt.

Das GKM ist ein Gemeinschaftskraftwerk der Aktionäre RWE (40 Prozent), EnBW Energie Baden-Württemberg (32 Prozent) und der Mannheimer MVV (28 Prozent). Laut Geschäftsbericht hat sich im vergangenen Geschäftsjahr der Verkauf von Strom von 6,7 auf 5,9 Milliarden Kilowattstunden und bei Fernwärme von 2,8 auf 2,2 Milliarden Kilowattstunden verringert. Der Gesamtumsatz von 492,8 Millionen Euro entfällt zu 91,9 Prozent auf Strom – darunter auch Bahnstrom – und zu 8,1 Prozent auf Fernwärmelieferung. Als die ersten Ideen zur Modernisierung des Kraftwerkparks am Rhein diskutiert werden, sind es die grüne Opposition und Umweltverbände im Land, die dagegen Sturm laufen. Protestaktionen und schier endlose Gerichtsverfahren begleiten Block 9 durch die folgende Dekade. Am Ende werden sämtliche Klagen abgewiesen.

Mannheimer Großkraftwerk dient als Notstromlieferant für das Land

Das Milliardending am Rhein wird heute selbst von früheren Gegnern als unverzichtbar für die Stromversorgung bewertet, nicht zuletzt auch wegen seiner Bedeutung als „Kaltreserve“ für ganz Baden-Württemberg. Wenn an manchen Wintertagen die Sonne schwächelt und der Wind nicht weht, springt Mannheim inzwischen regelmäßig als „Notstromlieferant“ ein.

„Das GKM und unser Block 9 werden auch noch nach 2050 am Netz sein und Versorgungssicherheit garantieren“, sagt Markus Binder. „Auf mindestens 40 Jahre Laufzeit ist die Anlage ausgelegt. Und in dieser Zeit wird das Kraftwerk auch wieder andere politische Rahmenbedingungen erleben“, gibt sich der kaufmännische Chef unserer Zeitung gegenüber optimistisch. Das GKM werde, falls es so weit kommen sollte, aber sicherlich eines der letzten Kohlekraftwerke sein, die vom Netz gehen.

Seit mehreren Wochen liefert Block 9 bereits Strom – am kommenden Dienstag wird er offiziell in Betrieb genommen

In den Gründerjahren des Großkraftwerks ab 1921 ist es vorwiegend die Bereitstellung billigen elektrischen Stroms für die Industrie, um die es geht. Veraltete Kraftwerke mit hohem Steinkohleverbrauch sollten damals durch neue leistungsstärkere und effizientere Kraftwerke ersetzt werden. Dieses Ziel wird bis in die 40er Jahre des vorherigen Jahrhunderts konsequent verfolgt. Durch moderne Turbinen werden die Stromerzeugungskosten um ein Fünftel gedrosselt. Vor rund 50 Jahren gehen Block 3 und 1970 Block 4 mit jeweils 220 Megawatt und einem Wirkungsgrad von fast 42 Prozent in Betrieb. Im Jahr 1959 startet auch die kombinierte Produktion von Strom und Fernwärme. Mit der kommunalen Fernwärmeversorgung wird rasch ein zweites Geschäftsfeld erschlossen, das die weitere Entwicklung des Energiestandortes nachhaltig beeinflusst.

Bis 1993 folgen die Blöcke 5 bis 8, damals ausgelegt auch für Schweröl und Erdgas. Nach der Ölkrise und der Liberalisierung des Strommarktes wird Block 5 stillgelegt und Block 6 auf Steinkohle umgerüstet, wodurch die Leistung zurückgeht.

Block 9 liefert bereits seit Wochen Strom und Wärme. Offiziell in Betrieb genommen wird die Anlage am kommenden Dienstag. Umweltminister Franz Untersteller hat sich zum offiziellen Startschuss für die Großanlage angekündigt.