Christin Lange (l.) und Kerry Rees nähen die Kostüme für die Tanz- und Theaterproduktionen am Theaterhaus. Foto: Leonie Schüler

In einer Serie stellen wir Berufe am Theater vor. Heute: die Ausstatterinnen Christin Lange und Kerry Rees am Theaterhaus in Feuerbach. Sie entwerfen und nähen nicht nur, sondern sind überall dort, wo Hilfe gebraucht wird.

Feuerbach - Im Fundus der Kostümabteilung stapeln sich Bananenkisten mit Aufschriften wie Hosenträger, Wollsocken, Herrenunterhosen lang, Herrenunterhosen modern oder Feinstrümpfe halterlos. In einer anderen Ecke sind Accessoires wie Armreifen, Handys, Sonnenbrillen oder Feuerzeuge fein säuberlich sortiert. Scheinbar gibt es nichts, was es nicht gibt. Nebenan ist das Lager für ausgediente Kostüme, auf die bei neuen Produktionen zurückgegriffen werden kann, „aber die meisten Kleider fertigen wir neu an“, sagt Christin Lange. Die Schneiderin ist seit 17 Jahren am Theaterhaus. Zusammen mit zwei weiteren Kolleginnen und einer Auszubildenden bildet das vierköpfige Team die Kostümabteilung am Feuerbacher Theaterhaus.

Zwischen Nähen, Bühnenbildern und dem ganzen Rest

Ihr Aufgabenspektrum beschränkt sich aber nicht auf das Nähen der Kostüme. „Hier am Theaterhaus sind wir auch für das Waschen zuständig, wir betreuen die Aufführungen, helfen beim Umziehen oder wärmen ein Gericht auf, wenn auf der Bühne gegessen wird“, erklärt die Damenschneidermeisterin Kerry Rees. Und auch bei den Kollegen, die die Bühnenbilder anfertigen, werde mal mit angepackt, wenn Not am Mann ist. An einem größeren Haus seien diese Überschneidungen undenkbar. Dort gebe es oft Herrenschneider für Herrenkostüme, Damenschneider für Damenkostüme, Schuh- oder Hutmacher sowie Garderobieren. „Auch den Schnitt entwerfen und dann das Kostüm nähen, machen verschiedene Leute“, so Rees. Sie selbst möchte die Abwechslung nicht missen.

Besonders aufwendig seien die Kostüme für die Tanzstücke Poppea und zuletzt Alice gewesen. „Da haben wir viel mit Reifröcken als Unterbau gearbeitet“, berichtet Christin Lange. Überhaupt müssten Tanzkostüme ganz anders genäht werden als jene fürs Schauspiel. Zum einen würden die Tänzer stark schwitzen, weswegen manche Stoffe nicht in Frage kämen. Zum anderen müssten die Stoffe besonders reißfest sein und die Schnitte viel Bewegungsfreiheit zulassen. „Es sind schon sehr viele Hosen geplatzt“, sagt Kerry Rees und lacht. „Wenn eine Hose sehr eng ist, dann achten wir darauf, dass der Tänzer eine schwarze Unterhose trägt.“ Für Notfälle liege während einer Vorstellung immer eine Nadel mit eingefädeltem Faden hinter der Bühne, um solche Pannen schnell beheben zu können.

Ideen müssen an die Möglichkeiten angepasst werden

Das Spannendste an ihrem Beruf finden die beiden Ausstatterinnen das Entwickeln der Kostüme. Das Entwerfen sei natürlich Sache des Kostümbildners. Manche würden dafür Collagen mit Bildern aus Zeitschriften basteln, andere fertigten grobe oder auch sehr genaue Zeichnungen an. Für die Schneiderinnen gilt es dann, die Idee in konkrete Schnitte umzuwandeln und die passenden Stoffe herauszusuchen oder einzufärben. Aus Reststoffen oder billigem Nesselstoff nähen sie zunächst Probeteile und nähern sich so dem Kostüm immer mehr an. Manchmal sei es schwierig, einem Choreografen zu vermitteln, dass sich seine tolle Idee nicht umsetzen lasse – entweder aus praktischen oder aus finanziellen Gründen. „Wenn Choreografen es gewohnt sind, an großen Häusern zu arbeiten, wo Geld keine so große Rolle spielt, müssen sie sich erst daran gewöhnen, dass sie bei uns nicht alles kriegen“, sagt Rees. Steht das Kostümbild, werden die Kleider für die jeweiligen Schauspieler oder Tänzer maßangefertigt. „Wir machen die Kostüme aber immer sehr änderungsfreudig, damit man Nähte herauslassen kann, falls die Besetzung wechselt oder mal jemand zu- oder abnimmt“, sagt die Schneidermeisterin.

Im nächsten Frühjahr steht laut den Ausstatterinnen viel Arbeit an. Die Choreografen eines neuen Stücks hätten sich bisher nicht entscheiden können, welche Farbe die Kostüme haben sollen. Solange dies nicht feststeht, können die Schneiderinnen nicht anfangen. Doch für Kerry Rees und Christin Lange ist das in Ordnung, die Extraschichten gehören für sie eben dazu. „Ohne Herzblut hätte man am Theaterhaus nichts verloren“, betont Lange.