Das bekannte Borat-Kostüm ist ebenfalls zum Schnäppchenpreis erhältlich Foto: StN

Im Internet kann man Kostüme für den Christopher Street Day bestellen. In der Szene ist die zunehmende Karnevalisierung der Feiertage von Schwulen und Lesben umstritten.

Im Internet kann man Kostüme für den Christopher Street Day bestellen. In der Szene ist die zunehmende Karnevalisierung der Feiertage von Schwulen und Lesben umstritten.

Stuttgart - Das Herrenkostüm „Geile Krankenschwester“ besteht aus weißem Kleid und Haube. Es kostet 21,99 Euro und ist „sofort verfügbar“. Als Zubehör wird eine Riesen-Maxi-Spritze empfohlen, die man mit der Spitze stolz nach oben trägt. Das Modell „Regenbogen“ für 52,99 Euro ist eine Tunika zum Überwerfen, deren Spektralfarben gerade in toleranten Großstädten sehr in Mode sind. Weiter im Angebot zum lustvollen Paradieren: die Badebekleidung vom Typ „Borat“ für 13,99 Euro, das Kostüm „Hawaiianer mit Hintern“ für 32,99 Euro und vieles mehr. 

Das ist CSD von der Stange. Christopher Street Day zum Reinschlüpfen, per Mausklick bestellbar.

Als Kinder waren wir scharf auf Cowboy- und Indianerkostüme für den Fasching. Auch wenn’s „politisch unkorrekt“ war (keiner von uns hätte diese Worte korrekt schreiben können), ballerten wir gern mit der Käpselepistole rum. Heute gibt’s bei dem Internetanbieter Funidelia, der sich auf Outfits für die Feiertage der Schwulen und Lesben spezialisiert hat, die Montur für Indianer und Cowboys zum Bestellen – aus der Reihe Village People (so hieß die Disco-Band der späten 1970er Jahre, die sich für eine schwule Zielgruppe formiert hatte). 

Bereits beim Volksfest auf dem Wasen haben wir’s gesehen: Wenn etwas zur Massenbewegung wird, gibt es immer welche, die auf den Zug aufspringen. Kommen in den Stuttgarter Kaufhäusern nach den Dirndln und Lederhosen made in Fernost nun die Sonderflächen für die CSD-Garderobe, für den rosa Fasching? 

Die Stadt ist sooo bunt: Am kommenden Samstag startet um 16 Uhr in Heslach die 18. Stuttgarter CSD-Parade, die von Jahr zu Jahr mit immer größerem Andrang gefeiert wird. „Würden alle Parade-Teilnehmer nur Jeans und T-Shirt tragen, wäre das Interesse der Bevölkerung nicht so groß“, sagt Tobias Siewert, Modedesigner im Bohnenviertel, dem die zunehmende Karnevalisierung mit CSD-Stangenware aus dem Internet nicht gefällt. Der Lieblingsschneider von Travestie-Lady Frl. Wommy Wonder spricht von einer „Gratwanderung“: Es sei wichtig, dass der politische Gedanke einer CSD-Parade beim Feiern nicht verloren gehe. Das Motto diesmal lautet „Aufruhr“. 

Von der Stange würde Wommy, die am Donnerstag in der Sparda-Welt Premiere ihrer sechswöchigen Sommershow feiert, nichts kaufen: „Ich habe die Siewert’sche Maßanfertigung schätzen gelernt – da bestellt man nicht online, was man dann x-fach am selben Abend wiederfindet.“ Aber gut findet sie, „dass heute so viel angeboten wird – so kann sich auch ,Normalo‘ kostengünstig aufbrezeln “.

Gehören zur homosexuellen Folklore nun Regenbogen-Tunika und das Herrenkostüm „Geile Krankenschwester“? Die Menschen, die in Dirndl oder Lederhose auf den Wasen gehen, tragen im Alltag auch nur selten Tracht. Lange genug mussten sich viele Schwulen und Lesben verstecken. Jetzt soll jeder so feiern und so fröhlich sein, wie er will.